Die Folgen der EU-Gebührenregulierung: Sind Girocard und ELV jetzt bald am Ende?
Ist die EU-Gebührenregulierung im Zahlungsverkehr der Anfang vom Ende oder das Ende vom Anfang? Egal ob Cash, Karte oder Mobile – in der Payment-Branche wird aktuell die EU-Gebührenregulierung und ihre möglichen Folgen für Zahlverfahren breit diskutiert. Natürlich wird das neue Pricing-Modell wird über die Akzeptanz und Zukunft von Kartenzahlung und Mobile Payment mitentscheiden. Beliebte nationale Zahlverfahren wie Girocard und ELV könnten in ihrer Existenz bedroht werden. Die fundierte Experten-Einschätzung von Dr. Markus Weber, Geschäftsführer von Ingenico Payment Services.
von Dr. Markus Weber
Dr. Markus Weber
Das prozentuale Limit in der Gebührenverordnung (0,2 Prozent bei Debit-, 0,3 Prozent bei Kreditkarten), das die öffentliche Diskussion bestimmt, ist bei den internationalen Zahlverfahren (z. B. Visa oder MasterCard) nur eine Komponente der Gesamtgebühr, die der Händler zu bezahlen hat. Diese Komponente, die sogenannte Interchange, repräsentiert nur den Teil, der an die kartenausgebenden Banken weitergeleitet wird. Zusätzlich muss der Händler Gebühren an die Kartenorganisationen („Scheme Fees“ an z. B. Visa oder MasterCard) sowie eine Gebühr für seinen eigenen Zahlungsdienstleister, den sogenannten Acquirer, entrichten. Die Gebühren an die Kartenorganisationen und den Acquirer sind nicht Gegenstand der EU-Verordnung und unterliegen demnach auch keiner Regulierung.
Aktuell wird intensiv diskutiert, inwieweit die nationalen Zahlverfahren in Deutschland, das EC-Cash-Verfahren über die Girocard sowie die elektronische Lastschrift („ELV“), von der Regulierung erfasst werden. Diese sehr verbreiteten und für den Händler kostengünstigen Verfahren weisen keine unterschiedlichen Kostenelemente auf und wurden bisher einheitlich mit einer prozentualen Gebühr auf den Kaufpreis bepreist, etwa 0,3 % im Fall der Girocard. Um sicherzustellen, dass auch bei sehr kleinen Kaufbeträgen die Zahlungsdienstleister noch kostendeckend arbeiten können, gibt es eine fixe Preisuntergrenze, im Fall der Girocard 8 Cent pro Transaktion. Bei der anstehenden nationalen Umsetzung der EU-Gebührenverordnung muss der deutsche Gesetzgeber unter Federführung des Bundesfinanzministeriums entscheiden, welche Gebührendeckel Girocard und ELV bekommen. Hierbei ist dringend anzuraten, dass die unterschiedlichen Preisstrukturen von nationalen und internationalen Zahlverfahren berücksichtigt werden.
Der Endpreis entspricht nicht dem regulierten Interchange
Eine Gefahr könnte darin liegen, dass der regulierte Endpreis für den Händler bei Girocard und ELV in der Diskussion gleichgesetzt wird mit der regulierten Interchange bei den internationalen Zahlverfahren, obwohl letztere nur einen Teil der Händlergebühr darstellt. Wenn jetzt, angespornt durch die Kostensenkungswünsche der deutschen Händlerschaft, die Gebühren von Girocard und ELV auf ein nicht mehr kostendeckendes Level abgesenkt werden, sind diese Zahlverfahren in ihrer Existenz bedroht. Und ohne die Konkurrenz der nationalen Zahlverfahren sind etwaigen Preiserhöhungen bei den nicht regulierten Scheme Fees von Visa und MasterCard Tür und Tor geöffnet.
Ein Blick über die Grenzen lohnt sich
Belgien wollte 2006 das nationale Zahlverfahren Bancontact / Mister Cash einheitlich auf das internationale Maestro-Verfahren von MasterCard umstellen. In der Folge kam es zu einer deutlichen Preissteigerung bei Maestro, massiven Händlerprotesten und schließlich wurde die Umstellung rückgängig gemacht.
Für Banken und Zahlungsverkehrsdienstleister ist das Regulierungsvorhaben Fluch und Segen zugleich: Fluch, weil es die Höhe der Gebühreneinnahmen drastisch beschränkt. Hier sollte der Regulator nicht in der Weise übersteuern, dass bestehender Wettbewerb vernichtet wird und keine Gewinnanreize für neue Marktteilnehmer mehr bestehen. Segen, weil die Regulierung die Kartenzahlung für Händler attraktiver macht, gerade auch im Vergleich mit der Cash-Zahlung. Die Kosten, die mit der Kartenzahlung verbunden sind, werden aus Sicht der Händler nachhaltig gesenkt.
Die Gratis-Kreditkarte soll plötzlich 70 Euro im Jahr kosten?
Letztlich spielen zwei Einflussfaktoren bei der Verbreitung der Kartenzahlung eine Rolle: Die Bereitschaft des Händlers, der die Kartenzahlung ermöglicht und der Wille des Konsumenten, mit Karte zu bezahlen. Die Bereitschaft des Konsumenten hängt jedoch unter anderem davon ab, ob und wie seine Karte bepreist ist (bspw. Jahresgebühr). Durch die Deckelung der Interchange bricht den kartenherausgebenden Banken eine erhebliche Einnahmequelle weg.
Die große Frage ist nun, wie sie diese Einbrüche künftig ausgleichen. Ein Weg wäre, Jahresgebühren anzuheben oder überhaupt erst zu erheben. Wenn die Gratis-Kreditkarte aber plötzlich 70 Euro im Jahr kostet, werden sicherlich einige Konsumenten ihre Karte zurückgeben. Ich denke aber nicht, dass Issuer ihre Verluste 1:1 an den Konsumenten weitergeben, da auch unter kartenherausgebenden Banken Wettbewerb besteht. Daher ist unter dem Strich eine deutliche Erweiterung der Akzeptanz für Kartenverfahren zu erwarten.
Der „War on Cash“ speziell im traditionellen Barzahlungsland Deutschland setzt sich fort.
Die Regulierung wird das Spielfeld der Zahlungsdienstleister stark verändern. Bei verringerten Gewinnmargen spielt das insgesamt abgewickelte Zahlungsvolumen und damit die Größe der Dienstleister eine immer entscheidendere Rolle. Size matters. Auch bei der Bewältigung neuer Technologieimpulse. Hier hat der Zahlungsverkehr in den letzten Jahren eine enorme Dynamik gewonnen. Nur größere Zahlungsdienstleister werden es sich wirtschaftlich erlauben können, ständig neue Zahlarten und Services im und um das Payment herum zu integrieren und im Sinne des Kunden zu kombinieren. Sie sind für Innovatoren etwa im Bereich von Loyalty- oder Consumer Convenience geeignete Ansprechpartner und Multiplikatoren.aj
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/14262
Schreiben Sie einen Kommentar