Bargeld verliert wegen Corona an Bedeutung
Es wird weniger mit Bargeld bezahlt. Die Appelle des Handels zugunsten elektronischer Bezahlung fallen auf fruchtbaren Boden. Doch wie stark ist dieser Trend zum bargeldlosen Einkauf im Moment, und wie geht es nach der Corona-Epidemie weiter?
Bei Aldi Süd weiß man genau, wie sich das Bezahlverhalten der Kunden verändert hat: 20 Prozent mehr Kartenzahlungen, rund ein Drittel mehr kontaktlose Bezahlvorgänge berichtet die Kette laut Stern für den Monat März. Insgesamt 40 Prozent der Kunden zahlten demnach bargeldlos, von diesen wiederum nutzten 42 Prozent kontaktlose Verfahren. Andere Handelsketten sowie Zahlungsdienstleister und Banken verzeichnen ebenfalls einen steigenden Einsatz von Girocards und Kreditkarten, auch das Smartphone wird immer öfter an der Kasse gezückt.In einer repräsentativen Onlineumfrage hat infas quo im Auftrag der Initiative Deutsche Zahlungssysteme e.v. (IDZ) untersucht, was die Kunden motiviert, weniger auf Bargeld und stärker auf elektronische Bezahlverfahren zu setzen. 1.475 Personen zwischen 16 und 69 Jahren haben die Marktforscher von Ende März bis Mitte April 2020 befragt.
Über alle Altersstufen
41 Prozent aller Befragten geben an, angesichts der Corona-Pandemie häufiger mit Girocard zu bezahlen. Nimmt man Kreditkarten hinzu setzen sogar 57 Prozent aktuell vermehrt auf die Kartenzahlung. Zugleich haben 47 Prozent der Befragten ihren Bargeldeinsatz in den vergangenen Wochen deutlich reduziert.
Eine Entwicklung, die mehrere Jahre dauern sollte, wird durch die Corona-Pandemie nun auf wenige Monate kondensiert.“
Gökhan Öztürk, Partner von Oliver Wyman
Für viele überraschend mag die Tatsache sein, dass diese Veränderungen in allen Alterssegmenten nahezu gleich stark ausgeprägt sind. Selbst unter den meist bargeldaffineren Kunden ab 60 Jahren greifen aktuell 38 Prozent zur Girocard.
Bereits vor der Anhebung des Zahlungslimits von 25 auf 50 Euro verzeichnete das berührungslose Zahlen erheblichen Zuwachs. Von den Kunden, die eine geeignete Girocard besitzen, gaben 55 Prozent an, derzeit verstärkt dieses Verfahren zu nutzen. Und 52 Prozent wollen künftig noch häufiger kontaktlos bezahlen.
Für das Bezahlen mit dem Smartphone interessieren sich ebenfalls immer mehr Kunden. Doch das ist bei den weitverbreiteten Zahlverfahren Apple-Pay und Google-Pay nur in Kombination mit einer Kreditkarte möglich. Die Girocard kann zwar bereits mit bankenspezifischen Apps auf dem Smartphone genutzt werden, ein breiterer Einsatz ist allerdings erst zu erwarten, wenn sich ihnen iOS- und Android-Wallets öffnen. Das soll – schon seit längerem – „demnächst“ passieren. Dann könnten sich 17 Prozent der Befragten vorstellen, darüber zu zahlen. Hier sind die jüngeren mit 23 Prozent vorn, aber auch in der Generation 60+ sind 12 Prozent interessiert.
Respekt als größte Motivation
Auch wenn eine Corona-Ansteckung über Bargeld von den Experten weitgehend ausgeschlossen wird: Für 56 Prozent steht die Hygiene hinter der Verhaltensänderung. Haupttreiber ist jedoch mit 67 Prozent der Angaben der Respekt vor dem Kassenpersonal. Abstand halten (45 Prozent) und die Reaktion auf entsprechende Aufforderungen seitens des Handels (44 Prozent) stehen demgegenüber zurück.
Offenbar sind sich viele Kunden der schwierigen Situation der Kassiererinnen und Kassierer bewusst und wollen einen Beitrag dazu leisten, sie nicht unnötig zu gefährden. Dazu passt auch eine weitere Erkenntnis: Für viele Befragte steht nicht die Sorge um das eigene Wohl im Fokus (42 Prozent), sondern eher die Gesundheit von Freunden und Familienangehörigen (56 Prozent).
Drei sich verstärkende Trends
Laut den Payments-Experten bei Oliver Wyman hat die Corona-Pandemie die Zurückhaltung der deutschen Kunden bei Kartenzahlungen sowie dem Bezahlen mit kontaktlosen Methoden und Mobile Wallets deutlich geschwächt. Doch dies ist nur ein Teil der aktuellen Entwicklung. Befördert wird der Rückgang beim Bargeld auch durch die wachsende Zahl von Händlern, die sich dem elektronischen Bezahlen öffnen. Und nicht zuletzt war die Einführung von Google Pay und Apple Pay ein Treiber für das kontaktlose Bezahlen. So spielen hier mehrere Tendenzen zusammen und verstärken sich gegenseitig.
Laut Bundesbank lag der Anteil der Barzahlungen nach Umsatz für das Jahr 2017 noch bei 52 Prozent. In einem Referenzszenario kommen die Payments-Experten der Strategie-Beratung nun zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Barzahlungen bis 2025 um 20 Prozentpunkte auf 32 Prozent abfallen wird.
Sollten die Kunden das nun geübte Bezahlverhalten weiterführen und sich der Trend noch verstärken, könnte der Bargeld-Einsatz in den kommenden fünf Jahren auf bis zu 20 Prozent des Handelsumsatzes zurückgehen. hj
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