EVENTS & MESSEN24. Juni 2016

Between the Towers on Tour in Hamburg: Bodenständige, kuriose und bemerkenswerte FinTechs

Tobias Baumgarten
Tobias Baumgarten

Die bekannte Veranstaltungsreihe der Frankfurter Fintech-Szene geht auf Tour und gastierte vorigen Mittwoch im betahaus Hamburg. Bei bestem Wetter präsentierten sich neben der Commerzbank als Gastgeber mehrere interessante FinTechs. Eher kurios war dagegen der Auftritt von Protonet.

von Tobias Baumgarten

Der Name ist normalerweise Programm: bei Between the Towers, einer der bekanntesten Veranstaltungen der deutschen FinTech-Szene, treffen sich FinTechs, Banken und Investoren im Herzen des Frankfurter Bankenviertels zwischen den vielen Banktürmen. Gestern war Between the Towers auf Tour im Hamburger betahaus. Trotz strahlendem Sonnenschein und laufender Fußball-EM war die Event-Fläche schnell so gut gefüllt, dass sogar Stehplätze bezogen werden mussten. Die FinTech-Szene in Hamburg wächst und giert nach hochwertigen Veranstaltungen.

Tobias Baumgarten
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Coopetition zwischen Banken und FinTechs

Den Auftakt machte Arno Walter, CEO der Comdirect-Bank, der mit einem Video über den technologischen Wandel der letzten Jahrzehnte einstimmte und fragte: was kommt als Nächstes? Banking sei unsexy – und eine Coopetition zwischen Banken und FinTechs könne helfen, das Beste aus beiden Welten zu nutzen.

Die Comdirect verfolge dazu vier Modelle: die gemeinsame Entwicklung von Angeboten zusammen mit FinTechs, das Angebot der Comdirect als eine Vermarktungsplattform für FinTechs, die Einbindung über Schnittstellen/APIs und natürlich auch die Nutzung von FinTech als White-Label-Lösung.

Abgesehen vom Payment-Bereich, auf den sich anfangs die meisten FinTechs gestürzt haben, sieht er im Moment keine große Gefahr durch Technologieriesen wie Apple und Google für das klassische Bankgeschäft – das sei für die Kunden ein zu großer Schritt. Das schönste Statement seines Vortrages hatte er von einem Vorstandskollegen übernommen:

Den Mutigen gehört die Zukunft. Wer zögert, wird von der Dynamik der digitalen Welt überrollt.“

Wie ein Wertpapierdepot – nur für Einlagen

Dann kam Andreas Wiethölter von ZINSPILOT auf die Bühne. Im aktuellen Zinsumfeld könnten die deutschen Retail-Banken ihren Kunden keine attraktiven Konditionen bieten. Auf der anderen Seite seien Commercial Banks auf der Suche nach Funding, hätten aber keine Ambition, eine Vielzahl von Einzelkundenbeziehungen mit Privatkunden einzugehen.

Hier will ZINSPILOT ansetzen und die schlecht verzinste Kunden-Liquidität über die Hausbank an die Commercial Banks vermitteln. So behält die Hausbank die Kundenbeziehung, der Kunde bekommt bessere Konditionen und die Anlagebank das Funding. ZINSPILOT verdient dabei eine Provision und alle gewinnen.

Autor Tobias Baumgarten
Tobias Baumgarten-960Tobias Baumgar­ten ist gelern­ter Bank­kauf­mann und studier­ter BWLer. Er arbeitet derzeit als­ Spezia­list für Multi­kanal-Banking an Digi­talisierungs-Themen. Beruflich & privat lei­den­schaftlich in­ter­es­siert an FinTech-Themen, bloggt und twit­tert er ­privat über FinTech. Sie fin­den Tobi­as Baumgar­ten auf aboutfintech.de und Twitter.
Der Kunde unterhält dabei nur ein einziges Anlagekonto, über das er aber bei verschiedenen Banken gleichzeitig Geld anlegen kann – wie ein Wertpapierdepot für Einlagen. Da ZINSPILOT die Gelder bündelt, entfallen für den einzelnen Kunden künstliche Hürden wie z.B. Mindestanlagegrenzen. Außerdem erhält er dadurch Zugang zu Banken, die Privatkunden sonst nicht offenstehen. Das FinTech achtet bei der Auswahl der angebotenen Anlagebanken sowohl auf die Bonität der Banken als auch auf Länderratings. Griechische oder zypriotische Banken würden sie aktuell nicht aufnehmen.

Der Anschluss der Anlagebanken erfolgt Wiethälter zufolge über Standard-Schnittstellen wie EBICS, so dass das Onboarding teilweise innerhalb von gerade einmal acht Wochen geschieht.

Kurioser Auftritt von Protonet

Was folgte, war der kurioseste Auftritt des Abends: Ali Jelveh, Chief Revolutionary Officer bei Protonet kam auf die Bühne. Ohne Charts oder ähnliche Hilfsmittel stand er dort und plauderte – leider ohne jeglichen roten Faden – über sein Produkt (eine private Cloud-Lösung), die tollen Erfolge in den USA, die Förderung durch den Y Combinator und die damit verbundenen Turbulenzen rund um die erfolgreichen Crowdinvesting-Kampagnen.

Auf sehr sympathische, aber auch konfuse Art erzählte er von unternehmerischen Nahtod-Erfahrungen – und ließ wohl viele Zuhörer mit der Frage zurück: was soll uns dieser Vortrag eigentlich sagen. Und er hatte bestimmt viel zu erzählen, nur leider konnte er es an diesem Abend nicht transportieren.

Nach der Veranstaltung zu seinem Auftritt befragt, berichtete er, dass er selbst nicht wusste, warum er zu dieser FinTech-Veranstaltung eingeladen war. Die Veranstalter hätten ihn aber unbedingt dabei haben wollen und ihn hartnäckig gebeten. Bleibt die Frage, ob sie ihm damit wirklich einen Gefallen getan haben.

Tobias Baumgarten
Tobias Baumgarten

FinTech-Week in Hamburg angekündigt

Danach war wieder der Commerzbank-Konzern an der Reihe und stellte zunächst seine Startup-Hubs vor, die sich um den „Neuen Digitalen Mittelstand“ kümmern. Zudem durfte Mariusz Bodek von der Startup-Garage der Comdirect noch einmal zeigen, was dieser Inkubator zu bieten hat – und gleichzeitig seine Bewerbung an interessierte Startups abgeben.

Interessanter war dann der Kurzauftritt von Clas Beese vom finletter. Er verkündete, dass der finletter zusammen mit dem betahaus und anderen Partnern im Oktober eine FinTech Week in Hamburg veranstalten wird – Barcamp und Hackathon inklusive.

Neue Wechselservices angekündigt

Sascha Dewald von FinReach präsentierte dann seinen Kontowechselservice. Er soll Bankkunden die subjektiven Ängste vor einem Kontowechsel nehmen, diesen beschleunigen und für eine höhere Kundenzufriedenheit sorgen.

Dabei soll der Kontowechselservice nur der Anfang sein: in den nächsten Wochen soll als neues Produkt der Depotwechselservice mit einer namhaften deutschen Bank an den Start gebracht werden. Weitere Services seien zudem in Planung, z.B. für die Baufinanzierung.

Auch um diese Zukunftspläne zu realisieren, sei man aktuell in ersten Gesprächen für eine neue Finanzierungsrunde. Vorrang hätten aber aktuell Akquisegespräche mit potentiellen Bankkunden.

Wie Weight Watchers – nur für Finanzen

Im Endspurt durften dann noch zwei FinTechs pitchen. Den Anfang machte Artur Schlaht von Payever. Das FinTech ermöglicht es Online-Shops, auf einfache Weise verschiedene Payment-Arten anzubieten.

Ihm folgten als letzter Pitch des Tages die Lokalmatadoren von FinGym. Die beiden Gründer Franziska Luh und Thorsten Stoll stellen fest: „Die Deutschen haben ein schwieriges Verhältnis zu Geld.“ Das läge daran, dass aus dem Elternhaus zu wenig Finanzwissen mitgegeben werde. Die komplizierte Fachsprache sorge für weiteren Frust.

FinGym
FinGym
Mit einer Kombination aus Expertenwissen gepaart mit Erkenntnissen aus der Verhaltensforschung und Gamification-Elementen will FinGym das ändern und die finanzielle Fitness seiner Kunden verbessern. Dabei setzen sie auf einen Mix aus Präsenzveranstaltungen und Online-Kursen, orientiert an Selbsthilfegruppen oder den Weight Watchers – nur für Finanzen.

FinGym selbst betreibt aber keine Vermögensberatung, sondern vermittelt Finanzwissen, um so selbstbestimmte Anlageentscheidungen zu ermöglichen. Die Monetarisierung erfolgt dabei durch Kursgebühren einerseits und Lead-Provisionen andererseits. Das Startup sieht sich dabei nicht als Konkurrenz zu den Banken, sondern als perfekte Ergänzung.

Rundum gelungene Veranstaltung

Im Anschluss war noch ausgiebig Zeit zum Netzwerken mit den Referenten, aber auch mit dem teilweise hochkarätigen Publikum mit Szene-Größen wie z.B. André Bajorat (figo) oder Hans-Jörg Leichsenring (Der Bank Blog), wovon ausgiebig Gebrauch gemacht wurde. Am Ende war es eine rundum gelungene Veranstaltung, die Lust auf mehr macht.tb

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