Smart Contracts: Programmierte Verträge – eine neue Herausforderung für das Recht?
Bei Smart Contracts handelt es sich um Software, die rechtlich relevante Handlungen (insbesondere einen tatsächlichen Leistungsaustausch) in Abhängigkeit von digital prüfbaren Ereignissen steuert, kontrolliert oder dokumentiert, mit deren Hilfe aber auch Verträge geschlossen werden können. Auch wenn die aus dem Einsatz von Smart Contracts folgenden Chancen und Risiken – wie bei jeder neuen Technologie – in ihrer Gesamtheit noch nicht abschätzbar sind, stellt sich bereits jetzt eine Vielzahl von rechtlichen Fragen, wie derlei programmierte Verträge zu bewerten sind.
von Dr. Jörn Heckmann & Dr. Markus Kaulartz, Rechtsanwälte bei CMS
Nach dem Siegeszug der auf einer sogenannten Blockchain basierenden Kryptowährung Bitcoin ermöglicht eine technische Weiterentwicklung die Schaffung sogenannter „selbstausführender Verträge“.Smart Contracts – sind selbstausführende bzw. programmierte Verträge
Dies gelingt dadurch, dass Transaktionen (z. B. die Überweisung eines Betrags in einer Kryptowährung) vom Eintritt zuvor programmierter Bedingungen abhängig gemacht werden – die Rede ist von Smart Contracts. Die Ausführung dieser Smart Contracts erfolgt dabei auf den an einem P2P-Netzwerk beteiligten Rechner, ohne dass es zentraler, kontrollierender Intermediäre bedürfte (Treuhänder, Banken etc.). Dies macht die Blockchain und mit ihr Smart Contracts überall dort attraktiv, wo Vertrauen erforderlich ist. Die Vorteile solcher „smarten“ Verträge bestehen darin, dass Gegenleistungsrisiken und Transaktionskosten gesenkt werden. Grund ist, dass die Gegenleistung beim Erbringen der Leistung bereits feststeht und damit garantiert ist.
Die Vorteile solcher „smarten“ Verträge bestehen darin, dass Gegenleistungsrisiken und Transaktionskosten gesenkt werden. Grund ist, dass die Gegenleistung beim Erbringen der Leistung bereits feststeht und damit garantiert ist.”
Durch eine angestrebte höhere Standardisierung sollen überdies durch Inkompatibilitäten hervorgerufene Kosten verringert werden. All dies soll Geschäftsfelder etwa im Mikrotransaktionsbereich ermöglichen und erleichtern.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Stärke von Smart Contracts in der Dokumentation, der Authentizität und der Irreversibilität von Transaktionen zu sehen ist.
Smart Contracts sind kein Ersatz für schon bewährte technische Lösungen
Natürlich konnten diese Herausforderungen auch mit herkömmlicher, bewährter Technik gut und sicher gelöst werden. Durch den Einsatz von Smart Contracts soll dies aber effizienter und vertrauensvoller möglich sein. Smart Contracts sollten daher nicht dort zum Einsatz kommen, wo sich technische Implementierungen bereits bewährt haben und praktisch störungsfrei laufen. Vielmehr sollte sich der Einsatz auf jene Bereiche konzentrieren, die bislang nur umständlich und mit großen Reibungsverlusten bedient werden konnten.
Neben den vorstehenden Vorteilen gibt es bei Smart Contracts einige Nachteile zu berücksichtigen. So liegt es in der Natur der Sache, dass der Smart Contract keine Leistungen aus der realen Welt durchführen kann (z. B. die Reparatur eines Autos).
Die durchzuführende Leistung muss vielmehr digital abbildbar sein, wie etwa die Bezahlung von (Krypo-)Geld, der Austausch digitaler Güter oder die Änderung eines Blockchain-gestützten Registers. Weiter ist die Bedingungsprüfung von Smart Contracts auf digital prüfbare Ereignisse beschränkt.
Auch hier ist zwischen solchen Ereignissen zu unterscheiden, die durch Transaktionen in einer Blockchain abbildbar sind, und solchen, die in der realen Welt eintreten. Um Ereignisse der realen Welt erfassen zu können, sehen Smart Contracts daher IT-Schnittstellen vor (sogenannte Oracles), welche es dem Smart Contract ermöglichen, mit der realen Welt zu interagieren. Den über das Oracle gelieferten Input kann der Smart Contract sodann verarbeiten und beispielsweise die Bezahlung einer Ware in Abhängigkeit zu einem Versandstatus veranlassen.
Dr. Markus Kaulartz ist Rechtsanwalt bei CMS in München und hat sich auf das IT- und Datenschutzrecht spezialisiert. Er widmet sich insbesondere Rechtsfragen im Kontext von Industrie 4.0 und berät hier beispielsweise zu den Themen Smart Contracts und Legal Tech. Zu seinen Mandanten zählen börsennotierte Unternehmen ebenso wie Start-ups.
Smart Contract-Anhänger schwärmen davon, dass zukünftig einzig der Programmcode Rechtswirkung entfalten könnte. Es bräuchte zukünftig – so jedenfalls die Hoffnung – weder Anwälte noch Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung der Smart Contracts. Der von Lawrence Lessig geprägte Ausspruch „Code is Law“ würde Wirklichkeit.”
Doch auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen von Smart Contracts noch weitestgehend ungeklärt sind, lässt sich bereits jetzt festhalten, dass diese Hoffnung wenig mit der rechtlichen Wirklichkeit gemein hat:
Das „Code is Law“-Dogma steht im Konflikt mit dem teilweise zwingenden Recht in Deutschland.”
Es versteht sich, dass ein Smart Contract diese vom Gesetzgeber gezogene Grenze nicht überschreiten kann – ebenso wenig wie ein Vertrag auf Papier. Oder anders gewendet: Der “Code” ist nicht das einzige “Law”. Es gelten zusätzlich alle vom Gesetzgeber als zwingend angesehenen, nicht dispositiven Gesetze. Diesen können sich die Vertragsparteien auch nicht durch wie auch immer geartete Erklärungen im Programmcode verschließen. So wird ein Vertrag etwa nicht allein nach seinem Wortlaut (bzw. im Falle eines Smart Contracts nach seinem Programmcode) beurteilt. Vielmehr sieht das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass sich der Inhalt eines Vertrags in jedem Einzelfall nach dem Willen der Vertragsparteien bestimmt. Hierzu sind auch die Begleitumstände des Vertragsschlusses bei der Auslegung des Vertrags heranzuziehen.
Smart Contracts können klassische Verträge ergänzen – aber nicht immer ersetzen
Regelmäßig werden Smart Contracts “klassische” Verträge daher nicht ersetzen können. Ihr Potenzial spielen diese vielmehr bei der Steuerung einer realen Leistungsdurchführung aus. Hierbei bedarf es aber teilweise noch einer Harmonisierung der Smart Contracts mit den rechtlichen Gegebenheiten: So erweist sich der Automatismus der tatsächlichen Leistungserbringung durch den Smart Contract dort als Schwäche, wo der Smart Contract vom tatsächlichen Willen mindestens einer Vertragspartei abweicht. Für jene Fälle kann es im Einzelfall sinnvoll sein, im Algorithmus den Zugang für eine Art Schiedsstelle zu ermöglichen, auch wenn dies manchen Vorzügen der Blockchain zuwiderläuft.
Rückabwicklung und Gewährleistungsrechte nicht vergessen
Juristen müssen zudem offene Fragen im Bereich des Daten- und Verbraucherschutzrechts, des Wettbewerbs- und Kartellrechts sowie Fragen der Haftung für (fehlerhaft programmierte) Smart Contracts im Blick zu behalten. Überdies ist sicherzustellen, dass auf Smart Contracts gestützte Rechtsbeziehungen unter Umständen auch rückabgewickelt werden und Gewährleistungsrechte zugänglich sein müssen. Dies führt zu einer spannenden Verschmelzung der Disziplinen Technik und Recht.aj
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