KI, Bots, Big Data & -Analytics: Die Transformation der Filiale ins Smartphone – Jörg Floegel (NCR) im Interview
Während früher die Filiale das Portal der Bank war, stellt heute das Smartphone den wichtigsten Zugang zum Kunden dar. In Folge müssen sich Bankgeschäfte grundlegend umstrukturieren und weiter digitalisieren. Welche technologischen Transformationen stattfinden, erklärt Jörg Floegel, Direktor Professional Services (Nordeuropa) bei NCR. Das Interview.
Herr Floegel, welche neuen Technologien halten derzeit – ganz real – Einzug in deutschen Bankfilialen und welche Rolle spielen sie bei der Filialtransformation?
Die meisten neuen Technologien ziehen heute ins Backend der Filialen ein. Im Fokus stehen dabei vor allem die Prozessautomatisierung und -optimierung: Daten aus unterschiedlichen System werden zusammengeführt und visualisiert. Denn die digitale Transformation gelingt nur, wenn Banken einen einheitlichen Blick auf alle Daten und Abläufe in ihren Filialen haben.Im SB-Bereich setzen Banken verstärkt auf Videoberatung, um unkompliziert mit Bankkunden zu kommunizieren und weitere Spezialisten flexibel einbinden zu können.”
Weiterhin wird durch den Einsatz von Recyclern, also kombinierten Ein- und Auszahlungsgeräten, die Zahl teurer Befüllungen von Geldautomaten reduziert.
Zugleich experimentieren Banken mit KI-Anwendungen oder Bot-Technologien, um neue Ansätze für Prozessoptimierungen zu identifizieren.”
Inwiefern gewinnt künstliche Intelligenz bei der Interaktion mit dem Kunden an Bedeutung? Kann überhaupt eine Nicht-Transparente-KI im Banking eingesetzt werden?
Einige Banken integrieren ihre Dienste in Sprachassistenten und ermöglichen ihren Kunden damit, Basisinformationen wie den eigenen Kontostand oder die Öffnungszeiten ihrer Filiale abzufragen. Künstliche Intelligenz wird zudem in Hotlines und Call-Centern eingesetzt. Hier ist jedoch Transparenz besonders wichtig: Sollte sich der Kunde getäuscht fühlen, wird das Vertrauen und damit das wichtigste Gut der Banken gefährdet.
Aktuell wird Künstliche Intelligenz aber hauptsächlich im Back-Office der Bank eingesetzt, beispielsweise zur Betrugserkennung und -prävention oder bei der Planung und Steuerung von Marketingkampagnen.”
Hier besteht viel Potenzial: Mit neuen Erkenntnissen aus vorhandenen Daten können Banken ihren Kunden zugeschnittene Angebote und Services zur Verfügung stellen.
Geldautomaten werden laut EHI-Studie immer unwichtiger und das Filialsterben gewinnt weiter an Geschwindigkeit – selbst Dr. Dombret von der Bundesbank findet das richtig und wichtig. Welche Rolle spielt SB da überhaupt noch?
Die SB-Technologie hat erst mit der flächendeckenden Verfügbarkeit von Geldautomaten vor etwa 40 Jahren ihren Siegeszug angetreten und hat viele andere Bereiche erobert. Heute ist sie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken, …
… der Geldautomat ist daher noch lange nicht vom Aussterben bedroht.”
Aus anderen Ländern sehen wir, dass irgendwann eine Sättigung der Filial-Schließungen erreicht ist und Geldautomaten auch weiterhin betrieben und genutzt werden. Das zeigt sich auch daran, dass Drittanbieter ihr Geldautomatennetzwerk kontinuierlich weiter ausbauen. Gerade in Deutschland steht die Bargeldversorgung noch im Fokus. Vielen Kunden ist es bei der Wahl ihrer Bank nach wie vor wichtig, wo sie – möglichst gebührenfrei – Geld abheben können.
FinTech-Unternehmen sind mit innovativen Bank- und Payment-Lösungen für Verbraucher oft attraktiver. Was müssten Ihrer Ansicht nach Banken tun, um dagegen zu bestehen?
Das Vertrauen der Kunden ist für traditionelle Banken ein großer Vorteil. Das sollten sie verstärkt nutzen und mit umfassender und kompetenter Beratung für den Kunden relevant und attraktiv bleiben. Wichtig dabei ist, dass sich Berater intensiver mit den neuen Technologien der heutigen Konsumelektronik beschäftigen, um Chancen für ihr Bankgeschäft zu erkennen.
Viele Start-ups wenden sich an Crowdfunding-Plattformen, weil sie von Banken keinen Kredit kriegen. Der Grund: Weil ihre bisherigen Bewertungskriterien nicht greifen, können Bankberater oft das Potenzial der Idee hinter der Firmengründung nicht einschätzen.”
Wenn Banken ihre Mitarbeiter schulen, können diese die neuen Technologien als Chance anstatt als Bedrohung wahrnehmen.
Wie und zu wem werden sich die Kundensegmente im Banking verschieben? Sind die heutigen Retail-Banken auch künftig noch marktbeherrschend, oder wer ist für Sie künftig relevanter?
Aktuell sind Retail-Banken nicht wegzudenken, denn die FinTech-Angebote decken oft nur einen speziellen Bereich oder Service ab. Allerdings sollte es ein Weckruf für Banken sein, dass 60 Prozent der Befragten in einer US-Studie ihr Geld Unternehmen wie Amazon oder Google anvertrauen würden.”
Hier kann die jüngst eingeführte PSD2-Richtlinie einen großen Beitrag leisten: Die neuen Freiheiten bieten Banken die Möglichkeit, innovative Dienstleistungen zu kreieren. So können sie sich als moderner Finanzpartner beweisen und ihre Kundenbindung stärken.
Omnichannel-Bank ist ja das seit Jahren ausgerufene Stichwort. Umgesetzt ist sie bis jetzt nicht. Wie wollen Sie Banken dazu bewegen, Mobile-, Online- und Offline-Angebote in eine Gesamtlösung zu bringen?
Banken setzen bereits heute auf vielfältige, jedoch auch oftmals disjunkte Kanäle. Entscheidend ist, dass Kunden das Gespräch mit ihrer Bank nahtlos über die verschiedenen Kanäle hinweg führen können.”
So möchten Kunden einen einmal begonnenen Dialog im Zuge einer konkreten Anfrage (z.B. Finanzierung, Anlage) nicht immer wieder neu aufnehmen, sondern einfach weiterführen können. Hier bietet NCR die notwendigen Software und Services. Entscheidend für Banken ist zudem auch eine flexible und unkomplizierte Implementierung. Heute stehen weder große finanzielle noch zeitliche Budgets für einen langen Umsetzungszeitraum zur Verfügung.
Sehen Sie bei SB-Systemen überhaupt noch eine Zukunft – oder müssen Sie nicht auch wesentlich stärker in die App-Entwicklung einsteigen?
Apps sind nichts weiter als die Präsentations- und Dialogebene auf verschiedensten mobilen Endgeräten. Sie schaffen die Rahmenbedingungen für eine einfache Erfassung und Darstellung von Daten.”
Die eigentliche Mehrwertleistung wird durch die dahinterliegenden Systeme geschaffen. Diese aggregieren eine Vielzahl von Daten, erstellen Vorschläge und bereiten die Informationen auf. Darauf greifen letztlich die Apps in Teilen zu. Insofern liegt die Zukunft in der Bereitstellung der zentralen Systeme, mit Fokus auf Big Data und Data Analytics. Die Softwarelösungen von NCR adressieren genau diesen Markt.
Herr Floegel, vielen Dank für das Interview!aj
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