MiFID II: Einige Banken werden mit Umsetzung nicht rechtzeitig fertig
Jede sechste Bank schafft es vermutlich nicht mehr rechtzeitig, die MiFID II-Vorgaben pünktlich zum 3. Januar 2018 vollumfänglich umzusetzen. Zum Erhebungszeitpunkt knapp drei Monate vor Ablauf der Frist lag der von PPI ermittelte Readiness-Index, der den Umsetzungsstatus misst, lediglich bei 75 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt wäre allerdings ein Sollwert von 94 Prozent erforderlich gewesen, um eine branchenumfassende, fristgerechte Einführung sicherzustellen.
Man kennt das: Projekte in Unternehmen dauern meistens länger als gedacht. Bei der vorherigen Befragungswelle im Januar 2017 waren noch alle Institute davon ausgegangen, die Frist einhalten zu können. Die sechste Auflage der Bankenstudie „MiFID II-Readiness – Banken bei der Umstellung auf der Zielgeraden?“ der Unternehmensberatung PPI AG dokumentiert dagegen, dass eben nicht alle Banken rechtzeitig mit der Umsetzung fertig werden. Und sie zeigt die Ursachen, die Kostentreiber, aber auch Chancen der neuen Regulierung aus Sicht der befragten Vertreter aus Kreditinstituten auf.Für die Studie wurden im Oktober 2017 MiFID-II-Verantwortliche aus 50 Kreditinstituten befragt. Die vorherigen Befragungen fanden zwischen September 2014 und Januar 2017 statt. Auf Basis der Angaben zur bisherigen Laufzeit und zur geplanten Fertigstellung wird der „MiFID II-Readiness-Index“ ermittelt, der den aktuellen Stand der Umsetzung widerspiegelt.
MiFID II: Viele Banken haben zusätzlichen Aufschub nicht sinnvoll genutzt
Bereits 2014 haben EU-Kommission und Parlament die Finanzmarkt-Richtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive) beschlossen. Ursprünglich sollte sie zum 1. Juli 2016 in Kraft treten. Doch Umsetzungsschwierigkeiten im Finanzsektor führten schon frühzeitig zu einer Fristverlängerung um anderthalb Jahre. Dennoch werden 16 Prozent der befragten Banken auch das neu gesetzte Ziel nicht einhalten können. Ein wesentlicher Grund: 88 Prozent der Kreditinstitute haben die Umsetzungsprojekte nach dem Verlängerungsbeschluss zeitweise auf Eis gelegt oder verzögert. Die zusätzliche Zeit wurde somit nicht genutzt, um sich intensiver mit der zum Teil sehr komplexen Umsetzung auseinanderzusetzen.
Nur 54 Prozent hatten bereits in Q4 2016 mit ihren Einführungsprojekten begonnen „Die Sünden der Vergangenheit holen die Banken jetzt ein“, sagt Christian Appel, Partner bei PPI.
Im Grunde hätte aus den Erfahrungen mit MiFID I noch bekannt sein müssen, wie komplex regulatorische Einführungsprojekte sein können. Nicht zuletzt aufgrund stetiger Konkretisierungen und sukzessiver Finalisierung der regulatorischen Vorgaben müssen die Anforderungen an IT-Systeme und Prozesse immer wieder angepasst werden. “
Christian Appel, Partner bei PPI
Dennoch zeigten die Ergebnisse, dass viele Institute die Beschäftigung mit MiFID II auf die lange Bank geschoben haben. Die Anforderungen wurden und werden jetzt in Hektik noch umgesetzt, teils ohne die zeitliche Möglichkeit weitergehender Analysen, welche Potenziale die neue Richtlinie auch für die eigene Geschäftsstrategie eröffnen kann.
Tatsächlich überprüfen zwar nach den Erkenntnissen der PPI-Studie sämtliche Kreditinstitute im Rahmen der MiFID-II-Einführung, wie sich die Regularien auf ihre Prozesse und IT auswirken und fast alle (96 Prozent) durchleuchten dabei auch ihre Kundeninformationen und Verträge auf Kompatibilität. Allerdings spielen gerade zentrale strategische Überlegungen – wie die Frage nach neuen strategischen Chancen – nur für vier von fünf Banken eine Rolle. Dies ist nach den Worten der PPI trotz aller Änderungen, die das Regelwerk gerade für das Wertpapiergeschäft mit Privatanlegern erfordert, zu wenig.
Kritisiert wird außerdem, dass die MiFID-II-Richtlinie zu negativ beurteilt werde: Insgesamt überwiegen aus Sicht der befragten Institute nämlich die negativen Konsequenzen von MiFID II. Nur 16 Prozent der Befragten erkennen neue Geschäftsfelder oder Wettbewerbsvorteile, während 44 Prozent den Wegfall von Einnahmequellen oder eine Einschränkung des Geschäftsmodells beklagen. In allererster Linie steht MiFID II jedoch einfach im Ruf, das Geschäft zu verteuern, sowohl durch einmalige Kosten im Rahmen der Einführungsprojekte (98 Prozent) als auch durch aufwändige Prozesse im laufenden Betrieb (96 Prozent).
Kritik an teuren Dokumentationspflichten
Kopfzerbrechen aufgrund der Kosten bereiten den Unternehmen insbesondere die neuen Bestimmungen zur Aufzeichnung von Beratungs- und Telefonprotokollen. Mittlerweile gehen 78 Prozent der Befragten von einem hohem finanziellen Aufwand dafür aus. Dies sind noch einmal zwölf Prozentpunkte mehr als bei der vorherigen Befragung im Januar 2017. Auf dem zweiten Platz folgen die strengeren Auflagen, die bei der Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen auf die Unternehmen zukommen. Dies gilt bei 46 Prozent der Banken als teuer. In dieser Hinsicht sind die Befürchtungen im Vergleich zum Januar (52 Prozent) wieder etwas abgeflaut.
Die Einführung der durch MiFID II geforderten neuen Verfahren gestaltet sich für viele Banken aufwändiger als angenommen. 62 Prozent der Institute geben an, dass sie mehr Personal als ursprünglich geplant einsetzen mussten. 94 Prozent der Befragten sagen, dass die Umstellung von Systemen und Prozessen, die zur Einhaltung der Transparenzvorschriften erforderlich sind, kostenintensiv werden – noch einmal ein Zuwachs gegenüber den 84 Prozent, die diese Ansicht bei der Befragung vor acht Monaten vertreten haben.
Erst auf der Zielgeraden wird manchem klar, dass der Aufwand im eigenen Haus unterschätzt wurde. In aller Schnelle eine gesetzeskonforme Lösung herstellen zu müssen, treibt natürlich die Kosten in die Höhe.”
Christian Appel, Partner bei PPI
MiFID II bietet Chance zur Gestaltung alternativer Vertriebskanäle
Spannend sind auch einige weitere Erkenntnisse im Detail: Fast jeder zweite Befragte rechnet mit einem spürbaren Einfluss der neuen Prozesse bei alternativen Vertriebswegen wie Online-, Video- oder Telefonbanking (Januar 2017: 38 Prozent). Zudem geht jede dritte befragte Bank davon aus, dass sich das Angebot bei Produkten mit Festpreis verändern wird. Dass diese Maßnahmen helfen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, gilt jedoch nicht als wahrscheinlich. Nach wie vor rechnen insgesamt 60 Prozent der befragten Institute nicht damit, dass der zu erzielende verbesserte Anlegerschutz auch gleichzeitig zu einem Imagegewinn beiträgt.
Die Studie steht auf der Website des Beratungsunternehmens PPI zum Download bereit. tw
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