Atruvia & Gini: “Das FinTech kann etwas, was wir selbst nicht so gut können – oder auch gar nicht machen wollen!”
Als Digitalisierungspartner der genossenschaftlichen FinanzGruppe (GFG) ist Atruvia stets auf der Suche nach den Trends und Entwicklungen, die für die Banken besonders erfolgversprechend sind. Die Zusammenarbeit mit FinTechs ist hier eine willkommene Gelegenheit: Entwicklungen lassen sich auslagern und so schneller vorantreiben. Gleichzeitig ist die Vielfalt des Kundenkreises von Banken mit individuellen Bedürfnissen und regulatorischen Anforderungen komplex. Ulrich Coenen, Vorstandssprecher bei Atruvia, Karlsruhe, und Alexander Jäger, COO bei Gini, München, geben einen spannenden Einblick, wie beide Seiten von solchen Kooperationen profitieren.
Zum Hintergrund: Gini (Website) bietet über eine Schnittstelle das einfache Auslesen und Bezahlen von Rechnungen über ausgewählte Banking-Apps an. Sprich: Bankkunden können die Daten aus eingehenden Papier- oder PDF-Rechnungen einfach per Foto oder QR-Code auslesen und automatisch in die App-Überweisungsmaske übertragen, um den Rechnungsbetrag dann binnen Sekunden zu überweisen. Diese Gini-Technik nutzt zum Beispiel die VR BankingApp der Volksbanken Raiffeisenbanken – und spätestens hier ist der Berührungspunkt zu Atruvia (Website). Denn Atruvia hat auf Seiten der VR BankingApp die technischen Voraussetzungen für die Integration der Gini-Lösung geschaffen.Herr Coenen, Herr Jäger: Ihre Unternehmen sind im Bereich IT-Technologie und -Anwendungen ja beide schon sehr weit vorne. Brauchen Sie einander überhaupt?
Ulrich Coenen: Das ist eine gute und berechtigte Frage. Aber, ja: Wir brauchen einander. Wir als Atruvia kümmern uns um die vollautomatisierte Prozessplattform, quasi um die technische Spielwiese. Diese öffnen wir an Schnittstellen, um unseren Kunden innerhalb der GFG die Erweiterung ihrer Bankprodukte zu ermöglichen. Da lassen wir den Produkt- und Serviceentwicklern möglichst freien Lauf.
Wir schaffen also den Rahmen für neue digitale Ökosysteme und sorgen dafür, dass die Bankkunden grundsätzlich digital aktiviert sind.”
Das alles zieht natürlich auch innovative FinTechs an, die mit ihrer Kreativität komplett in Endkundenlösungen denken.
Alexander Jäger: Wir von Gini kommen immer konsequent aus der Nutzerperspektive. Wir retten die Bankkunden vor umständlichen manuellen Vorgängen, vor To-Do-Listen, dem Auswendiglernen von IBANs, nur um eine Überweisung zu tätigen oder eine Lastschrift zu beauftragen. So etwas ist nicht mehr zeitgemäß. Wir fragen uns deshalb ständig: Wie geht es noch leichter, noch automatisierter? Und darin denken wir genauso wie Atruvia.
Ulrich Coenen: Genau, unsere Unternehmen haben dasselbe Ziel. Und das lautet, das Leben der Bankkunden leichter zu machen. Wir kürzen Wege ab und reduzieren umständliche Prozedere auf das Wesentliche. Jede Routineaktion soll mit minimalem Aufwand erledigt werden können.
Gini arbeitet – außer mit den Volksbanken Raiffeisenbanken – auch noch mit sehr vielen anderen Banken zusammen. Beäugen sich Ihre Kunden da nicht misstrauisch?
Alexander Jäger: Natürlich sind unsere reifen Produkte heute schon bereits sehr breit ausgerollt, sodass viele Banken Anwendungen wie die Gini-Pay-Fotoüberweisung bereits integriert haben. Das Gute aber ist:
Unser Produkt ist eine White-Label-Lösung, die vom jeweiligen Institut individuell gebrandet wird.”
Bankkunden sehen also nichts von Gini. Und sie haben in der Regel auch keinen Marktüberblick. Das ist auch gar nicht ihre Intention. Sie möchten einfach eine hochperformante Banking-App nutzen, die sie 24/7 begleitet. Und so ähnlich sehen das auch unsere Kunden, die Banken:
Mit diesen reifen Lösungen werden sie sich nicht als First Mover profilieren. Hier geht es einfach um State-of-the-Art-Services, den Industriestandard.”
Etwas anderes ist es, wenn wir schon in der Produktentwicklung exklusiv mit einem Institut zusammenarbeiten. Hier besteht großes Potenzial, sich über neue technische Features einen USP zu erarbeiten.
Und wie exklusiv muss die Zusammenarbeit mit einem FinTech aus Ihrer Sicht sein, Herr Coenen?
Ulrich Coenen: Auch aus unserer Sicht ist Exklusivität bei der Zusammenarbeit mit einem FinTech nicht Prio 1.
Wichtig ist, dass das FinTech etwas kann, was wir selbst nicht so gut können. Oder auch gar nicht machen wollen, weil es nicht unserer Strategie oder unseren aktuellen Prioritäten entspricht.”
Manchmal ist Exklusivität aber auch so wichtig, dass wir uns sogar unternehmerisch an einem FinTech beteiligen. So haben wir 2021 gemeinsam mit ausgewählten Volks- und Raiffeisenbanken und der DZ Bank die KMU-Finanzierungsplattform FinCompare erworben. Über diese Online-Plattform erhalten kleine und mittelständische Unternehmen unkompliziert Zugriff auf Finanzierungsangebote von mehr als 250 Finanzdienstleistern – aus einer Hand. Damit haben wir der bis dato etwas unkomfortablen, komplizierten B2B-Finanzierung im Bereich KMU einen Innovationsschub gegeben. In diesem Fall war uns die Exklusivität eigene Investitionen wert.
Es heißt ja: Den Mutigen gehört die Welt. Wo sind Sie in Ihrem jeweiligen Bereich mutig?
Ulrich Coenen: Wir bei Atruvia machen durchaus viele Experimente, obwohl wir davon ausgehen müssen, dass nicht alles auf fruchtbaren Boden in den Banken fällt.
Bei unserer Anwendung „Vertragsmanager“ denken wir konkret darüber nach, was wir mit den Informationen aus den Kontoumsätzen anfangen könnten.”
Ein Anwendungsfall wäre zum Beispiel ein KI-gesteuertes Liquiditätsmanagement für Privatkonten. Hier lässt sich wunderbar ansetzen. Die größte Herausforderung dabei aber ist, dass wir den Banken diese neuen Angebote schon in der Entwicklungsphase nahebringen müssen und ihren Input bei der Entwicklung aufnehmen. Denn am Ende sind sie es, die ihre Kunden am besten kennen und deren Akzeptanz und Nutzung einschätzen können.
Mut zu Forward thinking beweisen wir gemeinsam mit der GFG übrigens mit amberra, unserer Einheit für die gemeinsame Entwicklung von Near- und Beyond-Banking-Services. Dort werden wir in Start-ups investieren und eigene Ideen aus der Gruppe marktreif entwickeln. Das ist eine große Investition in das digitale Ökosystem der Bank von morgen.
Alexander Jäger: Ohne Mut würde Gini nicht dort sein, wo wir jetzt stehen. Wir haben den Weg vom risikokapitalfinanzierten Startup zum profitablen, wachsenden Unternehmen gemeistert, diverse kulturelle und strukturelle Veränderungen forciert und mit ganz viel Durchhaltevermögen unsere marktführende Stellung in der Finanz- und Versicherungsindustrie mit den höchsten Anforderungen erarbeitet. Und das immer mit dem Anspruch, Bezahlen für uns alle substanziell zu vereinfachen.
Ich könnte mir auch vorstellen, unsere Expertise in der Verknüpfung von KI und Software-as-a-Service rund um Payment-Anwendungen noch viel stärker und auf andere Branchen auszuweiten, dort Potenziale zu identifizieren und durch innovative Produkte zu heben.”
Wir sehen immer vor allem die Chancen, anstatt die Risiken – übrigens einer unserer vier Unternehmenswerte.
Was sehen Sie aktuell als größte Herausforderung, um das Banking der Zukunft mit allen Möglichkeiten von KI und FinTechs immer weiter voranzutreiben?
Ulrich Coenen: Ich wünsche mir, dass sich in der breiten Bevölkerung eine zentrale Erkenntnis noch mehr durchsetzt:
Nämlich, dass die eigenen Daten – unter Einhaltung höchster Sicherheitsstandards – nicht ständig von Diebstahl und Missbrauch bedroht sind. Sondern, dass sie auch für einen selbst arbeiten und Gutes tun können.”
Wir müssen also den persönlichen Nutzen von Datenfreigaben noch besser erklären, das Ganze noch positiver aufladen und incentivieren. Denn diese Daten sind ein wesentlicher Treiber neuer Entwicklungen.
Alexander Jäger: Genau. Diese Datenpunkte sind essentiell. Es geht darum, die Kundenschnittstelle bestmöglich zu nutzen und neue Arten der Wertschöpfung zu kreieren. Für die Banken, ihre IT-Digitalisierungspartner, für die FinTechs – aber vor allem für uns alle, uns Kunden.
Beim KI-Einsatz geht es nicht darum, stumpf zu verkaufen, sondern dort anzusetzen, wo es wirklich sinnvoll ist.”
Zum Beispiel wenn der Kunde eine Versorgungslücke hat, die ihm gar nicht bewusst ist, oder das Erkennen und dementsprechend die Prävention von Betrugsversuchen, die in Zeiten von Deep Fake eine ernste Bedrohung darstellen. Banken genießen unter Verbrauchern das höchste Vertrauen in Deutschland, persönliche Daten zu teilen. Hier haben wir alle die Aufgabe, einerseits konsequent aufzuklären und andererseits mit sehr guten Lösungen das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, erhalten und auszubauen.
Herr Coenen, Herr Jäger– vielen Dank für das Interview!aj
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