Aareal Bank: Vom Kernsystem in die Cloud – das Praxis-Interview mit Aareal Bank, IBM & knowis
In Sachen Cloud betritt die Aareal Bank gemeinsam mit IBM und knowis Neuland. Wie sind die Erfahrungswerte bei der erstmaligen Auslagerung eines Geschäftsprozesses aus dem Bankensystem in die Cloud? Wir haben nachgefragt bei drei Projektbeteiligten, die es wissen müssen: Heinz Biesen (IT-Bereichsleiter Banking Transformation Aareal Bank), Jürgen Lang (IBM Deutschland) und Michael Rehfisch (Head of Banking Solutions, knowis AG).
Herr Lang, mittlerweile gibt es immer mehr Banken, die für sich proklamieren, Cloud-Technologien einzusetzen. Unterscheidet sich der Einsatz von Cloud-Lösungen in Banken tatsächlich so sehr von anderen Branchen?
Jürgen Lang (IBM): Das kommt eindeutig darauf an, welchen Bereich wir uns genauer ansehen.Richtig ist, dass zahlreiche Cloud-Anwendungen in den letzten Jahren auch im Banking-Bereich Einzug gehalten haben. Das bedeutet aber nicht, dass die Cloud schon in den Kernbereich von Banken-Prozessen eingezogen ist.”
Wie meinen Sie das?
Und das ist bei der Lösung der Aareal Bank anders?
Heinz Biesen (Aareal Bank): Ja, eindeutig. Wir haben gemeinsam mit IBM und knowis eine Plattform implementiert, bei der unter anderen die Kreditanbahnung und -entscheidung mit Hilfe von Cloud-Technologien in eine digitale Lösung umgesetzt wurden. Die end-to-end Bearbeitung von Kontoeröffnungen für unsere Wohnwirtschaftskunden ist ebenso ein Beispiel für einen Geschäftsprozess, der zukünftig in der Cloud abgebildet wird.
Wie kam es dazu, dass bei Aareal gerade diese Geschäftsprozesse in die Cloud wanderten?
Heinz Biesen (Aareal Bank): Die wichtigste Motivation war sicher mehr Flexibilität in der Umsetzung der digitalen Lösungen. Die Änderung von einzelnen Parametern, die Erweiterung von Modellen oder auch die Einbindung verschiedener Datenquellen lässt sich mit der neuen Lösung viel einfacher handhaben. Bei Eingriffen ins Bankensystem sind die Aufwände wegen der monolithischen Struktur derartiger Systeme deutlich höher – und damit meine ich: Änderungen dauern länger und sind schwieriger umsetzbar. Wir sind guter Dinge, bei neuen Produkten die Zeit bis zum Go-To-Market auf unter sechs Monate verkürzen zu können. Gleichzeitig entfallen für uns durch den Betrieb der bereitgestellten Lösungen in der Cloud auch die Aufwände, die mit Aufbau und Pflege der notwendigen Infrastruktur verbunden sind.
Was sind die Kriterien, anhand derer entschieden werden kann, ob ein Prozess besser in der Bank verbleibt oder ausgelagert werden sollte?
Jürgen Lang (IBM): Die Frage, welche Prozesse in den Bestandssystemen der Bank und welche möglicherweise besser in einer Cloud-Umgebung aufgehoben sind, ist sehr wichtig. Ich persönlich bin der Meinung, dass es Prozesse gibt, die mit gutem Grund in die Bestandssysteme, insbesondere in die Kernbankensysteme gehören und die ich von dort aus ohne Not gar nicht abziehen würde, wie beispielsweise Buchungssysteme. Wenn es aber um Vorgänge geht, bei denen Flexibilität gefragt ist, wie bei den Themen Omnichannel-Fähigkeit oder der Einbeziehung von Partnern beziehungsweise Drittanbietern über APIs, ist eine Cloud-basierte Lösung wie die IBM-Banking-Plattform eine passende Lösung. Sie ermöglicht vieles, was im Bestands- bzw. Kernbankensystem schwierig oder in der Umsetzung zu komplex wäre.
Wie sieht es mit regulatorischen Fragen und Sicherheitsthemen aus – sind diese Aspekte ein Hinderungsgrund für einen weitergehenden Cloud-Einsatz?
Jürgen Lang (IBM):
Dieses Argument hören wir zwar häufig, ich denke aber nicht, dass das so stimmt. Unstrittig ist, dass regulatorische Vorgaben eine wichtige Rolle dabei spielen, höchstmögliche Sicherheitsstandards zu erreichen.”
Sie verbieten aber den Einsatz von neuen Technologien wie der Cloud nicht; der Rahmen ist derselbe, das hat auch die BaFin immer wieder deutlich gemacht. Es gibt aber natürlich weniger Erfahrungswerte und etablierte Prozesse, daher mag der Aufwand größer wirken, als er dann tatsächlich ist.
Eine schwache Ausrede also?
Jürgen Lang (IBM): So würde ich das nicht sagen. Es ist wahrscheinlich eher so, dass vielfach noch Unsicherheit dahingehend besteht, ob eine angedachte Cloud-Lösung schlussendlich tatsächlich den regulatorischen Anforderungen der Aufsichtsbehörden genügt. Wir begleiten unsere Kunden auf dem Weg in die Cloud und haben für unsere Produkte gemeinsam mit den Aufsichtsbehörden die Parameter abgestimmt, die für unsere Kunden den Compliance-konformen Weg in die Cloud ermöglichen. Das IBM „EBA Cloud Compliance Certificate“ ist das aktuellste Beispiel: Wir haben die Leitlinien der EBA zu Auslagerungen direkt in unseren IBM Vertragsbedingungen gespiegelt.
Seit wann beschäftigt sich die Aareal Bank mit dem Thema Cloud?
Heinz Biesen (Aareal Bank): Das Thema Outsourcing begleitet uns also bereits eine ganze Weile, und wir haben unsere Erfahrungen gemacht. Daher war es für uns auch kein Wagnis, dieses Projekt gemeinsam mit unseren Partnern umzusetzen. Wir wussten ziemlich genau, was uns erwartet und wie die Umsetzung laufen würde.
Nun ist ja Cloud nicht gleich Cloud – welche Parameter muss eine Lösung erfüllen, um im Banking-Sektor zum Einsatz zu kommen?
Jürgen Lang (IBM): Es gibt mehrere mögliche Wege: Bei einem Hybrid-Cloud-Ansatz entscheidet eine Bank in Bezug auf Workload oder Anwendungsfall, ob sie on premises oder in der IBM Cloud betreiben will. Im Fall der Aareal Bank liegt die komplette Anwendung inklusive der Daten in der IBM Cloud. Die Aareal Bank setzt wie andere europäische Banken auch auf die sichere IBM Cloud, mit der wir alle regulatorischen Anforderungen erfüllen. So vertraut zum Beispiel auch die BNP Paribas (BNPP) ihre Workloads der IBM Cloud an.
Welche Expertise konnte knowis bei dem Projekt beisteuern?
Michael Rehfisch (knowis): Bei knowis haben wir langjährige Erfahrung in der Überführung von bankfachlichen Kundenanforderungen in IT-Lösungen und ganz besonders in der Automatisierung komplexer, wissensintensiver Abläufe im Kreditgeschäft. So haben wir auf der einen Seite zusammen mit den Fachspezialisten der Aareal Bank ein Zielbild für die fachliche Bebauung der Kreditlandschaft entwickelt, ausgerichtet auf das Digitalisierungsvorhaben der Bank.
Auf der anderen Seite ist unsere digitale Banking-Plattform isfinancial ein wesentlicher Baustein der Aareal-Lösung in der IBM-Cloud.
Das Aareal-Projekt hat gezeigt, dass diese Herangehensweise sowohl on premises als auch in der Cloud eine vielversprechende Lösung ist, um die digitale Transformation schnell und sicher einzuleiten.”
Vielen herzlichen Dank für das Interview!aj
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