Kontrovers: Hat Bitcoin überhaupt eine Chance?
Wir haben die bekannten Blogger Maik Klotz und Rudolf Linsenbarth zum Meinungsduell eingeladen. Ein spannender Schlagabtausch.
Rudolf: Wer glaubt, dass Bitcoin für krumme Geschäfte geeignet ist, der versteht das System nicht. Alle Transaktionen sind in einer öffentlichen für jeden einsehbaren Datenbank verzeichnet und nachvollziehbar. Für ein Verbot von Bitcoin gibt es keinen Grund und nur autoritäre Regierungen liegen noch auf dieser Schiene. Als Weltwährung ist der Bitcoin selbstverständlich nicht geeignet. Das liegt schon in seiner Volatilität begründet. Außerdem fehlt auch noch der technische Beweis der Vollastfähigkeit. Am bisher stärksten Handelstag verzeichnete das Netzwerk gerade einmal 100 000 Transaktionen.
Was aber die Usability betrifft da bin ich sehr zuversichtlich. Wir sehen eine kontinuierliche Verbesserung Clientsoftware. Auf dem Smartphone ist Bitcoin so einfach zu handhaben, wie jede andere App auch. Bitcoin wird im Zahlungsmix einen Platz belegen, der sicher nicht nur im Promille Bereich liegt.
Rudolf: Laut Deiner Argumentation müsste man auch verstehen wie ein Mobilfunknetz funktioniert damit man ein Smartphone verwenden kann. Um mal bei Joe Sixpack zu bleiben. Den interessiert nicht was passiert, wenn er sein “EC Karte” in ein Terminal steckt. Dabei ist das für ihn schon ein Unterschied ob eine Girocard Transaktion oder eine Lastschrift erfolgt. Genauso wird er das mit den Bitcoins sehen. Es muss nur funktionieren und das tut es auch, wenn er sich eine Bitcoin App auf sein Smartphone lädt. Installieren und glücklich sein. Selbst eine Registrierung, der Pain jeder sonstigen App entfällt. Damit beantwortet sich auch Deine Eingangsfrage welches Problem hier gelöst wird. Der Nutzer enthält das einfachste Echtzeit P2P System das es am Markt gibt.
Wenn also Kryptowährungen so einfach und so nützlich sind, warum interessiert es dort draußen außer Nerds niemanden? Weil es kein Problem löst. Eine Analogie: Seit dem wir im Netz unterwegs sind, gilt die Empfehlung den E-Mail Verkehr zu verschlüsseln und das nicht nur im Business-Umfeld. Niemand nutzt aber E-Mailverschlüsselung, obwohl es sinnvoll ist. Selbst die NSA Affäre hat daran nichts geändert. Der Wunsch nach Sicherheit ist vorhanden, die Bequemlichkeit aber siegt. Deshalb hat Apple auch TouchID gebracht, weil nicht alle Konsumenten Lust hatten sich ein vierstelliges Passwort zu merken. Nun ist jedes iPhone (aber auch viele Android-Geräte) automatisch mit dem Fingerabdruck verschlüsselt. Der Kundennutzen ist klar: Sicherheit ohne auf Bequemlichkeit zu verzichten. Bei Kryptowährungen kommen noch viele andere Faktoren dazu: Kaum Akzeptanzstellen, fehlende Nutzerbasis, etc. Erkläre mal meinem Vater, Anfang 60, in drei Sätzen warum er Kryptowährungen nutzen sollte.
Rudolf: Den Test können wir sofort machen: Du öffnest Deine App und gehst in den Bereich Geld Empfangen. Dort klickst Du auf deine Bitcoin Adresse, ein Options-Feld poppt auf und Du wählst senden an… Wenn ich die Nummer habe paste ich diese in meine App und gebe den Beitrag ein, den ich Dir schicken will. Der Versand der Bitcoins braucht dann auch nicht länger als die Mail zuvor.
Ob wir in unserer Elterngeneration die Zielgruppe finden, die das Durchbruchsmoment für eine neue Technologie mitbringt? Ein Beispiel: 2005 gab es in meinem Bekanntenkreis niemanden außer mir, der Mails auf dem Handy gelesen und geschrieben hat. Mir wäre es nie in den Sinn gekommen meine Eltern von den Vorzügen dieser Technik überzeugen zu wollen. Etwa 5 Jahre später waren Mobile Mails bei meiner Generation im Alltag angekommen. Letzte Woche hat mein Vater (80 Jahre), ohne dass ich Ihn dazu gedrängt habe sich ein Android Handy gekauft. Er will unbedingt seine Mails, Kontaktdaten und Termine auch unterwegs im Zugriff haben.
Genauso wird es auch für die Bitcoins kommen. Nerds begeistern Smart Follower und reichen das an andere weiter. Dazu würde ich den Fun Faktor von Bitcoins nicht unterschätzen. Der Spieltrieb ist hier eine Triebfeder. Dazu kommt ja auch noch der spekulative Anreiz hinzu. Tausche ich meine Bitcoins sofort zurück in Giralgeld oder setze ich auf einen Kursanstieg.
Rudolf: In der Tat. Wenn Du Echtzeit P2P nicht als Use Case siehst oder meinst die können mit Bitcoins nicht durchgeführt werden, kommen wir nicht zusammen. Die Finanzindustrie versucht gerade ein Echtzeit Clearing aufzubauen und wird bis zu deren Umsetzung noch drei bis fünf Jahre brauchen. Bitcoins können all das schon heute. Der große Pain Point von Bitcoins, Erwerb und Verkauf am Markt, wird verschwinden. Wir sind hier Deutschland mal wieder hinten dran. Gebremst wird der Bitcoin in erster Linie nicht durch die Banken, sondern durch die Politik. Kein Anbieter mit einer deutschen Banklizenz kann derzeit Bitcoins an Endkunden verkaufen, weil er sonst auf den Gesamtbetrag Mehrwertsteuer erheben müsste. Mehrwertsteuer auf Bitcoins, nicht aber auf Gold und Goldmünzen die in ihren Ländern Zahlungsmittel sind, ist ein weiteres Kapitel in der deutschen Posse der Mehrwertsteuersystematik. Zum Glück ist das Thema gerade am EUGH und die Generalanwältin Juliane Kokott hat schon für die Abschaffung votiert. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir innerhalb eines Jahres auch Angebote sehen werden, die nicht nur von einer FinTech getriebenen Bank wie Fidor kommen.
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/17698
Schreiben Sie einen Kommentar