Digitalisierung & War for Talents: 51.000 offene Stellen – speziell Security-, Big Data- und IoT-Experten fehlen
Die Arbeitswelt sucht händeringend nach IT-Spezialisten – das ist per se zwar keine große Neuigkeit, doch gerade im Banken- und Finanzwesen ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften aktuell so akut wie nie. Denn dort ist durch die digitalen Entwicklungen der letzten Jahre die Nachfrage nach IT-Experten rasant gestiegen. Welche Kompetenzen aber sind es, die in Zukunft den Finanzsektor vorantreiben und auf welche neuen Berufsprofile müssen wir uns vorbereiten?
von Oliver Voigt, Team Manger Banking Technology Huxley
Ein bekanntes Problem: Die sinkende Nachfrage nach analogen Finanzdienstleistungen wie der persönlichen Beratung oder dem Service am Bankschalter führt dazu, dass diese Services und die dafür verantwortlichen Berufsgruppen immer weniger gebraucht werden. Die Auswirkungen dessen zeigen sich bereits im sogenannten „Filialsterben“. Allein die Deutsche Bank spricht von knapp 190 Filialschließungen innerhalb von zwei Jahren. Eine Umfrage des Genossenschaftsverbands unter den 281 ihm angeschlossenen Volks- und Raiffeisenbanken zeigt: Mehr als die Hälfte plant die Schließung von einer oder mehrerer Zweigstellen in den nächsten Jahren.Weniger Filialen, weniger Mitarbeiter? Nein, denn gerade aufgrund der steigenden Kundennachfrage nach Produkten aus dem Bereich Finanzierung sind entsprechend spezialisierte Fachkräfte, vor allem aus der IT, die Gewinner des Fachkräftemangels.”
Der Branchenverband Bitkom beziffert die aktuell offenen Vakanzen mit Schwerpunkt IT auf rund 51.000 Stellen. Gerade besonders stark nachgefragte Fähigkeiten – wie aus den Bereichen Security, Big Data oder dem Internet of Things – sind auch für Banken die wesentlichen Hebel, um den Anforderungen der Digitalisierung zu begegnen. Banken oder Versicherungen fehlt es aber oft an gut ausgebildeten Spezialisten und auch die Aus- und Weiterbildung kann aktuell noch nicht mit der Geschwindigkeit des Marktes Schritt halten.
Mehr als Online-Banking: die Bank im Smartphone-Format
Wie bei vielen Menschen ist auch mein Alltag mittlerweile von kleinen und größeren smarten Devices geprägt: Alexa liest morgens im Bad die E-Mails vor, Einkäufe tätigt man über den Amazon Dash Button und unser komplettes Haus – von Strom über Heizung bis zur Musik – steuern wir über die Sprachsteuerung.
Der Grund: Es ist einfacher! Und das erwarten wir auch von unserer Bank, der Versicherung oder der Vermögensberatung. Für diese wiederum eröffnet der Wandel der Kundenbedürfnisse neue Chancen, aber auch Herausforderungen.”
Es geht hierbei um weitaus mehr als Online-Banking: Kunden erwarten ein gewisses Look & Feel, die Möglichkeit zur Sprachsteuerung, intuitive Bedienung und die einfache Bereitstellung von Informationen. Vereinzelt bieten Organisationen dies auch bereits an. So gibt es Banken, bei denen man seine Kontostandabfrage mit Alexa macht oder den Report über den Erfolg von Wertpapieren als Podcast erhält. All diese Funktionalitäten, die für aktuelle, mehr aber noch für kommende Generationen selbstverständlich sein werden, revolutionieren Finanzdienstleistungen und zwingen Banken aber auch weniger traditionelle Finanzdienstleister wie FinTechs dazu, ihren Mitarbeiterstamm um entsprechende Kompetenzen zu erweitern.
Fachkräfte-Recruiting auf neuen Wegen: Quereinsteiger aus allen Branchen
So werden mit der Entwicklung von Banking-Apps beispielsweise nicht mehr nur Experten im Bereich Software Development eingesetzt, sondern verstärkt auch User Experience (UX) Designer.”
So werden mit der Entwicklung von Banking-Apps beispielsweise nicht mehr nur Experten im Bereich Software Development eingesetzt, sondern verstärkt auch User Experience (UX) Designer.”
Ein gutes Praxisbeispiel ist die Nutzung von Erfahrungen aus dem Bereich Automobil. Hier hat sich vermehrt gezeigt, dass Mitarbeiter, die sich zuvor mit der User Experience von Displays in Fahrzeugen beschäftigt haben, dies auf die Gestaltung von Banking-Anwendungen übertragen konnten. Doch in Deutschland herrscht gegenüber dem Thema Quereinstieg meist noch erhöhte Skepsis. Anders in Großbritannien oder den USA: Dort hat man das Potenzial von fachfremden Experten längst erkannt und nutzt es gerade im Finance-Sektor ganz bewusst.
Digital Labs – Forschung an der Zukunft
Und auch in anderen Bereichen steigt der Anteil von Mitarbeitern ohne klassische Finanzausbildung. Mathematiker und Physiker sind mittlerweile unersetzlich im algorithmischen Trading von Banken oder prädiktiven Analysen auf Basis umfangreicher Datensätze von Versicherungen. Denn die Nutzung von Big Data entwickelt sich zu einem großen Trend in der Finanzbranche. Der Data Scientist, abzugrenzen vom klassischen Datenbankentwickler, erhält eine mehrere Terabytes große Menge an Daten, die auf den ersten Blick unzusammenhängend erscheint, und erkennt darin spezifische Muster. Das Besondere: Er arbeitet ohne Vorgaben, Kontext oder einem konkreten Ziel, welche Art von Zusammenhängen er finden soll. Dadurch entstehen völlig neue Betrachtungsweisen und Ideen. Gerade für Versicherungen ist dies ein großer Vorteil: Stützte man sich lange Zeit auf bestehende Denkweisen, wie die Annahme, dass Fahranfänger ein größeres Risiko für Autoversicherungen darstellen, zeigen sich durch die Analysen von darauf spezialisierten Mathematikern und Physikern neue Verknüpfungen und Risikogruppen.
Durch beispielsweise die Kombination von Einkommensstrukturen, Lebensräumen, Online-Verhalten und Familienverhältnissen – Daten, auf die Banken und Versicherungen Zugriff haben – können anonym Menschen mit ähnlichen Merkmalen verglichen und daraus Rückschlüsse gezogen werden. Auch soziale Netzwerke liefern zahlreiche Daten zur rückwirkenden und prognostizierenden Analyse, aber auch zur Echtzeit-Telematik. Zeigt sich zum Beispiel, dass ein gewisser Streckenabschnitt für LKWs innerhalb kurzer Zeit vermehrt zu Unfällen führt, können Versicherungen Anreize geben, um diese Straßen zu meiden. Die Möglichkeiten durch die Arbeit von Data Scientists sind beinahe unbegrenzt und viele Unternehmen, wie die Deutsche Bank oder die Allianz, haben eigens digitale Labs eingerichtet, um an diesen Technologien zu forschen.
So rüstet sich die Finanzbranche für den Fachkräftemangel
Doch nicht nur das Bewusstsein für die Notwendigkeit neuer Fachbereiche ist wichtig, auch das entsprechende Verhalten der Branche als Arbeitgeber. Einige Tipps helfen, um für hochqualifizierte Spezialisten attraktiv zu werden:
1. Bewerbungsprozesse vereinfachen
Gut ausgebildete Kandidaten können auf dem heutigen Arbeitsmarkt meist zwischen mehreren attraktiven Stellen wählen. Und was für die Kunden(-bedürfnisse) gilt, gilt auch für Bewerber: Gefragt sind vor allem mobile Anwendungen, die sowohl Stellenanzeigen abbilden als auch eine Bewerbung mit nur wenigen Klicks direkt vom Smartphone oder Tablet zulassen.
Die spezialisierten Berater kennen die Herausforderungen der jeweiligen Märkte und profitieren von ihrem lokalen wie internationalen Kunden- und Kandidatennetzwerk. Mit den Geschäftszweigen Computer Futures, Progressive Recruitment, Huxley und Real Staffing deckt SThree im deutschsprachigen Raum die Bereiche IT, Ingenieurswesen und Global Energy, Bank- und Finanzwesen sowie Life Sciences ab. Die Berater des Geschäftszweigs sind auf einzelne Fachgebiete im Bank-, Finanz- und Rechnungswesen sowie in Bankentechnologie und IT spezialisiert.
2. Stärken als Arbeitgeber zeigen
Die Perspektiven haben sich gewandelt: Heute liegt es an den Unternehmen, sich im Wettbewerb um Kandidaten zu beweisen. Speziell im Finanzsektor kam zudem mit FinTech-Unternehmen auch ein großer Wettbewerber um innovative Köpfe hinzu. Neben Klassikern wie Vergütung und Aufstiegsmöglichkeiten sind auch Flexibilität, Unternehmenskultur und natürlich die digitale Infrastruktur wichtige Kriterien.
3. Kandidatenpool erweitern
Wie bereits erwähnt, denken gerade deutsche Unternehmen noch zu konservativ. Nicht nur Quereinsteigern gegenüber ist man skeptisch, sondern auch unkonventionellen Lebensläufen oder fehlenden Deutschkenntnissen. In einer internationalisierten Branche ein Hindernis, das eigentlich keines ist. Denn es gilt: Offenheit für fachfremde Experten mit hoher Motivation.
4. Wettbewerbsvorteil durch Ausbildung
In einem hart umkämpften Markt wie dem Bankensektor funktioniert Differenzierung am besten über die Mitarbeiter. Die Ausbildung an Universitäten und Hochschulen ähnelt sich stark und kann durch interne Spezialisierungen zum Wettbewerbsvorteil und Anreiz für Bewerber werden – und zur vermutlich einzigen Möglichkeit, um mit dem Veränderungstempo von Markt und Kunden mitzuhalten.
Fazit: Erwartungen steigen – auch an die Banken
Die Herausforderungen im Bankensektor sind in den letzten Jahren also erheblich gestiegen. Nicht nur durch die fortschreitende Digitalisierung und eine veränderte Erwartungshaltung von Kunden, Bewerbern und Mitarbeitern geraten Banken unter Druck, sondern auch durch neue Kompetenzen und Skills, die es abzudecken gilt und die die Konkurrenz zu neuen auch branchenfremden Wettbewerbern wie FinTechs noch verstärkt. Für Banken sind diese Entwicklungen Chancen und Risiken zugleich – je nachdem, ob sie bereit sind, neue Wege zu gehen oder nicht.aj
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