Wie kann KI die Investmentbranche revolutionieren?
Die steigende Dynamik und Komplexität der Kapitalmärkte stellt branchenübliche Ansätze vor zunehmende Herausforderungen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann hier helfen, die Fülle der Daten sinnvoll und gewinnbringend zu verarbeiten.
von Christoph Peter, COO Axovision
Der Einsatz von IT ist kein Selbstzweck und war es nie. Doch eine geeignete Technologie richtig angewendet bietet vielen Unternehmen mehr Freiheit und Möglichkeiten, Prozesse zu automatisieren und zu skalieren – und leistet so einen Beitrag, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. In der Investmentbranche bleibt jedoch ein Großteil des IT-Potenzials ungenutzt, gerade bei der Analyse von Kursentwicklungen und dem Anlegerverhalten. Denn der Kapitalmarkt wird immer komplexer und dynamischer. Die Zahl der vorhandenen Daten steigt exponentiell. Gleichzeitig verschieben sich die Abhängigkeiten der Einflussfaktoren untereinander in atemberaubendem Tempo: Trübt die Anlegerstimmung gerade die Kurse, sind es die Fundamentaldaten, das makroökonomische Umfeld oder die Mischung aus diesen Faktoren? Um mit dieser Dynamik Schritt zu halten, gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste Option besteht darin, sich auf einen Teilbereich der Daten zu konzentrieren. Weil Menschen die schiere Masse an Informationen einfach nicht verarbeiten können, konzentrieren wir uns gern auf einen Ausschnitt, den wir als repräsentativ und erfolgversprechend ansehen. Daraus ergibt sich aber zwangsläufig die Frage, welche Teilbereiche aktuell einen signifikanten Einfluss haben. Und gibt es bei diesem Ansatz nicht vielleicht Blind Spots, also relevante Informationen die nicht in die Entscheidungsfindung einfließen? Dieses Problem löst die zweite Variante: Sie liegt im gezielten Technologieeinsatz und der Automatisierung der Informationsgewinnung und Datenverarbeitung. Dieser Prozess kann parallelisiert und somit skaliert werden.Alle Teilbereiche lassen sich gleichzeitig analysieren, woraus sich mehr Informationen und präzisere Handlungsentscheidungen ableiten lassen.”
Aber welche Technologie ist hierfür geeignet?
Die derzeitigen branchenüblichen Modelle sind regelbasierte Modelle, sogenannte Quantitative Strategien. Hier formuliert ein Mensch die Regeln – durch empirische Beobachtungen, die er selbst oder durch externe wissenschaftliche Untersuchungen aufstellt: Wenn Kriterium x eintritt, folgt daraus Handlungsanweisung y. Wenn sich allerdings die zugrundliegenden Regeln ändern, funktioniert ein solches Modell nicht mehr. Und die Regeln am Kapitalmarkt können sich sehr schnell ändern. So sind beispielsweise je nach Marktphase unterschiedliche Einflussfaktoren relevant. Eine beliebte Faustregel: In Bullenmärkten wird gerne in Wachstumswerte investiert, in Bärenmärkten sind Value Werte gefragt. Die Bedeutung der Einflussgrößen verschiebt sich aber auch über die Zeit:
Heute hat ein KGV von 25 für ein Tech-Unternehmen nicht mehr die gleiche Aussagekraft wie vor zehn Jahren.”
In welche Technologien und in Analysemodelle sollte man also investieren, um solche Regeländerungen erkennen zu können?
Hier setzt das Machine Learning an, ein Spezialgebiet der Künstlichen Intelligenz. Das Machine-Learning-Modell lernt selbstständig jene Regeln, die zu den gewünschten Ergebnissen führen. Der Mensch gibt das Ziel und die zu analysierenden Datenquellen vor, aber nicht den Lösungsweg. Ein entscheidender Vorteil dabei: Zusammenhänge werden erkannt, “wie sie sind” und nicht, “wie der Mensch denkt, dass sie so sind”. Hierdurch können völlig neue komplexe Zusammenhänge erkannt werden. Ein weiterer Vorteil liegt im Lernverhalten solcher Modelle:
Machine-Learning-Modelle lernen die Regeln repetitiv. Daher sind sie viel dynamischer.”
Kommen neue Daten hinzu, überprüfen die Modelle die bisher angenommenen Regeln und passen sie bei Bedarf an. Ihr Lernverhalten ähnelt also dem des Menschen. Nur, dass sie eben wesentlich mehr Daten in kürzerer Zeit verarbeiten können.
Wie also revolutioniert KI die Investmentbranche?
Durch den Einsatz von KI verschieben sich die Tätigkeiten und Mitarbeiteranforderungen in der Investmentbranche; weg vom Mikromanagement hin zum Makromanagement. Ein Analyst muss sich nicht mehr mit jeder einzelnen Bilanz, Kursformation oder Unternehmensmeldung auseinandersetzen. Stattdessen entwickelt und optimiert er primär KI-Modelle, um seine Analysen skalieren zu können und damit die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Banken und Finanzdienstleister müssen also noch mehr als bisher zu IT-Unternehmen werden, um ihren Fortbestand zu sichern. KI stiftet bereits heute in vielen Bereichen der Finanzbranche einen Mehrwert, z.B. im Back- und Front-Office. Im Kundenservice können intelligente Chatbots die Kundeninteraktion personalisieren und beschleunigen. Bei der Geldwäschebekämpfung erkennt eine KI Betrugsversuche schneller als der Mensch das je könnte.
Es ist Zeit zu handeln
Für die Vorhersage von Kursentwicklungen und das Treffen von Investitionsentscheidungen setzt indes erst eine Handvoll Anbieter KI ein. Aber woran liegt das? Für dieses Einsatzgebiet braucht es Spezialwissen auf gleich zwei komplexen Gebieten: dem Machine Learning und den Finanzmärkten. Wenn man sich Rogers Diffussionstheorie bedient, befindet sich dieser Markt aktuell im Stadium der “frühen Mehrheit”.
Eine Handvoll Anbieter – die “Innovatoren” – hat längst erfasst, dass KI auch in diesem Bereich zukunftsweisend sein wird und entsprechend Ressourcen investiert.”
Jetzt erkennen einige große Institute das Potenzial der Technologie und versuchen eine entsprechende Expertise aufzubauen; der Fachkräftemangel entschleunigt diesen Prozess allerdings. Um hier den Anschluss nicht zu verpassen, kann es daher für Banken und Finanzdienstleister Sinn machen, Kooperationen mit kleineren, hochspezialisierten Häusern einzugehen. Denn der richtige Einsatz von IT ist alles andere als ein Selbstzweck, er dient der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und damit der eigenen Zukunft.Christoph Peter, Axovision
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