Deutsche Bank geht in die Google Cloud: Warum der Schritt überfällig ist
Als Beginn einer neuen Ära und einen bedeutenden Tag hat Bernd Leukert, Chief Technology, Data and Innovation Officer der Deutschen Bank, den Vertrag über die mehrjährige strategische Partnerschaft mit Google Cloud genannt. Doch was plant die Deutsche Bank genau, warum hat sie sich für Google als Partner entschieden und wie weit soll der Schritt in die Cloud wirklich gehen? – Eine Einordnung der Cloud-Pläne.
Schon im Juli war bekannt geworden, dass die Deutsche Bank Teile ihrer Infrastruktur in die Cloud auszulagern gedenkt – und dass sie dafür Google als Anbieter wählen wird. Der Cloud-Anbieter aus Mountain View hat bereits in der Vergangenheit immer mal wieder Unternehmen aus der Finanzwirtschaft überzeugt, zuletzt im Herbst vor einem Jahr recht prominent die Deutsche Börse.Jetzt hat die Deutsche Bank die Pläne konkretisiert und erklärt, zunächst eine auf zehn Jahre angelegte Zusammenarbeit eingehen zu wollen. Die Bank will ihre Daten und Anwendungen in die Cloud-Infrastruktur verschieben – nach und nach, die kriegsentscheidenden Teile sicherlich erst zu einem späteren Zeitpunkt. Die Vorteile einer solchen Lösung liegen auf der Hand: Zum einen bietet die Cloud der Bank eine bessere Skalierbarkeit von Services – diese können individuell hinzugebucht werden, wenn sie benötigt werden, gegebenenfalls auch spontan, etwa zum Monatswechsel oder wenn auf einmal besonders viele Mitarbeiter von extern arbeiten müssen (Stichwort Pandemie).
Man zahle, erklärt die Deutsche Bank, nur für die tatsächlich genutzten Ressourcen – was korrekt ist, aber schon vielen Unternehmen auf die Füße gefallen ist, weil diese Kalkulation alles andere als trivial ist und zuweilen aus dem Ruder laufen kann. Dennoch ist dies einer der Vorteile. Hinzu kommen die gute Erreichbarkeit und die quasi auf Null reduzierbaren Ausfallzeiten, außerdem die Tatsache, dass Standardarbeiten beim Rollout von Updates und Patches zentral durch den Cloudanbieter erledigt werden – eine nicht zu unterschätzende Zeitersparnis.
Die Bedenken in Sachen Datensicherheit haben die Verantwortlichen in den Banken wohl inzwischen glücklicherweise verloren. Denn prinzipiell spricht nichts gegen eine Cloud, da für diese, wie auch IT-Vorstand Leukert gegenüber der FAZ erklärt, Datensicherheit und Datenschutz mindestens so eminent wichtig sind wie für eine Bank, sodass sie „viel mehr Geld in Sicherheit investieren, als es sich eine einzelne Bank leisten könnte“. Klar ist, auch wenn es wieder betont wird, dass der Cloud-Anbieter keinerlei Daten zu Gesicht bekommt, da diese zumindest in abgelegter Form Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind und auch innerhalb der Anwendungen nicht durch Google genutzt werden dürfen. Befürchtungen von wegen Datenkrake sind also weitestgehend unbegründet.
Google will sich in der Bankenwelt weiter positionieren
Und auch die Versprechungen von Google, für die von dem Projekt auch nicht wenig abhängt, sind umfassend:
Möglichkeiten für mobile Bankgeschäfte, Beratung auf Basis künstlicher Intelligenz oder andere Innovationen verändern, wie Kunden Bankdienstleistungen nutzen. Unsere Partnerschaft mit der Deutschen Bank wird Innovationen vorantreiben und dazu beitragen, dass die Finanzbranche neue Technologien frühzeitig nutzt. Die Deutsche Bank war schon immer ein Vorreiter.“
Rob Enslin, Präsident Global Customer Operations, Google Cloud
Wie der Cloud-Anbieter auf Nachfrage erklärt, sehe man sich nicht nur als reinen Cloud-Infrastruktur-Anbieter, sondern zusätzlich als Partner der Kunden im Rahmen ihrer digitalen Transformation. Wie Joachim Wüst, Head of Financial Services, Google Cloud Germany, berichtet, gehe es Google darum. Neue Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen, Banken zusätzliche Flexibilität durch eine von Sicherheit und Compliance geprägte Cloud-Infrastruktur zu bieten. „Der Finanzsektor ist eine stark regulierte Branche und ein Business, das auf Vertrauen basiert. Jedes Gespräch mit unseren Kunden beginnt mit dem Fokus auf Sicherheit, Compliance und Regulierung.“
Oft stellten die Kunden dabei fest, dass die üblichen Befürchtungen unbegründet sind. „Zum Beispiel ermöglichen wir Kunden, Daten so weit wie möglich verschlüsselt zu halten (sowohl bei der Speicherung als auch beim Transfer).“ Zudem gehe es darum, Datensilos aufzubrechen, Daten besser zu verstehen und Schlüsse daraus zu ziehen und datengetriebene Geschäftsmodelle umzusetzen. „Mit unseren Tools können unsere Kunden bessere Insights aus ihren Daten gewinnen und schneller, einfacher und genauer entscheiden.“
Unser Ziel ist ganz klar: Wir möchten Google Cloud zur Plattform der Wahl für die
Finanzdienstleistungsbranche machen.“
Joachim Wüst, Head of Financial Services, Google Cloud Germany
Abkehr von On-Premise? Wohl nicht ganz
Was aber in Hinblick auf die Zukunft der Bankenwelt sicher noch wichtiger ist, ist die nahezu grenzenlose Implementierbarkeit von Zukunftstechnologien von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning, Kubernetes oder auch Blockchain-Anwendungen. Denn Vieles was irgendwie datenintensive Services sind, lässt sich in der Cloud einfacher realisieren. Hinzu kommen die üblichen Buzzwords von Kulturwandel bis agile Verfahren, die natürlich auch für eine sich konsolidierende Deutsche Bank wichtig sind: „Wir müssen agiler arbeiten, mit einem stärkeren Fokus auf die eigentliche Entwicklung und der Möglichkeit, Konzepte sofort zu testen. Die Partnerschaft mit Google Cloud wird uns weiter dabei unterstützen, die Ingenieurkultur in der Bank auszubauen“, erklärt Bernd Leukert in einem Mitarbeiterbrief. Gleichzeitig ist der Schritt aber auch das vernünftige Eingeständnis, dass man bestimmte Services in alten On-Premise-Strukturen, mögen sie noch so leistungsfähig sein, eben nicht mehr kosteneffizient abbilden kann:
Wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir am besten können. Wir verstehen die Bedürfnisse unserer Kunden und die Finanzprodukte und -dienstleistungen, mit denen wir sie unterstützen. Wir müssen keine Zeit und Ressourcen darauf verwenden, eine Anwendungsumgebung zu bauen und zu pflegen – es ist sehr viel effizienter, wenn wir diese Leistungen von einem Technologiepartner beziehen, der darauf spezialisiert ist.“
Bernd Leukert, IT-Vorstand, Deutsche Bank
Anbindung externer Partner und FinTechs
Gut geeignet ist eine Cloud-Lösung auch, wenn es darum geht, mit Dienstleistern und per API angebundenen FinTechs zusammenzuarbeiten. Neue Finanzierungsprodukte sollen beispielsweise „Pay-per-use“-Modelle ermöglichen, bei denen der Kunde gezielt Dinge nicht erwirbt, sondern für deren Nutzung bezahlt („Asset-as-a-Service“). Während das natürlich eher Industriebelange oder auch Unternehmensführungs-Tools betrifft, plane man auch für die Privatkunden eine entsprechende intuitive digitale Bedienerführung, die den Kunden einen besseren Überblick über die Produktpalette der Deutschen Bank und der Postbank bieten wird.
Darüber hinaus erklärt die Deutsche Bank, man wolle gemeinsam mit ausgewählten und vielversprechenden Start-ups und FinTechs Innovationen entwickeln und voranzutreiben, um die Ziele der Bank in Bezug auf Kundenservice und Transformation zu realisieren. Zudem plant die Bank, ihre Produkte über den Google Cloud Marketplace anzubieten, um mit ihren neuen Cloud-basierten Dienstleistungen und Lösungen Kunden zu erreichen.
Was die Google Cloud gegenüber anderen auszeichnet
Doch warum gerade die Google Cloud und nicht etwa die von Amazon AWS oder auch die von IBM / Red Hat oder Microsoft, die ja durchaus im Finanzumfeld auch als etablierte Größe gilt? Ein wichtiges Thema, sowohl für die betroffenen Banken als auch für die Cloud-Anbieter selbst ist dabei der Datenschutz und die Datenhoheit. Und auch wenn alle Beteiligten sich davor hüten zu erklären, was sie besser können als der Mitbewerber, sprechen externe Cloud-Implementierer da offener: Sowohl Google Cloud als auch andere vergleichbare Anbieter mit US-Hintergrund erklären ja, dass sie aufgrund ihres in diesem Falle deutschen, aber auch EU-Serverstandorts sämtliche Regularien der Aufsichtsbehörden erfüllen, um nicht dem US Cloud Act zu unterliegen (und weisen gegenüber potenziellen Kunden diverse Zertifizierungen vor).
Unterschiede gebe es hier jedoch beispielsweise bei der Erstellung und Übermittlung von Metadaten. Google sei hier, so hört man aus dem Umfeld entsprechender Dienstleister, etwas datenschutzfreundlicher als andere Mitbewerber. Bestimmte Meta-Daten, die etwa darüber Auskunft geben können, dass überhaupt Datenzugriffe erfolgt sind und Datenstrukturen bestehen, werden hier gar nicht erst erstellt.
Darüber hinaus werden im Vorfeld solcher Entscheidungen umfangreiche Audits durchgeführt, die evaluieren sollen, welche Anforderungen sich wie gut compliance- und datenschutztechnisch umsetzen lassen und wie performant eine solche Lösung sein kann – will sagen: wofür sich die jeweilige Cloud alles eignet. Wohl dem Cloud-Anbieter, der dann entsprechende Best Practice Cases vorweisen kann, die belegen, dass insbesondere die Regulierungsbehörden im entsprechenden Fall keine Einwände hatten. Insofern ist die Kooperation mit der Deutschen Bank auch für Google einmal mehr ein entscheidender Schritt, um Credibility in der Bankenszene zu erhalten und auszubauen.
Doch entsprechende Vorzeigekunden haben sie alle (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Während sich neben den Sparkassen durch ihren zentralen IT-Dienstleister Finanz Informatik (FI) bzw. dessen Tochter Finanz Informatik Technologie Service (FI-TS), die Commerzbank und der Deutschen Börse auch die Generali Versicherung für die Google Cloud entschieden haben, präferieren HSBC, ING und die Talanx – und nicht zuletzt die Solarisbank in vollem Umfang – die AWS-Cloud aus dem Hause Amazon. Doch auch IBM (mit der BNP Paribas) und Microsofts Azure Cloud (mit Allianz, Ergo und Debeka stark in den Versicherungen verwurzelt, kommt aber auch bei der Commerzbank und der Deutschen Börse zum Einsatz) haben ihre Vorzeigekunden.
Klar ist, dass mittelfristig viele nicht nur auf einem Technologie-Anbieter fußen werden, sondern Multi-Cloud-Lösungen mit „dem Besten aus verschiedenen Welten“ einsetzen werden. Laut einer Rightscale-Studie verlassen sich 85 Prozent der Unternehmen branchenübergreifend, die auf die Cloud setzen, auf mehrere der Anbieter. Und es gibt einen klaren Konsolidierungstrend: Die Analysten erwarten, dass die Top 10-Anbieter bis 2021 fast 70 Prozent des Marktes unter sich aufteilen (aktuell rund die Hälfte).
Deutsche Bank: Warum gerade die Google Cloud?
Spricht man mit der Deutschen Bank selbst, heißt es ausweichend, die jeweiligen Cloud-Regions und –Standorte der Google Cloud seien weitgehend deckungsgleich mit denen der jeweiligen weltweiten Standorte der Deutschen Bank. Doch so viel anders sind diese nicht als etwa die von AWS oder auch IBM, die ebenfalls ein dichtes Netz an leistungsfähigen Cloud-Rechenzentren weltweit unterhalten.
Fragt man Cloud-Experten, was die Eigenheiten gerade der Google-Cloud sind, wird deutlich, dass diese (ähnlich wie die AWS-Cloud) als extrem experimentierfreudig und vielfältig in den Anwendungen und Services gilt: Von Speicher- und Netzwerkdiensten über Identitäts- und Prozessmanagement bis hin zu Zukunftsthemen wie Machine Learning oder Blockchain steht eine immense Zahl an Services bereit, die ähnlich schnell anwachsen wie beim Mitbewerber AWS. Besonders gelobt werden das Big-Data-Management sowie die Machine-Learning-Plattform Tensorflow und die Application Container. Ähnlich wie Microsoft hat auch Google mit der G-Suite ein Office- und Productivity-Toolpaket geschaffen, das mit entsprechend protokollierter Datenablage kommt. Doch der sehr Entwickler- und Technologie-getriebene Ansatz der Google-Cloud mache es für Unternehmen oft nicht leicht, die passenden Lösungen für sich zu finden und zu kombinieren, erklärt ein externer Berater. Und fehle hier mal tatsächlich etwas, dann ließe es sich durch eine Multicloud-Strategie implementieren.
Offen ist indes noch, wie vehement die Deutsche Bank auf die Cloud setzen will: Während Banken wie N26 (schon immer) und Solarisbank (nach Migration) vollständig cloudbasiert arbeiten, sind die Berührungsängste bei etablierten Großbanken da für gewöhnlich größer. Einen Teil könne man natürlich in die Cloud umziehen, aber alles – nein, dazu sei man noch nicht bereit, bekommen IT-Berater mit Cloud-Schwerpunkt allzu oft zu hören. Noch zurückhaltender sei da nur noch die öffentliche Verwaltung, erklärt einer, der täglich damit zu tun hat.
Fazit: Eigentlich nur Vorteile – wenn die Strategie durchgezogen wird
Unterm Strich ist der Schritt der Deutschen Bank nur vernünftig, wenn er nicht nur halbherzig vollzogen wird.
Perspektivisch sollte alles in die Cloud wandern, was möglich ist. Aber manche Bereiche stehen eher am Ende der Liste, so etwa das Emissions- und Beratungsgeschäft oder der Handel mit Anleihen.“
Bernd Leukert, IT-Vorstand, Deutsche Bank
Die Deutsche Bank wird so ihre IT stabiler und ausfallsicher mit kurzen Response-Zeiten gestalten können und die genannten Zukunftstechnologien implementieren können. Denn wie man auf Nachfrage heraushört, geht es der deutschen Bank um Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, eine zeitgemäße und zukunftssichere IT-Strategie und -Infrastruktur. Der Wildwuchs der IT-Systeme – vor fünf Jahren sollen es laut Handelsblatt-Informationen noch 45 gewesen sein, inzwischen sind des weniger als die Hälfte – könnte durch eine intelligente Cloud-Infrastruktur und vernünftige Virtualisierung eingedämmt werden.
Dabei soll zunächst nach einer Art Salamitaktik die IT im Privatkundenumfeld in die Cloud wandern, später dann nach und nach auch das Firmenkundengeschäft. Zudem könnte das Konstrukt auch Kosten sparen, wobei dies natürlich nicht nur von den Konditionen der Partner abhängt, sondern auch von einer optimierten Aussteuerung der Systeme. Eine leistungsfähige Software-Defined Datacenter-Lösung wird das Unternehmen sicherlich über kurz oder lang implementieren, damit die Cloud-Kosten nicht aus dem Ruder laufen.tw
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