STRATEGIE19. Juli 2023

HSBC geht bei quantensicherer Vernetzung voran

British Telecom (BT) und Toshiba betreiben seit gut einem Jahr ein besonderes Metro-Network im Großraum London: es soll sicher sein gegenüber Quantencomputing-Angriffen. HSBC ist die erste Bank, die sich der Initiative anschließt. Das Finanzhaus sieht Quanten-Computing als strategisches Thema – und hat in ein eigenes Expertenteam sowie verschiedene Kooperationen investiert.

Das globale Bankhaus erforscht Quantencomputing in unterschiedlichen Bereichen. <Q>HSBC
Das globale Bankhaus erforscht Quantencomputing in unterschiedlichen Bereichen. HSBC

 

Qantencomputing ist für die Finanzbranche sowohl Fluch als auch Segen. Die Technik bietet auf der einen Seite das Potenzial, riesige Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren, so dass Trends schneller erkannt, bessere Prognosen erstellt oder betrügerische Aktivitäten zuverlässiger aufgedeckt werden können. Auf der anderen Seite könnte Quantencomputing die Verschlüsselungstechnologien, mit der sämtliche digitale Finanztransaktionen abgesichert werden, schlicht pulverisieren. Denn deren Sicherheit basiert in aller Regel auf dem Missverhältnis von Rechenpower und Zeit. Sprich: es dauert einfach viel zu lange, um aus einer verschlüsselten Datenübertragung die unverschlüsselte Information „zurückzurechnen“. Bis herkömmliche Computer es schaffen, die Aufgabe zu lösen, ist die Information bereits wertlos geworden.

Doch dieser Art der Absicherung droht Gefahr durch Quantencomputing. Quantenrechner können spezifische Aufgaben – wie die Ermittlung von großen Primzahlen, die bei vielen Verfahren eingesetzt werden – um mehrere Größenordnungen schneller ermitteln als herkömmliche Computer. So fürchtet die Branche den sogenannten „Q-Day“: den Tag, ab dem die derzeit verwendeten Verschlüsselungsverfahren durch die massive Rechenpower der Quantencomputer per Brute-Force-Attacke ausgehebelt werden können. So mahnt beispielsweise der Bundesverband deutscher Banken (BdB) schon seit Jahren, dass Finanzinstitute rechtzeitig an „quantensicheren“ Verfahren arbeiten sollten (IT-Finanzmagazin berichtete).

Die Finanzbranche ist nach Erkenntnissen von McKinsey mit Abstand der führende Treiber von Quantencomputing <Q>McKinsey & Company
Die Finanzbranche ist nach Erkenntnissen von McKinsey mit Abstand der führende Treiber von Quantencomputing McKinsey & Company

Die Unternehmensberatung McKinsey & Company erwartet in ihrem aktuellen „Quantum Technology Monitor“ (Download), dass der Markt für Quantencomputing bis zum Jahr 2035 auf einen Wert von bis zu 1,3 Billionen US-Dollar anwachsen könnte. Eine besondere Rolle werde dabei die Finanzindustrie spielen: zwei Drittel dieser Umsätze werden auf diese Branche entfallen, so die Prognose der Marktexperten.

HSBC investiert in Quantenzukunft

Kunden und Mitarbeiter erwarteten einen sicheren Betrieb und eine widerstandsfähige Cybersicherheit, so der HSBC-Chef Colin Bell. Also müsse die Bank immer einen Schritt voraus sein, begründete er das Engagement des globalen Bankhauses in Quantencomputing und eine damit verbundene „Quantenzukunft“. Das Unternehmen sei führend bei branchenbezogenen Studien, rekrutiere hochqualifizierte Experten und investiere in starke, strategische Partnerschaften. 

Die Quantenstrategie von HSBC umfasst Versuche mit Quantenschlüsselverteilung (QKD) und Post-Quanten-Kryptographie (PQC). HSBC erforscht auch Anwendungen im Quantencomputing in den Bereichen Optimierung, Simulation und maschinelles Lernen. Die Quantencomputing-Website des Unternehmens nennt insgesamt fünf konkrete Anwendungsfälle für die neue Technologie, an denen die Quantencomputing-Experten arbeiten:

  • Die Entwicklung eines Proof-of-Concept, der flexible Preisoptionen in Echtzeit bietet;
  • Desweiteren eines hybriden quantenklassischen Proof-of-Concept, um die Allokation von Sicherheiten auf die kostengünstigste Weise zu optimieren;
  • Das Generieren von Quanten-Zufallszahlen (QRNG), um Monte-Carlo-Simulationen in der stochastischen Modellierung zu verbessern;
  • Machine Leaarning auf Quantenbasis, um die Betrugserkennung zu verbessern;
  • Eine Methode des Schlüsselaustauschs, die gegen Quantenangriffe sicher ist.

Kooperation mit BT, Toshiba und AWS

Ein kritischer Moment für den Aufbau einer sicheren Verbindung ist regelmäßig der initiale Austausch von Schlüsseln. HSBC hat nun angekündigt, das quantensichere Metro-Netzwerk von BT und die von Toshiba entwickelte QKD-Technologie zur sicheren Vernetzung zweier Standorte nutzen, um sich auf künftige Cyberbedrohungen vorzubereiten. Das Institut wird seinen globalen Hauptsitz im Londoner Finanzdistrikt Canary Wharf und ein Rechenzentrum in der westlich von London gelegenen Grafschaft Berkshire mittels Quantum Key Distribution (QKD) verbinden.

Das Verfahren verwendet nach Angaben von HSBC Lichtpartikel und grundlegenden Eigenschaften der Quantenphysik, um geheime Schlüssel zwischen Parteien auszutauschen, ohne dass dieser Vorgang mittels Quantencomputern abgehört oder angegriffen werden könnte. Nach Angaben Bells werde QKD in Zukunft eine Schlüsselrolle beim Schutz von Finanztransaktionen, Kundendaten und proprietären Informationen im gesamten Finanzsektor spielen. Allein HSBC verarbeitete im vergangenen Jahr 4,5 Milliarden Zahlungen für seine Kunden im Wert von schätzungsweise 3,5 Billionen Pfund, die es zu schützen gelte.

Die Versuche zwischen den 62 km voneinander entfernten Standorten umfassen Finanztransaktionen, sichere Videokommunikation und One-Time-Pad-Verschlüsselungsszenarien für die sichere Übertragung von Testdaten über Glasfaserkabel. Ein weiterer wichtiger Teil des Testszenarios umfasst Edge-Computing-Funktionen von Amazon Web Services (AWS) mit einem AWS-Snowball-Edge-Device.

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HSBC

Die Erkenntnisse, die durch die Erforschung der quantensicheren Kommunikation durch HSBC generiert wurden, könnten weitreichende Auswirkungen auf die Bank haben – sie liefern entscheidende Beweise für die Vorteile der Quantentechnologie und treiben die Entwicklung von Anwendungen in der Finanzsicherheit voran.“

Colin Bell, CEO von HSBC Bank Plc und HSBC Europe

Weitere Quantencomputing-Initiativen

Schon zuvor war HSBC in mehreren Quantencomputing-Projekten aktiv. So startete HSBC im März 2022 eine Kooperation mit IBM, um Quantencomputing-Anwendungen im Bereich der Finanzdienstleistungen zu erforschen. Durch diese Allianz wurde HSBC Mitglied des Quantum-Accelerator-Programms von IBM und erhält Zugang zu IBMs Know-how und Quantencomputing-Systemen wie dem 127-Qubit-Prozessor „Eagle“. HSBC kündigte im Gegenzug an, Mitarbeiter in der Quantentechnologie auszubilden und Wissenschaftler aus dem Bereich der Quantencomputing-Forschung zu schulen, um ein engagiertes Team aufzubauen.

Darüber hinaus gehört das Finanzinstitut zu den Trägern des von der EU initiierten NEASQC-Projektes (NExt ApplicationS of Quantum Computing, Website). In dem 12 Mitglieder umfassenden Konsortium, das neun verschiedene Use Cases für die Industrie sowie die Finanzbranche entwickeln soll, ist HSBC der einzige Finanzdienstleister.

Einen weiteren Schritt Richtung „Quantenzukunft“ machte das Bankhaus erst vor wenigen Wochen. HSBC kündigte eine Kooperation mit Quantinuum (Website) an, nach eigenen Angaben eines der weltweit größten Quantencomputing-Unternehmen. Gemeinsam werde man eine Reihe von Sondierungsprojekten durchführen, die die potenziellen kurz- und langfristigen Vorteile des Quantencomputings für das Bankwesen nutzen. Schwerpunktmäßig sollen die Bereiche Cybersicherheit, Betrugserkennung und Verarbeitung natürlicher Sprache abgedeckt werden. hj

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