Not ready for change? – Wenn die IT das Zünglein an der Waage ist
Es ist viel und vielleicht auch schon zu viel geschrieben worden über die Pandemie und ihre Auswirkungen. Das Corona-Virus hat sich als Katalysator gezeigt für eine Entwicklung, die eigentlich schon vor der Pandemie absehbar und zwingend notwendig war. Und über alle Branchen hinweg merken wir inzwischen, wie schnell und am Ende dann doch trittsicher Organisationen und die Menschen in den Organisationen den alternativlosen Digitalisierungsschub gemeistert haben und mit welcher Zufriedenheit Unternehmen auf den bislang erreichten Transformationsstatus schauen.
von Matthias Schulte, Partner bei MUUUH! Consulting
Zufriedenheit ist zwar erlaubt, doch sollte sie bei weitem nicht zur Trägheit führen. Zwar haben die Finanzinstitute in der Vergangenheit schon einige relevante Schritte gemacht, dennoch laufen sie der Entwicklung in anderen Branchen nach wie vor hinterher.Die Digitalisierung von Basis-Prozessen – z.B. die Eröffnung eines Bankkontos – und das mittlerweile durchgängige Angebot von Video-Beratungen sind nur zwei, aber doch zwei wichtige Beispiele für bereits Erreichtes. Die Herausforderungen, die darüberhinaus noch zu bewältigen sind, stellen sich jedoch als ungemein größer dar.
Und diese Herausforderungen machen deutlich, dass das Rennen um die Zukunftssicherung von Finanzinstituten neben der strategischen Gesamtausrichtung maßgeblich auch von der IT entschieden wird.”
Jenseits aller Ergebnisse aus Kundenbefragungen und Marktforschungen lässt sich aus psychologischer Perspektive festhalten, dass Kunden definierte und seit Generationen wirksame Motivstrukturen haben, die sie im Kontakt mit Unternehmen und damit auch im Kontakt mit Finanzinstituten bedient und erfüllt wissen wollen. Diese Motivstruktur lässt sich am einfachsten anhand des „EPOS-Prinzips“ verdeutlichen. Dabei steht EPOS für Einfachheit, Präzision, Ordnung und Stimulanz.
E: Kunden wollen den Kontakt mit Unternehmen als einfach, leicht, bequem und komfortabel erleben.
P: Kunden wollen Informationen und Vereinbarungen präzise, verbindlich, konkret und schnell erleben.
O: Kunden wollen den Kontakt mit Unternehmen und eine Geschäftsbeziehung als ordentlich, strukturiert und nachvollziehbar erleben.
S: Kunden wollen den Kontakt mit Unternehmen als stimulierend, individuell, und markenkonform erleben.
Allein diese psychologischen Grundkenntnisse sind ausreichend relevant, um vorhandene Prozesse in Finanzinstituten zu bewerten und dahingehend zu hinterfragen, inwieweit die vorhandene IT-Infrastruktur helfen kann, diese Kundenmotive zu bedienen.
Und wenn wir das kritisch bewerten, dann lassen sich zumindest auf den ersten Blick einige Beobachtungen festhalten:
Die eingesetzten Technologien für Video-Beratung ermöglichen zwar modernere Kommunikation, doch sind sie in Anwendung und Bedienung immer noch unkomfortabel.”
Zum Teil werden Lösungen angeboten, die es erfordern, dass am Bildschirm Dokumente geteilt werden und gleichzeitig über das Telefon eine Konferenz eingerichtet werden muss, da eine integrierte Lösung nicht vorhanden ist oder genutzt werden darf.
Im Kundenmanagement eingesetzte Frontends für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in Ansicht und Anwendung nicht eingängig und anwenderfreundlich. Das führt zu reduzierter Datenpflegedisziplin und kompliziertem Handling – ein klassischer Leistungsminderer im Kontakt mit dem Kunden und Grundlage für zum Teil unzureichende Kundeninformationen, die sich auf individuelle Betreuungskonzepte negativ auswirken.
Die aktive Kundenansprache insbesondere im Bestandskundenmanagement bleibt durch fehlende Kanäle für stringente Omni- und Cross-Channel-Lösungen restriktiert und verschenkt dadurch Optionen für eine effektivere Potenzialausschöpfung.
Vorhandene Kanäle (Mailing-Programme, die Nutzung des immer noch aktiven Kontoauszugsdruckers als Anspracheinstrument, Pop-Up-Optionen im Online-Banking etc.) brauchen für ihren gezielten und individualisierten Einsatz viel zu lange Vorlaufzeiten und Planungsprozesse und machen dadurch ein flexibleres Kundenmanagement langsam.
Dies sind nur kleine Beispiele von vielen, die zeigen, wie sehr im operativen Alltag die technischen Rahmenbedingungen sowohl Ermöglicher als auch immer noch Verhinderer sein können. Und die Projekterfahrungen der jüngeren Vergangenheit im Finanzsektor zeigen, dass gerade die etablierten Organisationen immer noch wertvolle Potenziale verschenken in einer Zeit, in der sie keine Zeit mehr haben – denn das eigene Geschäftsmodell gerät zunehmend unter Druck.
Die FinTechs und Smartphone-Banken zeigen, was eigentlich alles möglich ist. Und so machen die nachweislich positiven Entwicklungen der vergangenen Monate doch gleichzeitig deutlich, dass der Aufholbedarf von Tag zu Tag größer wird.”
Natürlich gibt es gute Begründungen für diesen Status Quo. Regulatorik, Datenschutz, aktuelle Budgetsituation und strategische Investitionsentscheidungen geben einen Rahmen vor, in dem auch die IT sich bewegen muss. Dennoch resultiert aus dieser Betrachtung , dass die IT das entscheidende Zünglein an der Waage sein wird, ob und wie Finanzinstitute den zwingenden Transformationsprozess der Digitalisierung erfolgreich angehen und gemeinsam mit ihren Kunden werden gestalten können. Matthias Schulte, MUUUH! Consulting
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