Die Trustlog-Reise: von der Joint-Venture-Idee zu einer digitalen Plattform
Trustlog – ein Joint Venture der Versicherungsunternehmen R+V und VHV – ist eine innovative, digitale und sichere Plattform-Lösung für das einfache Empfangen, Verwalten und Verwahren digitaler Bürgschaften. Die Zusammenarbeit von Trustlog und dem globalen Designstudio Goodpatch begann bereits zur Ideenentwicklung Ende 2019 und wurde über den Marktstart der Plattform hinaus bis heute fortgeführt. Gemeinsam wollen wir nun unseren Prozess, unsere Erkenntnisse und Einsichten aus dieser spannenden Reise teilen. Dabei werden wir neben dem Designprozess darauf eingehen, wie wir die Interessengruppen zusammengebracht, eine Vision mitgestaltet, die technische Entwicklung geleitet und von Grund auf ein Design-System aufgebaut haben.
von Markus Scherer, Product Manager bei Trustlog (Webseite) und Tanisha Raj, Growth Manager bei Goodpatch (Webseite)
Digitalisierung von Kautionsbürgschaften in der Versicherungsbranche Stellen Sie sich vor, Sie sind ein bekanntes Bauunternehmen und haben gerade einen Vertrag mit einem großen Fußballverein für den Bau seines neuen Fußballstadions unterzeichnet. Im Rahmen dieses Projekts benötigen Sie unter anderem Subunternehmer, die Ihnen bei verschiedenen Installationen wie Elektrizität, Malerarbeiten oder Fenstern helfen.
Als Gewährleistung für die Arbeiten fordern Sie von Ihren Subunternehmern einen Sicherheitseinbehalt. Alternativ akzeptieren Sie auch eine Bürgschaft als Absicherung.
Während eine herkömmliche Versicherungspolice eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien darstellt, ist eine Bürgschaft eine Vereinbarung zwischen drei Parteien (dem Auftraggeber, dem Subunternehmer und dem Bürgen).”
Der Subunternehmer beantragt diese Bürgschaft bei der Versicherungsgesellschaft oder Bank und das Originaldokument erhält der Auftraggeber. Dieser Prozess wird heutzutage ausschließlich manuell – auf Papier – durchgeführt. Das Ergebnis sind vollgestopfte Schubladen mit Akten im Wert von Millionen!
Deshalb haben sich die R+V- und VHV-Versicherungen entschlossen, ein unabhängiges Joint Venture zu gründen mit dem Ziel, den Prozess für den gesamten Markt neu zu denken. Das Ergebnis: eine Online-Plattform zur Abwicklung von digitalen Bürgschaften.
Strukturierung des Problemraums mithilfe eines Designathons
Über innovative Ideen zu reden ist leicht, sie in konkrete Konzepte und Produkte umzusetzen eher schwer. Als die Zeit gekommen war, eine neuartige Plattform zu entwickeln, wandten sich die Versicherungen an Goodpatch. Wir führten im übergreifenden Projektteam beider Versicherungen einen ersten Designathon durch – Goodpatchs bewährtem Workshop-Ansatz. In nur vier Tagen analysierten wir die Kundenbedürfnisse, zeichneten die User Journeys auf, entwickelten Lösungsvorschläge und bauten einen ersten Prototyp, den wir mit zukünftigen Kunden testeten. Der Designathon ist ein praxisorientiertes, gemeinschaftliches Format, um von einer Idee zu einem greifbaren Ergebnis zu gelangen. Er hilft dem Projektteam, Klarheit über die gemeinsame Vision zu gewinnen und diese den Beteiligten zu vermitteln (wir nennen das “show, don’t tell”). Und was noch wichtiger ist: Der Designathon ermöglicht es, vom ersten Tag an Kundenfeedback und -tests einzubeziehen, um Produkte noch ansprechender zu gestalten.
Mit einem “Minimum Lovable Product” Fans anstatt nur Nutzer gewinnen
Nach vielen Iterationen erstellte das Projektteam einen visionären Prototyp, der als Entwurf für alle notwendigen Funktionen diente, die sich das Team in dem zukünftigen Produkt vorstellte. Dies war ein Schlüsselmoment in unserem Prozess, da er als Maßstab für das gesamte Team diente, von der Rechtsabteilung bis zur Entwicklung. Wir hatten alle ein gemeinsames Verständnis davon, was der visionäre Prototyp beinhaltet und konnten schnell handeln, wenn es darum ging, die Realisierbarkeit einer bestimmten Funktion zu bestimmen.
Die meisten Unternehmen arbeiten auf ein “Minimum Viable Product” hin. Bei Goodpatch arbeiten wir auf ein “Minimum Lovable Product” (MLP) hin.”
Dazu müssen wir verstehen, welche Funktionen für die Benutzer am wichtigsten sind. In einem Workshop haben wir uns dieser Aufgabe mithilfe einer “Impact-Effort-Matrix” genähert. So konnten wir die Funktionen mit dem größten Impakt identifizieren und diese in eine User-Journey-Map bringen, um die Entscheidungen in einen Kontext zu stellen.
Den Kunden im agilen Entwicklungsprozess eine Stimme geben
Um ein “Minimum Lovable Product” (MLP) zu erstellen, muss man den Nutzern und ihren Bedürfnissen während des gesamten Entwicklungsprozesses zuhören. Nur dann ist die Produktentwicklung wirklich agil. Bei Trustlog haben wir dies durch kontinuierliche Benutzertests und Iterationen des Designs erreicht. Im April 2020 ging das Trustlog-Team mit dem MLP einen Schritt weiter und fand einen Entwicklungspartner. In zweiwöchentlichen Sprints wurden die Entwürfe in die Plattform implementiert, Trustlog wurde schließlich Feature für Feature entwickelt und war bereit für den Launch.
Vorbereitung auf den Launch mit visuellem Branding
Als sich die Plattform dem Launch-Termin näherte und das Design des Interfaces und die Entwicklung abgeschlossen wurden, war es an der Zeit, diesem digitalen Produkt eine Identität zu geben. Bevor wir das Logo und das Farbschema festlegten, einigten wir uns mit Hilfe von Benutzertests auf einen Namen. Wir sammelten Informationen darüber, wie die Nutzer auf die verschiedenen Optionen für Markennamen reagierten und versuchten, der tieferen Frage auf den Grund zu gehen: Welche Persönlichkeit ruft ein bestimmter Name hervor? Aus den Benutzertests ergab sich eine Vorliebe für Trustlog, das an Stabilität und Einfachheit erinnert, und für das Produkt sowie die Firmierung (Trustlog GmbH) ausgewählt wurde.
Eine visuelle Identität, die Emotionen hervorruft
Das Branding von Trustlog begann nicht mit der Entwicklung des Logos, der Typografie, der Visitenkarten oder anderer Materialien, die man sich vorstellen kann. Es begann mit einem Moodboard, mit Emotionen. Wir haben die Zielgruppe, die Konkurrenz, den Markt und die Werte, die wir vermitteln wollen, erforscht. Dann haben wir in Workshops verschiedene Optionen für die visuelle Umsetzung der Marke bewertet und betrachtet, welche Emotionen die einzelnen Moodboards bei den Nutzern hervorrufen. Um Inspiration für die visuelle Identität zu finden und zu verstehen, wen wir erreichen wollten, schauten wir uns unsere Nutzertestaufnahmen an. Bei Trustlog geht es um die Vereinfachung und Digitalisierung eines papierlastigen und zeitaufwändigen Prozesses. Wir wollten daher das Gefühl von Leichtigkeit hervorrufen.
Die Moodboards halfen uns, unser Team zu koordinieren, was angesichts der knappen Zeit des Projektes entscheidend war.”
Davon ausgehend konnten wir damit beginnen, das Logo zu skizzieren, Farbschemata und Typografie-Optionen festzulegen.
Designertipp für Moodboards: Beschränken Sie die Anzahl der Farben. Mit Farben lassen sich zwar leicht Emotionen wecken, aber sie können auch schnell polarisierende Meinungen hervorrufen. Versuchen Sie also, die Farben Ihres Moodboards neutral zu halten, damit die Bilder für sich selbst sprechen und die Entscheidungsträger nicht durch eine Farbe, die ihnen gefällt oder nicht gefällt, stark beeinflusst werden.
Ein Prozess, der auf Einfühlungsvermögen beruht
Entscheidend für dieses Projekt zwischen Trustlog und Goodpatch war die gemeinsame Annahme, dass Empathie den Designprozess bestimmt. Es ging bei unserem Joint Venture darum, ein digitales Produkt zu entwickeln, in das sich die Menschen verlieben. Dafür ist es elementar, den Nutzer zu verstehen – den Menschen, der die Maschine benutzt. Deshalb haben wir in den gesamten Prozess intensive Nutzerforschung und -tests integriert, sogar in der Branding-Phase. Wir schauten uns genau an, was die Augen eines Nutzers zum Leuchten bringt. Das hat in diesem Projekt so gut geklappt, weil wir ein ganzheitliches Verständnis der Marke hatten. Durch unser Co-Creation Format gelang es uns von der ersten Idee bis zur Gestaltung der Plattform, jeden Aspekt und ihren Zweck dahinter zu verstehen, was uns schließlich bei jedem Schritt unterstützt hat.
Nutzerzentriertes Design als Grundstein der Skalierung
Wenn Sie einen reifen Entwicklungsstand mit Nutzern zum ersten Mal verproben und diese sich so selbstständig durch den Prototypen klicken, als würden Sie die dahinterliegende Software tagtäglich verwenden, dann fängt man an zu verstehen, welches enorme Potenzial im nutzerzentrierten Design liegt”.
Wenn Sie einen reifen Entwicklungsstand mit Nutzern zum ersten Mal verproben und diese sich so selbstständig durch den Prototypen klicken, als würden Sie die dahinterliegende Software tagtäglich verwenden, dann fängt man an zu verstehen, welches enorme Potenzial im nutzerzentrierten Design liegt”.
Markus Scherer, Trustlog
Unsere Erfahrungen in der Erarbeitung des Prototypen und die unzähligen Gespräche mit Bauunternehmen in der Entwicklung der Plattform haben uns verdeutlicht, auch Trustlog-seitig im Entwicklungsteam nutzerzentriertes Design stets als gleichwertigen Bestandteil zu betrachten. Die Ausrichtung von neuen Features wird somit gleichermaßen von unseren Produktdesignern, dem Entwicklungsteam und der Business Seite bestimmt. Dieser Dreiklang ermöglicht uns die Skalierung unserer Plattform und bedeutet noch mehr Flexibilität für Nutzer: Aktuell erfolgt das Plattform-Onboarding in einem kurzen Termin mit dem Kunden. Durch das sehr intuitive und einfach gehaltene Design können wir es zukünftig jedoch Kunden ermöglichen, sich selbstständig zu registrieren und mit der Plattform vertraut zu machen.
Mit einem nutzerzentrierten Ansatz haben wir es geschafft, fachliche Komplexität in einfache, schlanke Prozesse zu übersetzen. Unsere Kunden können nach dem Onboarding sofort digitale Bürgschaften erhalten und verwalten, ohne dass Schulungen oder dergleichen notwendig sind. Seit Markteintritt im April haben wir bereits eine dreistellige Anzahl an Kunden aus der Bauwirtschaft gewonnen. Bei keinem kam es zu großartigen Verständnisfragen zur Nutzung der Plattform. Im Gegenteil: Die Plattform wird als große Vereinfachung in der Bürgschaftsverwaltung wahrgenommen.
Dies bestärkt uns in unserer Überzeugung: die Zukunft der Bürgschaft ist digital!”
Ist die Reise zu Ende?
Wir glauben, Produkte haben immer Raum für Wachstum und Weiterentwicklung. Für Trustlog war das von Anfang an eine wichtige Prämisse: die Plattform kontinuierlich auf neue Kundenbedürfnisse und Marktveränderungen zuzuschneiden und stetig zukunftsweisend weiterzuentwickeln. Auch unsere gemeinsame Reise ist noch nicht zu Ende. Goodpatch unterstützt Trustlog weiterhin bei der Ausarbeitung neuer Plattformfunktionen sowie beim Aufbau der In-House-Kompetenzen im Bereich Design.Markus Scherer, Trustlog und Tanisha Raj, Goodpatch
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