Veränderungen: Alles bleibt anders – Corona und die Folgen für die Finanzindustrie
Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich unter dem Titel „Corona als Game-Changer und Motor zum Ausbau der Digitalisierung“ meine Einschätzungen über die im ersten Lockdown sich bereits abzeichnenden Veränderungen für die gesamte Geschäftswelt und insbesondere für die Finanzindustrie dargelegt. Und wie sieht es nun – ein Jahr danach – aus?
von Anno Lederer
Kaum jemand konnte vorhersehen, wie sehr durch diese Pandemie unser gesamtes Leben auf den Kopf gestellt wird, wie lange sich die damit verbundenen Einschränkungen hinziehen werden und was – dadurch initiiert – jetzt mehr oder weniger sang- und klanglos Einzug in unseren Alltag gehalten hat.Innovationen und Veränderungen, die vor nicht allzu langer Zeit kaum denkbar waren, wurden plötzlich Realität und es scheint, dass sie von vielen Marktteilnehmern akzeptiert und sogar gern und intensiv genutzt werden.”
Dies gilt auch und vielleicht sogar besonders für Entwicklungen in der Finanzbranche, in der sich größere Veränderungen bisher oft nur sehr langsam einen Weg geebnet haben.
Drei Beispiele dafür:
1. Das Bezahlen mit Karte oder Handy z.B., das sich in Deutschland über einen langen Zeitraum nicht so recht durchsetzen wollte, hat einen riesigen Schub erhalten und ist nun selbst bei kleinen und kleinsten Beträgen fast zur Selbstverständlichkeit geworden. Bargeld als „des Deutschen liebstes Kind“ wird langsam aber stetig in den Hintergrund gedrängt. Komfort, Bequemlichkeit und allerorts steigende Verfügbarkeit scheinen die Vorbehalte und Bedenken, die es aus mehreren Richtungen immer wieder zu hören gab, zu überwiegen.Sicher haben neben Corona schon vorher auch die sogenannten FinTechs, Neo- oder Smartphone-Banken in diesem Bereich seit geraumer Zeit Druck aufkommen lassen. Nach meiner Einschätzung aber haben insbesondere die mit Corona einhergehenden Kontaktreduzierungen bewirkt, dass anderen Vertriebskanälen plötzlich vielerorts eine größere Bedeutung beigemessen wurde. Und es mag viele überrascht haben, dass dies in vielen Fällen zu ähnlich guten Ergebnissen führten konnte wie der persönliche Kontakt vor Ort.
Inzwischen zählt eine Kontoeröffnung per Video auch bei den meisten klassischen Finanzinstituten zum festen Bestandteil ihres Leistungsangebots.
3. Und noch ein drittes Beispiel. Dass Videokonferenzen seit Beginn der Pandemie einen Großteil der Kommunikation in der gesamten Geschäftswelt ausmachen und das Home Office vielfach an die Stelle des Büroarbeitsplatzes getreten ist, führte dazu, dass auch viele Bankmitarbeiter aus dem Home Office heraus arbeiten. Damit verbunden ergänzte die persönliche Beratung einzelner Bankkunden per Video schnell das Leistungsportfolio vieler Institute.Ortsunabhängigkeit und ein damit oft verbundenes größeres Zeitfenster in Folge wegfallender An- und Abreisezeiten waren Effekte, die in nicht geringem Maße auch auf die Produktivität und Wirtschaftlichkeit der Institute einzahlten.
Es gibt sicher viele weitere Beispiele für derartige Veränderungen.
Entscheidend und hervorzuheben ist aus meiner Sicht, dass die oben beschriebenen Veränderungen bleiben werden. All das wird Bestand haben und es kommt sicher noch einiges dazu.”
Es ist meiner Meinung nach auszuschließen, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager komplett in alte Verhaltensmuster zurückfallen, wenn die Krise erstmal überwunden ist.
Alle Branchen und so auch Banken sollten an diesen Möglichkeiten festhalten, sie optimieren und konsequent nach weiteren oder modifizierten Wege suchen, um den Kunden zu erreichen, an ihm dran zu bleiben, ihn in den Mittelpunkt zu stellen, noch aktiver auf ihn zuzugehen und seine Bedürfnisse auch über bisher nicht so vertraute Wege zu erkennen und zu befriedigen.
Denn das, was der Kunde in Krisenzeiten als positiv und komfortabel empfunden hat, wird er auch in Zukunft von seiner Bank erwarten und einfordern.”
Und so sollten die daraus gewonnenen bzw. noch zu gewinnenden Erkenntnisse in die gesamte strategische (Neu-)Ausrichtung eines Finanzinstituts eingebunden sein. Dass ein hoher Digitalisierungsgrad und eine moderne und zukunftsfähige IT-Architektur diese Ausrichtung begünstigt, erklärt sich von selbst.
Wenn alle vorhandenen Daten und Informationen über bestehende und potenzielle Kunden analysiert, ausgewertet und auf allen Vertriebskanälen umfassend und hochaktuell bereitgestellt werden, kann die Geschäftsbeziehung zwischen Kunde und Bank effektiv und erfolgreich auch ohne permanenten persönlichen Kontakt aufgebaut, gefestigt und ausgebaut werden.
Und wenn man sich bezüglich Einfachheit und Komfort vielleicht noch ein bisschen von den oben erwähnten neuen Mitbewerbern abschaut und das intelligent verknüpft mit dem vorhandenen eigenen Leistungsangebot und langjährigen Erfahrungsschatz, müsste ein dauerhafter Geschäftserfolg auch in einem massiv veränderten Umfeld gesichert werden können.Anno Lederer
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