Konsumentenkreditgeschäft? Erfolgsrezepte der FinTechs kopieren – 4 Tipps
Das Geschäft mit dem Zins ist noch lange nicht tot. Es konzentriert sich jedoch immer stärker auf Auslandsbanken und FinTechs. Nun sind auch Internetkonzerne in die Konsumentenkreditvergabe eingestiegen. Für Deutschlands Institute ist die Zeit aber noch nicht komplett abgelaufen. Mit neuen Prozessen und einer entsprechenden Plattform-Strategie können sie sich im Geschäft mit dem Privatkunden neu positionieren.
von Daniel Holl und Robert Wagner, Cofinpro
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat das Zinsniveau im Euro-Raum seit 2008 immer tiefer gedrückt. Vor allem die im Zinsgeschäft traditionell stark vertretenden deutschen Banken leiden darunter. Aber ist mit der Kreditvergabe deshalb kein Geld mehr zu verdienen?Nein, denn trotz historisch niedriger Refinanzierungskosten müssen Verbraucher heute zum Teil deutlich höhere Zinsen zahlen als vor vier Jahren.”
So stieg der Zinssatz laut Zahlen der Deutschen Bundesbank für Kredite mit einer variablen oder kurzen Laufzeit (bis zu einem Jahr) seit Juni 2015 von 4,83 Prozent auf aktuell 9,23 Prozent. Bei diesem Zinssatz kann der Kreditgeber sogar bei kleineren Finanzierungen noch eine ordentliche Rendite erwirtschaften, sofern die Prozesskosten niedrig sind.
Umständliche Prozesse und starre Strukturen lassen aber in den deutschen Banken die Bearbeitungskosten in die Höhe schnellen. Denn hinter den Kulissen wird – selbst entlang digitaler Antragsstrecken – in vielen Fällen noch manuell abgeglichen und geprüft.
Wie es besser geht, machen die FinTechs vor: Komplett automatisierte Klickstrecken, die vom User bequem innerhalb weniger Minuten ausgefüllt werden.”
Sämtliche relevanten Prozesse laufen im Hintergrund ab, bis zum Schluss die Kreditentscheidung gefällt wird. Häufig gibt es nicht einmal mehr einen Abgleich mit der Schufa, weil bereits genügend Daten aus früheren Transaktionen vorliegen, um eine aussagekräftige Risikobewertung durchzuführen.
Große Vergleichsportale wie Check24 oder Finanzdienstleister wie PayPal profitieren zudem häufig davon, dass für bereits registrierte User die Onboarding-Kosten wegfallen. Denn die Anmeldung bzw. Legitimierung auf Finanzierungs-Webseiten kann extrem zeit- bzw. prozessaufwändig sein. Diese Kosten entfallen, wenn der Kreditnehmer vorher bereits Finanzdienstleistungen über das Portal oder bei dem Anbieter in Anspruch genommen hat.
BigTech drängt in den Bankenmarkt
Angesichts der erzielbaren Rendite – sofern die Prozesskosten niedrig bleiben und skalierbar sind – überrascht es nicht, dass immer mehr FinTechs in den vergangenen Jahren den Kreditmarkt für sich entdeckt haben. Neu ist aber, dass jetzt auch BigTechs vermehrt Interesse an diesen Finanzdienstleistungen gefunden haben.
Robert Wagner ist Consultant bei Cofinpro. Seit mehr als 7 Jahren ist er im Bankenumfeld tätig. Er berät Finanzdienstleister mit dem Schwerpunkt Kredit. In seinen Projekten begleitet er Banken bei der Digitalisierung ihrer Vertriebs- und Antragsprozesse.
Die im September von Check24 beantragte Banklizenz ist voraussichtlich nur ein Vorbote dessen, was noch kommen wird.”
Die großen Internetriesen drängen immer stärker auf den Finanzmarkt. Selbst Apple hat – in Kooperation mit Goldman Sachs – bereits eine Kreditkarte ausgegeben. Und Google sowie Amazon haben ihren Assistenten (Home & Alexa) die Schnittstellen zu den Banken wieder gekappt. Damit positionieren sie sich, um als singulärer Anbieter auf diesen Geräten proprietäre Finanzierungs-Lösungen anzubieten.
Wie groß das Geschäft mit Konsumentenkrediten ist, belegen die Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Das Volumen neu ausgegebener Kredite betrug 2018 knapp 100 Milliarden Euro, laut GfK wurden davon 39 Prozent online vermittelt. Weitere 57 Prozent entfallen auf den Point of Sale, also auf Finanzierungen von Autos oder anderen größeren Anschaffungen direkt beim Händler.
Vor allem im Handel mit Neu- und Gebrauchtwagen haben die klassischen Banken den Anschluss bereits weitgehend verloren. Mehr als 70 Prozent der hier vergebenen, großvolumigen Konsumentenkredite werden direkt beim Händler vor Ort, meist über Captives oder die deutschen Töchter von drei ausländischen Instituten ausgegeben. Das belegen auch aktuelle Zahlen der deutschen Bundesbank. So haben die Auslandsbanken ihr Kreditvolumen zu den klassischen deutschen Banken überproportional gesteigert. Im Zehnjahresvergleich stiegen die Forderungen gegenüber Nichtbanken in den Bankbilanzen bis Juli 2019 über alle Banken um 8 Prozent, wohingegen die Auslandsbanken im gleichen Zeitraum eine Steigerung von 47 Prozent verzeichnen konnten.
Auf eigene Stärken besinnen und erfolgreich kopieren
Können sich die deutschen Banken ihren Platz im Geschäft mit Konsumkrediten zurückerobern? Prinzipiell ja, allerdings müssen sie dafür auch ein paar Erfolgsrezepte der FinTechs adaptieren und insgesamt beweglicher werden. Dazu gehören:
1. Prozesse verschlanken! Der manuelle Aufwand im Back Office der Banken ist zu hoch. Bei kleinen Krediten liegen deshalb die internen Bearbeitungskosten meist über dem Zinsertrag. Eine digitalisierte Bearbeitung der Kreditanträge könnte dieses Problem lösen. Entsprechende Anpassungen im Konsumentenkreditbereich lassen sich dabei zugleich auf andere Kreditprodukte wie beispielsweise die Immobilienfinanzierung übertragen. Auch dort würden die neuen, kostengünstigeren Prozesse Banken wettbewerbsfähiger machen.
2. Partner suchen! Für den Ratenkauf beim Online-Händler oder eine gute Positionierung über Vergleichsportale ist eine starke Partnerschaft mit Unternehmen aus stationärem und Online-Handel unerlässlich.
3. Plattform besser nutzen! Noch gibt es Nischen im Online-Kreditgeschäft, die bisher nicht von den großen Tech-Konzernen besetzt sind. Die Baufinanzierung kann hier beispielhaft genannt werden. Die deutschen Banken können so ihre Position dauerhaft festigen und selbst den Markt bestimmen.
4. Daten besser nutzen! Den deutschen Banken steht eine enorme Datenfülle ihrer Bestandskunden zur Verfügung. Diese könnten sie proaktiv nutzen, indem sie zum Beispiel selbstständig ihren Kunden einen immer verfügbaren Kreditrahmen zur Ziehung von Ratenkrediten einräumen, ohne dass diese weitere Unterlagen oder Informationen liefern müssten. Anhand der Kontobewegungen sind die Institute zudem in der Lage, ihren Kunden detaillierte und passgenaue Vorschläge für andere Produkte zu machen wie beispielsweise eine Immobilienfinanzierung.
Insgesamt nimmt der Geschäftsbereich Konsumkredite seit Jahren zu. 2017 wurden dem aktuellen Schufa Kredit-Kompass 2018 zufolge mit 8,01 Millionen neu ausgegebenen Ratenkreditverträgen erstmals die 8-Millionen-Marke überschritten, ein Zuwachs von 4,6 Prozent zum Vorjahr. In Volumen ausgedrückt bedeutet das eine Steigerung von 28 Prozent in den letzten zehn Jahren. Wichtiger für die Banken ist aber, dass die Verbraucher kritischer werden. Sie vergleichen heute mehrere Kreditangebote und gehen nicht mehr treu in ihre Filialbank. Dieser Konkurrenz müssen sich die Institute stellen, wenn sie das Finanzierungs-Geschäft auch künftig erfolgreich betreiben möchten.Daniel Holl und Robert Wagner, Cofinpro
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/96023
Schreiben Sie einen Kommentar