Lidl Pay angetestet – über den Sinn eines weiteren Mobil‑Payment‑Verfahrens?
Am Freitag den 23.04. hat der Discounter Lidl den deutschlandweiten Start seiner eigenen Payment-Methode Lidl Pay bekanntgegeben. Es handelt sich dabei um eine Erweiterung der bereits einige Monate zuvor veröffentlichten Kundenbindungs-App Lidl Plus. Damit dies auch plattformübergreifend auf beiden großen Smartphone-Ökosystemen Android und iOS funktioniert, ist es als QR-Code-Verfahren aufgesetzt. Lidl Pay angetestet
von Rudolf Linsenbarth
Innerhalb der Lidl-Plus-App müssen die Kunden per Fingerabdruck, Iris-Scan oder PIN eine Authentifizierung vornehmen und der Payload des QR-Codes mutiert von einer statischen Kundennummer zu einem Einmaltoken, der gleichzeitig zum Bezahlen auch noch die aktivierten Coupons einlöst. Die Zahlung selber erfolgt per Lastschrift über das Girokonto.Das Onboarding
Das Onboarding ist sehr einfach gestaltet. In der App muss man nur seine Bankverbindung und Adresse eingeben. Es erfolgt eine Verifikation von Mail-Adresse und Mobilfunknummer, zum Abschluss wird noch eine PIN als Fallback für die biometrische Authentifizierung festgelegt. Das war es dann auch schon. Bis auf kleine Ausnahmen, wie bei der Adresseingabe mit der PLZ zu beginnen und von da aus für Wohnort und Straßennamen Autofill Angebote zu unterbreiten, ist hier nicht mehr viel Verbesserungspotenzial.
Der Praxistest
Jeder Kunde erhält zu Beginn anscheinend ein „Limit“ von 450,00 €. Ich hatte auch einen Coupon aktiviert, um das gleich mit zu testen. An der Kasse wusste ich erst nicht, wo das mit dem Scannen abläuft. Der Lidl bei mir direkt am Wohnort ist vor einigen Jahren in einen anderen Stadtteil umgezogen und seitdem bin ich eher seltener bei Deutschlands zweitgrößtem Discounter. Die bereits vor einigen Jahren installierten Schwanenhalsscanner, dieselben wie bei Penny, sind mir auf Grund der Corona-Schutzvorhänge nicht sofort aufgefallen.
Vor dem Lidl-Pay-Zahlvorgang wurde ich gefragt, ob ich denn die Lidl Plus App hätte. Nachdem ich den QR-Code vorgezeigt hatte, kam noch die Frage- ob ich denn auch damit bezahlen möchte. Auf mein Bejahen musste die freundliche Dame an der Kasse noch einen Button drücken und der Vorgang war erledigt. Ich war natürlich wieder mal der Erste mit dem Zahlverfahren in diesem Markt. Der reibungslose Ablauf spricht aber für ein gutes Briefing des Personals und effektive Umsetzung der Kassenprozesse. Schade nur, dass die Lidl Plus App zwar einen digitalen Kassenbon beinhaltet, aber der Ausdruck des Papierbelegs nicht abstellbar ist (links).
Lohnt sich jetzt die Einführung eines weiteren Payment-Verfahrens für Lidl und was hat der Kunde davon?
Beginnen wir mal mit dem Kunden. Da ist die Lidl App eine unter vielen, alles was nicht mindestens einmal die Woche genutzt wird, verschwindet schnell vom Radar und wandert vom Home Screen auf einen der hinteren App-Friedhöfe. Da hilft es auch nicht, wenn Lidl Pay über ein sehr einfaches Onboarding verfügt. Einschließlich App-Installation ist alles in unter 5 Minuten fertig eingerichtet.
Bei Lidl bin ich auf Grund der Entfernung des Marktes nur Gelegenheitskunde. Wahrscheinlich hat mein Smartphone bis zur nächsten Nutzung auch ein OS Update hinter sich und beim Start der App habe ich mein Wegwerfpasswort schon wieder vergessen. Hier rächt es sich, dass Lidl für die Anmeldung nicht auf FIDO setzt.
Wenn man mit einer Payment App so spät dran ist, könnte man ja wenigstens Authentifizierungsmethoden der allerneusten Generation einbauen.”
Wir haben hier also ein Produkt für Stammkunden, die sowieso die Lidl Plus App nutzen wollen, um die Kundenbindungsvorteile in Form von Rabatten mitzunehmen. Einige sind möglicherweise auch nur am digitalen Kassenbon interessiert. Für diesen Anwendungsfall ist es kein Aufwand, wenn man vorher noch einmal mit einem Fingerabdruck die Zahlungsfunktion freigibt. Das funktioniert aber auch nur, wenn man dabei eine Datenverbindung besteht.
Eine mutige Entscheidung von Lidl, hier auf vorgespeicherte Token (Bluecode) oder eine entsprechende offline-fähige Kryptografie (Payback Pay) zu verzichten. Allerdings hat man dann doch vorgebaut und seit Juni 2020 ein flächendeckendes Kunden-WLAN eingeführt. Macht ja auch Sinn, viele Kunden werden wahrscheinlich erst im Laden die App öffnen und die entsprechenden Coupons aktivieren.
Betrachten wir Lidl Pay jetzt mal aus Sicht des Anbieters. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob Lidl für die Abwicklung komplett auf einen Dienstleister verzichtet.
In der sogenannten Pre-Notifikation, die dem Lastschrift-Einzug vorausgeht, heißt es: „Der Einzug erfolgt durch die Lidl Digital Trading GmbH & Co. KG unter der Gläubiger-Identifikations-Nr.DE60ZZZ00000411721.“
Da spart Lidl ja eine Menge Geld, könnte man meinen. Ob das wirklich so ist, zeigt das folgende stark vereinfachte Rechenbeispiel:
Laut Statista hat Lidl in Deutschland im Jahr 2019 einen Umsatz von 25,9 Mrd. € gemacht. Nehmen wir einmal an, 1% dieses Umsatzes, was übrigens schon recht beachtlich wäre, wird mit Lidl Pay bezahlt. Je nachdem wie gut Lidl verhandelt hat, dürfte bei dem Discounter ein Disagio zwischen 0,2% und 0,4% gemittelt über alle Zahlverfahren, einschließlich Transaktionsgebühren für den Netzbetrieb, anfallen. Von den so eingesparten 500.000 bis 1 Mio. € müssen aber noch die Kosten für Entwicklung und Betrieb der App sowie das Processing der Transaktionen und auch die „Betreuung“ der säumigen Zahler abgezogen werden.
Der Business Case wird natürlich besser, sollten sich die Nutzerzahlen in Richtung 10 % bewegen. Ein Wert, den nach meinem Wissen kein Zahlverfahren eines stationären Händlers übersteigt. Man darf also gespannt sein, ob Lidl hier nach einer Anlaufphase die Konditionierungsanreize deutlich nach oben zieht.
Aber es gibt auch noch einen anderen Blickwinkel. Aus diesem sieht man Lidl Pay als Kundenbindungsinstrument und wertvollen Daten-Lieferanten. Die prozentualen Kosten einer solchen Quelle erreichen hier auch schon mal den Faktor 5 bis 10 gegenüber den zuvor genannten Payment-Kosten. In einem Multipartner-Programm oder auch mit einem GAFA-Anbieter müssten die wertvollen Daten dazu noch geteilt werden. Da ist eine eigene Lösung eine naheliegende Idee. Lidl erfüllt dafür alle Bedingungen, zur zwingend notwendigen Frequenz kommt die Größe und die Präsenz in mehreren Ländern. Das ermöglicht Skaleneffekte, die auch schon genutzt werden.
Ein Kenner der Szene erklärte mir, ALDI könnte gar kein Loyalty-Programm aufsetzen, weil man dann das Versprechen, den besten Preis für alle Kunden zu haben, automatisch brechen würde. Denn mit Kundenkarte kann es nicht günstiger sein, wenn man sowieso schon den besten Preis bietet. Auch eine interessante Sichtweise. Nur glaube ich, dieses Paradigma hat heutzutage genauso wenig Bestand wie der Harddiscount im LEH.
Es bleibt jedenfalls spannend im Payment-Markt. Ich muss jetzt erst noch mal zu Lidl, denn ich habe noch einen 5 € Coupon, der nur noch 8 Tage gültig ist. ;-)Rudolf Linsenbarth
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