Why is there any Bank? “Unbundling” heißt das neue Stichwort.
Vor einigen Jahrzehnten stellte Ronald Coase die nur vordergründig simple Frage “Why is there any organization?” Für den Aufsatz The Nature of the Firm, der sich der Antwort auf diese Frage widmete, bekam Coase später den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Seitdem ist die Transaktionskostentheorie fester Bestandteil der Lehrpläne an den Universitäten. In Fortführung der Gedanken ließe sich die Frage formulieren: Why is there any bank?
von Ralf Keuper, Blogger und Kolumnist
Warum gibt es eigentlich Banken? Zum einen wäre da ihre Funktion als Kapitalsammelstelle für die Wirtschaft, zum anderen die Aufgabe der Fristentransformation sowie die Risikoverarbeitung. Bisher war es immer noch günstiger, nahezu alle Bankdienstleistungen aus einer Hand anzubieten, wie etwa in Form der Universalbank. Jede Sparkasse oder Volksbank ist eine kleine Universalbank. Mit den Jahren ging man in den Banken dazu über, bestimmte Bereiche, die nicht zum eigentlichen Kerngeschäft zählten, auszulagern. Es entstand eine Vielzahl von Spezialbanken und Transaktionsbanken, wie etwa die Deutsche WertpapierService Bank oder diverse Kreditfabriken. Business Process Outsourcing und ASP waren in aller Munde.
An dem Kern der Bank änderte dies jedoch wenig.
Erst mit dem Aufkommen leistungsfähiger Leitungen und günstiger Cloudservices, war es für neue Anbieter möglich, die ehemals hohen Markteintrittsbarrieren zu überwinden. Die Stunde der FinTech-Startups war gekommen. Diese verzichten explizit darauf, die ganze Bandbreite der Finanzdienstleistungen anzubieten, wie eine normale Sparkasse, Volksbank oder Geschäftsbank. Stattdessen konzentrieren sie sich auf bestimmte Bereiche, Teile der sog. Wertschöpfungskette, die sie unter Verwendung neuester Technologien mit entsprechender User Experience im Netz verfügbar machen. Viele FinTech-Startups unterliegen nicht der Regulierung, jedenfalls nicht in dem Umfang, wie die klassischen Banken. Das verschafft ihnen einen nicht zu unterschätzenden Kostenvorteil.
Die Banken beginnen langsam die Stiche zu spüren, die die FinTech-Startups ihn zufügen, wenngleich nicht alle FinTech-Startups mit dem Anspruch auftreten, die Banken ablösen zu wollen.
Unbundling ersetzt Disintermediation
Die Auflösungserscheinungen des Geschäftsmodells der klassischen Banken sind kaum noch zu übersehen. Zusammengefasst wird dieser Vorgang häufig unter dem Begriff “Disintermediation”. Seit kurzem jedoch wird er ersetzt durch den des “Unbundling”, d.h die Zerlegung der Banken in ihre Einzelteile.
Inzwischen gibt es für jede Bankdienstleistungen bereits mehrere FinTech-Startup, die in der Lage sind, den Kundenbedarf zu decken – selbst im Private Banking und sogar im Investmentbanking sind erste Anzeichen zu sehen. Zu den besten Beiträgen, die diesen Prozess beschreiben zählen für mich The unbundling of commercial banks und FinTechs: Es begann mit Payment … wie Bankleistungen von den StartUps zerlegt werden sowie im weiteren Zusammenhang The Unbundling Of Everything.
Die alte industrielle Logik wird abgelöst durch digitale Plattformen, in deren Zentrum die Kooperation steht und weniger der direkte Wettbewerb. Die Anbindung erfolgt dabei über Open APIs.
Auf der anderen Seite, am anderen Ende der Skala, stehen die digitalen Ökosysteme, die von den großen Internetkonzernen wie Apple, Amazon, Google, Alibaba, facebook und anderen dominiert werden. Wir bewegen uns also zwischen Dezentralität und Zentralität/Netzknoten. In der Mitte befinden sich die Banken, die von beiden Seiten unter Druck gesetzt werden, bzw. an denen von beiden Seiten gezogen wird. Die Banken versuchen, auf die Herausforderungen mit einer Anpassung ihrer Organisationsstruktur zu antworten, indem sie den Schwerpunkt auf den Multikanal-Ansatz legen. Am eigentlichen Kern, an den Verfahren und an der Kultur wird kaum etwas geändert. Unterdessen nehmen die Kräfte, die auf die Banken einwirken, unvermindert zu. Jeden Tag tauchen neue Mitbewerber, neue Initiativen auf, die auf das Stammgeschäft der Banken zielen. Dabei handelt es sich um Einzelhandelskonzerne ebenso wie um Telekommunikationsunternehmen und E-Commerce-Anbieter. Kurzum: Die Banken und ihr herkömmliches Geschäfts- und Organisationsmodell werden in die Zange genommen.
Die Frage beginnt sich verstärkt zu stellen, weshalb wir eigentlich noch Banken benötigen? Welche Vorzüge kann diese Organisationsform noch für sich geltend machen? Vertrauen, Sicherheit? Seit der Finanzkrise im Schwinden begriffen. Größe, Internationalität: Im Vergleich mit Apple und Google wirken die meisten Banken provinziell.
Aber auch bei den neuen Organisationsmodellen wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Die diversen FinTech-Startups, die bereits erste Plattformen bilden, müssen den Beweis erst noch erbringen, dass sie in der Lage sind, die Banken in ihrer Funktion zu ersetzen, ohne dass die Wirtschaft darunter zu leiden hat, d.h. ohne dass die Risiken im Schattenreich verschwinden, um später mit großer Wucht wieder aufzutauchen. Das Risikomanagement, ebenso wie die Zusammenführung von Angebot und Nachrage, sind nach wie vor Domänen der Banken. So schnell werden die FinTech-Startups diese Funktionen nicht abdecken können. Anders sieht das schon bei den großen Internetkonzernen aus, die eigene Banken für die Abwicklung betreiben könn(t)en.
Auf mittlere Sicht wird sich der Prozess der Zerlegung einstiger Kernaufgaben der Banken fortsetzen. Im Bereich Payments bilden sich schon die ersten großen Anbieter, die die Banken ersetzen können. Hier kommen wieder die Skaleneffekte zum Tragen.
Den Banken bleibt nicht mehr viel Zeit, um passende Antworten auf die Herausforderungen zu finden. Gut möglich, dass es dazu schon zu spät, der Vorsprung von PayPal und Co. bereits zu groß ist.
Die Banken werden ihre Rolle neu definieren müssen. Nicht mehr lange, und sie wirken wie Fremdkörper, wie Adelssitze ohne ausreichendes Hinterland. Ein Weiter so! führt über kurz oder lang in die Sackgasse und den Marktaustritt.
Auch künftig besteht im Banking Bedarf für Trusted Advisors, für Finanzdiplomaten, die sich unter dem Dach einer Organisation zusammentun. Ob diese dann noch den Namen “Bank” trägt, ist im Vergleich dazu fast schon unerheblich.rk
Ralf Keuper ist Bank- und Diplomkaufmann und seit rund 15 Jahren in verschiedenen Positionen beratend im Bankenumfeld tätig. Er gehört zudem mit seinem Blog bankstil zu den Top10-Bloggern im FinTech-Bereich und berät Banken bei der digitalen Transformation sowie FinTech-Startups bei ihrem Markteintritt. Keuper hat unter anderem als Senior Consultant Banking bei der COR&FJA AG und Senior Consultant Banking & Financing bei Steria Mummert Consulting AG gearbeitet.
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