Digitale Banken-Evolution im Zeitraffer – vieles geht, was bisher unmöglich schien!
Die Finanzbranche hat die ersten Verwerfungen der Covid-19-Pandemie und des Lockdowns überwunden. Nun gilt es, daraus zu lernen – vor allem im Hinblick auf die digitale Strategie. Fünf Schritte für den erfolgreichen Neustart!
von Valentino Pola und Joachim Butterweck, Cofinpro
Krisen und gesellschaftliche Umbrüche gelten als Hauptantreiber für Innovationen. Die aktuelle Coronavirus-Pandemie bestätigt dies. Innerhalb von Tagen mussten sich ganze Branchen neu orientieren und an den Lockdown anpassen.Speziell die Finanzinstitute ziehen daraus zwei wesentliche Erkenntnisse. Erstens: Es geht auch ohne Filiale. Der Kunde akzeptiert digitale Zugangs- und Zahlungswege. Und zweitens: Banken sind trotz der FinTech- und BigTech-Konkurrenz immer noch systemrelevant.”
Sie werden weiterhin gebraucht und können ihrer traditionellen Kundschaft gegenüber einen offensiveren Digitalisierungskurs durchaus verantworten.
Und plötzlich ist Homeoffice kein Problem …
Das Ausmaß der Störung ist enorm und reicht tief in die Strukturen der Banken: Nachdem sich die Unternehmen aus technischen und rechtlichen Gründen jahrelang gegen die Arbeit im Homeoffice entschieden haben, erledigen viele Mitarbeiter ihren Job jetzt von zu Hause aus. Auch wenn team- oder prozessübergreifende Aufgaben aus der Distanz schwieriger zu bearbeiten sind, halten sich die Ausfälle in Grenzen. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass vieles geht, was bisher unmöglich schien.
Finanzinstitute und KVGs sollten inmitten dieser turbulenten Zeit die Unterbrechung vom Alltag nutzen, um aus den jetzt gemachten Erfahrungen zu lernen. Ein Technologie-Stresstest bildet in Kombination mit den neu gewonnenen Erkenntnissen der vergangenen Wochen die perfekte Planungsgrundlage für eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie. Die zentralen Fragen dabei:
Was erwartet der Kunde künftig von seiner Bank? Wie können seine Bedürfnisse schnell und effizient bedient werden?”
Es gilt, neue Prioritäten zu setzen und Ressourcen anders zu nutzen. Denn schließlich wollen Banken und KVGs in der sich verändernden Finanzwelt nach der Krise wettbewerbsfähig bleiben. Dies ist nur möglich über einen breit gestreuten Einsatz digitaler Technologien, um so aktuellen Kundenanforderungen gerecht zu werden.
Auf dem Weg dahin empfehlen sich die folgenden fünf Schritte:
1. Schritt: Status quo der Digitalisierung ermitteln
Im Zuge des Lockdowns hat sich das Kundenverhalten bereits spürbar geändert: An der Supermarktkasse wird vermehrt mit Karte bezahlt, häufig sogar kontaktlos. Außerdem ist das Interesse an online zu verwaltenden Anlageformen gestiegen. Der Andrang auf Depotneueröffnungen ist in den vergangenen Wochen in die Höhe geschnellt.
Nun sollte das Feedback der Alt- und Neukunden aufgenommen und ausgewertet werden, um den Digitalisierungs-Reifegrad des Unternehmens zu bestimmen.
Erste Erkenntnisse liefern Abbruchzahlen und Wartezeiten bei Self Services und Informationsdienstleistungen. Ein wichtiger Indikator ist auch das interne Bearbeitungsaufkommen. Wo gibt es bereits funktionierende digitale Prozesse, in welchen Bereichen verbirgt sich hinter der Online-Eingabemaske noch ein umständlicher, manueller Arbeitsschritt?”
Gerade durch die Notwendigkeit von Remote-Arbeit hat sich bei vielen Instituten gezeigt, an welchen Stellen und in welchen Teams noch Handlungsbedarf besteht.
2. Schritt: Reaktionsgeschwindigkeit steigern
Die schnelle Reaktion auf das gesteigerte Kundenbedürfnis nach kontaktlosen Zahlungsmethoden hat gezeigt: Die Banken haben in den vergangenen Jahren bereits Fortschritte erzielt und können in Teilbereichen schneller agieren. Unterm Strich ist die Branche von der seit langem geforderten Agilität aber noch weit entfernt. Die digitale Neuorientierung der Unternehmen gleicht einem Marathon, keinem Sprint. Und bislang sind nur die ersten fünf Kilometer geschafft.
Joachim Butterweck ist Senior Manager bei der Cofinpro (Website). Er verfügt über jahrzehntelange Projekterfahrung u. a. bei Digitalisierung, Übernahme einer Großbank, Geschäftsmodellentwicklung, Produkt- und Ertrags-Controlling sowie Outsourcing.
Zugegeben, der Restrukturierungsaufwand vieler Banken ist aufgrund der jahrelang durchgepäppelten Legacy-Systeme enorm. Aber irgendwann einmal muss die überalterte IT ersetzt werden. Das Problem verschwindet nicht von selbst und es verstärkt sich mit jeder neuen Krise. Um den gestiegenen Ansprüchen der Kunden in punkto Geschwindigkeit und Flexibilität gerecht zu werden, müssen die Banken auf neue Systeme setzen oder auf die Unterstützung von FinTechs beziehungsweise BigTechs zurückgreifen.
3. Schritt: Optimierung und Ausweitung digitaler Zugänge und Services
Zahlreiche Bankfilialen wurden in den vergangenen Wochen geschlossen oder bieten nur noch eingeschränkte Service-Leistungen an. Natürlich werden die meisten Geschäftsstellen – zumindest vorläufig – ihre Türen wieder öffnen, aber schon jetzt ist klar:
Die Corona-Pandemie beschleunigt das Filialsterben.”
In dieser Situation sollten Finanzdienstleister bereits heute auf einfache und schnelle Online-Zugänge achten. Es sind nicht allein die Digital Natives, die ihre Bankgeschäfte auf dem Smartphone erledigen wollen. Auch die Generation der Silver Surfer muss adressiert und abgeholt werden. Immer noch bilden Medienbrüche bei Konto- oder Depoteröffnung unnötige Hürden.
Gerade wenn der Berater vor Ort nicht mehr präsent ist, muss die Bank eine intelligente Omnikanal-Lösung anbieten, um beispielsweise Chat-Funktionen, Telefonie oder einen online erreichbaren Mitarbeiter medienbruchfrei an die Seite der Kunden zu stellen.”
4. Schritt: Digitale Nähe zu Kunden aufbauen
Eine umfassende Beyond-Banking-Strategie wird künftig immer wichtiger, wenn die Bankfiliale als zentraler Ankerpunkt in der Stadtmitte wegfällt und die Institute für sich eine neue Rolle in der Gesellschaft finden müssen. Die über Jahrzehnte gewachsenen Kundenkontakte und Erfahrungen können Banken nutzen, um auch über digitale Wege oder Plattformen in der Region sichtbar und präsent zu bleiben.
Im Zuge des Filialsterbens darf der direkte Kontakt zum Kunden nicht abbrechen. Social Media gewinnt dabei als ein Zugangsweg an Bedeutung, denkbar sind zudem weiterführende digitale Produkte sowie Plattformen.
In diesen Wochen bestätigt sich der Trend der steigenden Nutzung von Mobilgeräten.”
Um digitale Kundennähe aufzubauen, ist die Bereitstellung von finanznahen Apps eine Möglichkeit, den Kontakt zum Kunden aufzubauen und zu halten. Not macht eben erfinderisch – und das wird in der Krise besonders deutlich.
5. Schritt: Automatisierung der Backoffice-Prozesse
Die harmonische Integration zwischen dem kundenoptimierten Frontend und den internen Bank-Systemen muss noch stärker vorangetrieben werden. Dies gelingt über eine weitere Automatisierung. Vor allem der Einsatz von RPA (Robotic Process Automation) und KI (Künstlicher Intelligenz) birgt enormes Optimierungspotenzial.
Häufig konzentrierten sich die Banken in der Vergangenheit darauf, dem Kunden mit einer modernen und schlanken Eingabemaske auf der Homepage einen digitalen Prozess vorzugaukeln. Allzu oft wird intern aber immer noch an alten, papierbasierten Prozessen festgehalten. Spätestens mit der Verlagerung zur Telearbeit wird die digitale Prozesskette Pflicht.
Fazit
Die durch Covid-19 bereits erzwungenen Veränderungen können für Banken, ihre Mitarbeiter und Kunden langfristig positive Auswirkungen haben. Sicherlich birgt das aktuell schnelle Vorpreschen in unbekanntes Terrain auch Gefahren. Aber die Chancen, die sich aus der Schaffung eines zukunfts- und kundenorientierten digitalen Unternehmens ergeben, sind groß. Damit die Transformation gelingt, müssen die jetzt gemachten Erfahrungen richtig analysiert und darauf aufbauend Investitionen getätigt werden.
Valentino Pola und Joachim Butterweck, CofinproDer Weg in die digitale Zukunft sollte dabei nicht am Geld scheitern. Denn aus dem Lockdown heraus ist gleichzeitig auch Potenzial für eine Kostentransformation aufgezeigt worden. Davon sollten die digitalen Vertriebskanäle langfristig profitieren.”
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