STRATEGIE15. Juli 2021

No-Code für Geldhäuser? Erste IT-Chefs setzen auf Mitarbeiter ohne Programmierkenntnisse

Experte für No-Code Anwendungen: Thorsten Winternheimer
Thorsten Winternheimer, CEO NecaraNecara

Regulierung, PSD2, der technologische Wettbewerb zwischen Banken, FinTechs und Spezialanbietern, kontinuierliche Verbesserungsprozesse und herausfordernde Kundenansprüche – und die IT soll alle bewältigen. Am besten sofort, einfach, schnell und kostengünstig. Programmierung ist eine Herausforderung für jede IT-Abteilung. Im Grunde verlangt die dynamische Entwicklung, dass sich Finanzunternehmen in Software-Unternehmen verwandeln. Doch das funktioniert nur, wenn alle Bereiche und alle Mitarbeiter in den Fachabteilungen eingebunden sind und miteinander kommunizieren können. Ist No-Code eine Lösung?

von Thorsten Winternheimer, CEO Necara

Wer sich von der Konkurrenz unterscheiden will, braucht individualisierte Software, die Mitarbeitern ermöglicht, selbst Abläufe festzulegen. Herkömmliche Frameworks beispielsweise erfordern hier immer noch zu viele manuelle Handgriffe, die bei jedem Update neue Probleme schaffen. In eine Standardsoftware integrierte Workflow-Engines, die sich über eine Skriptsprache steuern lassen, erfordern wiederum oftmals Programmierkenntnisse. Somit steht der IT-Leiter eines Finanzunternehmen gleich vor mehreren Herausforderungen:

Die dynamische Digitalisierung von komplexen Prozessen ist ein wesentlicher Faktor für den Bestand und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Der Anpassungsdruck ist groß, die Umsetzung schwierig, langwierig und meist teuer, und oft fehlt es an qualifizierten Programmierern und IT-Experten.”

Neue Problemlösungen gesucht

Software durch klassische Programmierung herzustellen oder individuell anzupassen, ist teuer und dauert meist Monate. Gesucht sind Problemlösungen, die leicht, schnell und kostengünstig an bestehende Software angebunden werden können oder auch vollständig alte Software ersetzen können. Selbst Unternehmen wie Microsoft und Siemens investieren deshalb in den neuen Trend No-Code bzw. Low-Code. No-Code-Plattformen sind für jeden technisch interessierten Mitarbeiter ohne Programmierkenntnisse zugänglich (“Citizen Developer”), während Low-Code-Plattformen in erster Linie erfahrene Entwickler aus klassischen Programmiersprachen ansprechen und unterstützen, die sog. Pro-Coder.

Das führende Research- und Beratungshaus Gartner erwartet einen Anstieg der weltweiten Umsätze für die verschiedenen No-Code und Low-Code Technologien allein in den letzten zwei Jahren von 9,15 Milliarden (2019) auf 13,82 Milliarden (2021).

Immer mehr auf No-Code-basierende Anwendungen werden auch in der Finanzbranche genutzt. No-Code platziert sich dabei im Sweet Spot zwischen Individualentwicklungen, RPA (Robotic Process Automation) und fertigen, aber angepassten Anwendungen (Standardanwendungen) und kombiniert die Vorteile aus allen Welten. Die Professionalität von No-Code-Anwendungen ist in letzter Zeit extrem gestiegen.

Technisch gesehen sind No-Code-Anwendungen nichts anderes als grafische Benutzeroberflächen für Nicht-Programmierer. Der daraus generierte Code ist in sich getestet und wird bei neuen Versionen automatisiert geliftet. Der Code ist sauber und fehlerfrei und automatisch dokumentiert.”

Daraus ergibt sich eine um das Achtfache schnellere Entwicklungszeit gegenüber herkömmlicher Individualentwicklung.

Zahlreiche Anwendungsgebiete für den Einsatz von No-Code

Autor Thorsten Winternheimer, Necara
Der Autor Thorsten Winternheimer ist Dipl. Wirtschaftsingenieur und Betreiber der Plattform saas.do (Webseite)., die er 2015 mit Torben Daudistel gründete. Saas.do ist eine reine No-Code-Plattform für professionelle Anwendungen. Saas.do hat zirka 15.000 User in Deutschland, vor allem im professionellen B2B-Umfeld.

Auch in der sicherheitsorientierten Finanzbranche lassen sich mit No-Code leistungsstarke Applikationen umsetzen, sei es als Middleware-Anwendungen, die im Hintergrund ablaufen, oder auch als Kommunikationsplattform gegenüber Kunden oder Mitarbeitern. Mit Hilfe einer No-Code Entwicklungsplattform zur unkomplizierten Digitalisierung und Automation von Prozessen können Mitarbeiter in kürzester Zeit individuelle Software direkt in den Fachabteilungen entwickeln und Abläufe festlegen – und das per Drag’n’Drop, ganz ohne Programmierkenntnisse und genau auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst.

Häufig gibt es bei Finanzdienstleistern noch veraltete Legacy-Systemen, die seit Jahren Prozesse verlangsamen. Normalerweise braucht es mit einer Standardsoftware etliche Monate, bis die einzelnen Prozesse angepasst und modernisiert sind. Unterschiedliche Tools der verschiedenen Bereiche und der Fachkräftemangel in der Bank-IT verlangsamen die Kommunikation und Umsetzung enorm. Diese alles wird mit einer No-Code Softwareentwicklung zügig und agil angegangen. Ob neue Software, Modernisierung oder Erweiterung einer bestehenden Lösung.

Die Anwendungsgebiete im Finanzbereich sind vielfältig. Von kostengünstiger Migration von Daten und Middleware-Anwendungen zur Orchestrierung von Datenströmen (ziehe mir Daten aus den Systemen X & Y, bearbeite mir diese und schreibe sie in System Z) über komplexe Anwendungen wie Vertragsmanagement, automatisierte Rechnungsprüfung und Freigabeprozesse bis hin zu VAT-Compliance-Prüfungen mit KI-Unterstützung. Auch vollautomatisierte Leasing- oder Kreditanwendungen inklusive automatisierter Entscheidung, Anbindung an Bonitäts- und KYC/AML-Plattformen und Vertragsverwaltung sind bereits realisiert worden. So werden Bankanwendungen und Finanzprozesse schneller, kostengünstiger und flexibler erstellt. Ein weiteres Feld gibt es im regulatorischen Bereich:  Kennzahlen, die aus verschiedenen Systemen konsolidiert, transformiert und bearbeitet werden, an den jeweiligen Regulierer oder die BaFin gesendet werden.

Die No-Code-Software ist dabei mandantenfähig, mehrsprachig und mehrwährungsfähig.”

Lösungen für FinTechs

Beispiel Finbc: das FinTech entwickelt Lösungen für günstiges und schnelles Factoring für Mittelständler und basiert seinen Service auf No-Code – inklusive kundenindividueller Anbindung an betriebliche Finanzsysteme und ERP-Anwendungen, Entscheidungssysteme (Decision Support Systems) und Auszahlungs-/Payment-Systeme mit Vertragsverwaltung.

Ob als vollwertige Applikation (Web und Mobile), Middleware oder Connectivity Hub:

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Necara

Mit No-Code steigern Kunden die Produktivität im gesamten Unternehmen auf einer einheitlichen Plattform und vernetzen Drittsysteme. So arbeiten die Spezialisten aus verschiedenen Abteilungen sinnvoll zusammen und verkürzen die Time-to-Market.”

Ergebnis ist eine sauber vernetzte digitale Transformation sowie die sanfte Modernisierung bestehender Infrastrukturen mit optimaler Datenmigration.

Was gilt es bei der Auswahl einer No-Code Plattform zu beachten?

  • Ist die professionelle Einsetzbarkeit gewährleistet? Am Markt gibt es viele sog. App-Builder, deren Einsatz auf eine Anwendung passen mag, dann aber aufgrund vielfältiger Einschränkungen in komplexeren Backoffice-Szenarien nicht genutzt werden kann.
  • Ist ein on premises-Betrieb möglich im eigenen Rechenzentrum oder in der Privaten Cloud?
  • Lassen sich Schnittstellen möglichst einfach anbinden?
  • Wie sieht es mit APIs von externen Anbietern/Software/In-House Systemen aus?
  • Lassen sich APIs selbst generieren mit wenigen Mausklicks und zur Verfügung stellen? Das ist besonders wichtig für das zukünftige Open Banking. Die PSD2-Regulierung ist nur der Vorbote für die umfassende API Economy.
  • Die umfangreichen Daten der Banken sind ein “Schatz”, wie kann man diese für bessere Kundenansprache nutzen oder automatisiert orchestrieren?
  • Ist die Migration von Bestandsdaten aus Altsystemen in neue Systeme kostengünstig möglich?
  • Lassen sich Daten aus verschiedenen Systemen zusammenführen? Immer wenn es um Regulierungsvorschriften geht, müssen Daten aus verschiedenen Systemen bearbeitet und die notwendigen Formulare als PDF ausgefüllt und versendet werden.

Die Perspektiven von No-Code

Bei allen positiven Aspekten der Individualentwicklung hat No-Code also viele Vorzüge, ohne die es in Zukunft nicht möglich sein wird, auf dem aktuellen Stand der Digitalisierung zu bleiben. Es ist unwahrscheinlich, dass No-Code in Zukunft das Handwerk der Coder und IT-ler ersetzen wird. Vielmehr geht es in diesen Zeiten des Fachkräftemangels darum, weitere Mitarbeiter in die Softwareentwicklung enger einzubeziehen, die Arbeit der Programmierer und Programmiererinnen zu erleichtern und Unternehmen durch effiziente Lösungen auf dem Weg der Digitalisierung zu begleiten. Dazu gehört ein aktiver Workflow, in dem die verschiedenen Bereiche und Abteilungen eines Unternehmens bestens vernetzt sind und auch Mitarbeiter ohne Programmierkenntnisse teilhaben können. In Zukunft wird das Unternehmen mit den besten Schnittstellen am schnellsten auf Veränderungen und Chancen im Markt reagieren können. Fazit:

Mit No-Code lässt sich die Bank-IT in der Hälfte der Zeit modernisieren.”

Thorsten Winternheimer, Necara

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