Zukunft im Banking: Braucht man 2025 noch Banken?
Bankensterben: Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Institute bis zum Jahr 2025 um 20 Prozent schrumpft. Im Gegenzug werden immer mehr branchenfremde Konkurrenten in den spannungsgeladenen Markt drängen. Welche neuen Geschäftsmodelle jetzt umgesetzt werden müssen, wie das neue Denken aussehen sollte und welche Lösungen Anwender erwarten. Sarah Meixner (freie Journalistin in Ostfildern) hat für IT Finanzmagazin zwei Branchenexperten befragt.
von Sarah Meixner, freie Journalistin in Ostfildern
2025 kauft man ein Auto bei Amazon und die dazu passende Finanzierung samt Versicherung wird durch einen dritten Dienstleister in einem Rutsch mit angeboten …”
… aber ob das die Hausbank sein wird, das weiß heute noch niemand genau. Sicher hingegen ist, dass Banken, wie man sie heute kennt, kaum mehr existieren werden.
Dieser Meinung ist auch Andreas Werner-Scheer, DSAG-Arbeitskreissprecher Banking und Head of SAP Banking bei GFT Technologies SE. Für ihn spielen zwei Perspektiven in den nächsten Jahren eine entscheidende Rolle: „Das ist einerseits die User Experience, also das Kundenerlebnis: Dieses wird darüber entscheiden, ob die immer prozessgetriebeneren und anspruchsvolleren Kunden bei einer Bank bleiben oder nicht. Und dazu werden ganz entscheidend die vorhandenen Oberflächen, Portale, Kanäle sowie deren Einheitlichkeit und Komfort beitragen.“Die Konkurrenz schläft nicht
DSAG-Arbeitskreis BankingDer Arbeitskreis Banking beschäftigt sich mit der Solution-Map IBU Banking und untergliedert sich in diverse Arbeitsgruppen, die von Accounting über Customer-Relationship-Management (CRM) und Steuern bis hin zu Risikomanagement und CIO im Banking reichen. Schwerpunkt ist dabei stets die Integration der Komponenten von SAP Banking untereinander wie auch in das Systemumfeld der verschiedenen Bankinstitute.
Weitere Themen sind Compliance und regulatorische Anforderungen. www.dsag.de/AK-Banking
Auf der anderen Seite sieht der Arbeitskreissprecher, der seit 2009 im Amt ist, die großen Consumer-Plattformen wie Amazon und FinTechs, die in den Markt drängen und die Kunden mit sinnvollen Angeboten überzeugen. Dazu zählen z. B. Robo-Advice-Service-Angebote dank künstlicher Intelligenz (KI), die Kunden automatisch beraten und am Ende ein individuelles Angebot aus einer Vielzahl von Anbieterprodukten ausspucken. Ähnlich den heute schon existierenden Vergleichsportalen wie Check24, nur eben mit Fokus auf Finanzdienstleistungen und exakt auf den Bedarf des Kunden zugeschnitten.
Der wichtigste Gesamtkontext: die Kundensicht
Weitere Themen sind Compliance und regulatorische Anforderungen. www.dsag.de/AK-Banking
Eine ähnliche Sicht auf das, was ist und was noch kommt, hat Doris Hummel, Sprecherin der DSAG-Arbeitsgruppe CIO und Abteilungsdirektorin IT Firmenkunden/Zentralbankgeschäft bei der DZ BANK AG. Sie sieht die Herausforderungen jeden Tag in der Praxis:
Künftig werden wir sehr viel weniger Kunden in Filialen sehen, denn Finanzierungs- und Bankprodukte werden dort auf den Kunden warten, wo er sich gerade befindet: z. B. bei Media Markt, wo er ein Produkt einscannt, oder auf einer E-Commerce-Plattform, wo er sich ein Auto ansieht. Unabhängig von Kanal und Produkt bekommt der Kunde dann Vergleichsangebote inklusive der jeweils passenden Finanzierungs-, Leasing- und Versicherungsangebote angezeigt.“
Doris Hummel, Sprecherin der DSAG-Arbeitsgruppe CIO im Arbeitskreis BankingDie IT-Leiterin ist davon überzeugt, dass diese Entwicklung unabwendbar ist – umso wichtiger ist die Integration von Drittanbietern: „Wir müssen die bisherige Konkurrenz in unsere Wertschöpfungskette, in unsere Prozesse einbinden. Es ist entscheidend, diese neue Zusammenarbeit bereits jetzt zu gestalten.“
Das große Ganze orchestrieren
Den Weg dorthin können aber nur Produkte, Services und Konditionen ebnen, die langfristig besser sind als die des Wettbewerbs. Und das geht nicht ohne eine stärkere Teilung der Wertschöpfungskette als bisher. Andreas Werner-Scheer meint deshalb: „Banken müssen sich zum Dirigenten wandeln, der die besten Serviceanbieter für ein optimales Kundenangebot orchestrieren kann.“ In der Praxis würde dies bedeuten, dass unterschiedliche Dienstleister jeweils einen Teilausschnitt behandeln – wie z. B. Finanzierungsoptionen – und diese Ereignisse zurück an die Bank geben, damit diese das Ganze dann wieder zu einem einzigen Service für den Endkunden zusammenfügt.
Bankenmarkt zu klein für Lösungsanbieter
Einen weiteren, starken Treiber für Echtzeit-Anwendungen sieht Doris Hummel in den Kunden selbst, die 24/7 online sind und die End-to-End-Prozesse somit immens verändern. „Wenn der Kunde 24 Stunden am Tag online ist und unsere Dienste abruft, müssen wir unsere Prozesse danach ausrichten. Denn dann können wir die Nacht z. B. nicht mehr für zeitaufwändige Tagesend-Prozesse nutzen, sondern brauchen stattdessen mehr Realtime-Prozesse.“ Das wiederum wirkt sich direkt auch auf die Backend-Lösungen für Finanzen und Controlling aus.
24×7-IT wird kommen
Unabhängig davon stehen im Moment aber auch in der Bankenbranche sowohl IT- als auch die fachlichen Prozesse im Kreuzfeuer.
Der Druck auf das Frontend-Geschäft und die Prozesse ist immens, und als Antwort versuchen wir, die zahlreichen Applikationen – wobei SAP nur eine Komponente von vielen ist – vollständig in integrierte Architekturen einzubetten. Das ist eine Stärke von SAP.“
Andreas Werner-Scheer, DSAG-Arbeitskreissprecher Banking und Head of SAP Banking bei GFT
Als Gefahr sieht der Arbeitskreissprecher derzeit vor allem die Masse an Applikationen. Sein Lösungsvorschlag: ein größerer Fokus auf das Architekturmanagement. „Hier sind wir aber weiterhin auf Unterstützung angewiesen, denn die Anforderungen steigen permanent“, sagt Andreas Werner-Scheer. Dasselbe gilt für das Thema Compliance, das konstant seine Kreise über den Finanzdienstleistern zieht: Denn kommen erst mal Anwendungen von Drittanbietern wie FinTechs in der eigenen Bank zum Einsatz, „dann können wir uns doppelt intensiv um die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien kümmern“, weiß Doris Hummel.
Aktueller Stand: viele Fragen, wenige Antworten
Wollen Banken ihre neue Hauptrolle als Integrator schnell finden, kommen auf die Dienstleister vor allem zwei große Herausforderungen zu: Erstens müssen sie Ihre Corebanking-Plattformen für Dritte öffnen und zweitens dann die passenden Partner finden, die in der Lage sind, Daten und Funktionen der Bank für ein erweitertes Serviceangebot für die Kunden zu nutzen. Hieraus resultieren wichtige Fragen, die geklärt werden müssen: Welche Integrationsarchitekturen sind sinnvoll? Wie hoch sind die erforderlichen Investitionen? Wer ist der geeignete Partner für die Ausweitung meiner Services? Bei der Vielzahl der am Markt agierenden FinTechs ist das nicht leicht zu beantworten.
SAP hat verstanden, dass wir offene, schnelle und flexible Architekturen brauchen, vor allem, um die Drittanbieter einbinden zu können.“
Andreas Werner-Scheer, DSAG-Arbeitskreissprecher Banking und Head of SAP Banking bei GFT
„Die Payment Service Directive 2 (PSD2) geht in eine richtige Richtung, das sollten wir sehr ernst nehmen und als Chance für einen besseren Kundenservice begreifen. SAP hat reagiert und eine gemeinsame PSD2-Initiative über die DSAG gestartet. Allerdings erwarten wir, dass auch unsere Core-Banking-Produkte stetig weiterentwickelt werden, um die steigenden Anforderungen auch ohne S/4HANA bewältigen zu können.“
Auch Banken hadern mit S/4HANA
Arbeitsgruppe CIO im Arbeitskreis BankingDie Arbeitsgruppe tauscht sich aktuell mit dem SAP-Management bezüglich der weiteren Roadmaps für SAP HANA und S/4HANA sowie zu den Auswirkungen der neuen Lizenzmodelle aus. Auch gibt es einen ständigen Informationsaustausch und Dialog zu weiteren aktuellen Themen wie z. B. Regulatorik, Architektur oder Digitalisierung.Hier geht es vielen Mitgliedern des Banking-Arbeitskreises genauso wie vielen anderen: Für sie ist S/4HANA noch weit weg, vor allem auch wegen des Dauerbrenners Lizenzierungskosten, denn die Kosten-Ertragsrechnung stimmt für viele Anwender nach wie vor nicht. „Eine neue Architektur zu den derzeit genannt hohen Kosten ohne genaue Angaben zum Ertrag und zum Investitionsverhalten von SAP im nächsten Jahr bekommt kein CIO im Bankgeschäft durch“, erklärt Doris Hummel. Hier wünschen sich die Arbeitsgruppe und alle Mitglieder mehr Unterstützung und ein agileres Vorgehen, insbesondere bei der Migration zu neuen Technologien.
Noch ein weiter Weg
Klar ist, dass die Finanzdienstleister schneller und dynamischer werden müssen – das Stichwort Sprints hört man hier öfter. Die dafür notwendigen Migrationsprogramme mit Standardkern vermissen beide Finanzexperten aber nach wie vor, genauso wie die Tools für eine schnelle Umsetzung. „Wir brauchen eine Plattform für alle Kunden“, verlangt Doris Hummel, „und im Moment sehen wir kaum Initiativen seitens der Anbieter, um dort schnell hinzukommen.“ Beispiele, wo es derzeit hakt, sind etwa das Kredit- und Einlagenmodul oder auch der SAP Bank Analyzer 8.0, wo z. B. bei der Umstellung auf S/4HANA die nötigen Migrationsprogramme fehlen.
Für viele weitere Themenfelder, etwa das Meldewesen, das Leasinggeschäft oder die Hypothekenbearbeitung, gibt es seit jeher sowieso nur Partnerlösungen. Dennoch halten die Arbeitskreissprecher über verschiedene Customer-Engagement-Initiativen (CEI) und Customer-Connection-Circle (CCC)-Engagements den Druck konstant hoch.
Den Schlüssel endlich umdrehen
Druck, den die CIOs der Finanzbranche täglich spüren: Sie sollen beweglicher sein, dafür fehlen aber die notwendigen Architekturen. Die intern meist relativ homogenen Lösungslandschaften sind nur mit einem effektiven Schnittstellenmanagement zu stemmen, das ebenfalls noch nicht rund läuft. Was Andreas Werner-Scheer noch auf seiner Agenda stehen hat, sind vor allem stärker digitalisierte Prozesse, …
… andernfalls schaffen wir den Spagat zwischen den zwingenden Anforderungen der Regulatorik, hier insbesondere der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und andererseits schlanken Prozessen und verbessertem Kundenservice nicht.“
Doris Hummel bestätigt das: „Diesen Drang nach vorne, die Rolle zum Dirigenten, das schaffen wir nur mit ständigem Investment. Und dafür müssen wir neben allen Digitalisierungsvorhaben vor allem an das SAP-System ran.“aj
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