Widerruf per Button soll Verbraucherschutz stärken
Mit der Digitalisierung des Finanzsektors hat auch der Produktvertrieb über Online-Kanäle einen erheblichen Aufschwung erfahren. Allerdings war es für Kundinnen und Kunden oft schwierig, nach Vertragsabschluss ihre Rechte, wie etwa einen Widerruf, durchzusetzen. Eine Anpassung der Fernabsatzrichtlinie soll dem Abhilfe schaffen.
Am 28. März stimmte der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament einer Änderung der EU-Vorschriften für im Fernabsatz abgeschlossene Finanzdienstleistungsverträge zu. In der Konsequenz werden Unternehmen, die einen Online-Abschluss beispielsweise von Darlehensverträgen oder Anlagevermittlungsverträgen anbieten, künftig ihre Webseiten anpassen müssen.Schutz der Verbraucher im Fokus
Das EU-Parlament will zum einen erreichen, dass Informationen „rechtzeitig“ vor einem Online-Abschluss bereitstehen. Zum anderen sollen die Möglichkeit zur menschlichen Interaktion vor Vertragsabschluss verbessert werden. Außerdem werden irreführende Website-Gestaltungen beispielsweise mit vorangekreuzten Kästchen untersagt. Die weitreichendste Änderung ergibt sich jedoch im Bereich der vorzeitigen oder ordentlichen Vertragsbeendigung. Diese soll kundenfreundlicher gestaltet werden, indem direkt auf der Website künftig sowohl ein Button für den Widerruf als auch für die Kündigung eines Vertrags angebracht werden müssen.
Vielen Finanzinstituten sei die Tragweite der geplanten Veränderungen noch nicht bewusst, befürchtet man bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons (Website).
Die geplante Neuregelung hat nicht nur Auswirkungen auf Anbieter im E-Commerce. Durch die Integration sämtlicher Finanzdienstleistungs- und Vermittlungsverträge in das Verbraucherschutzrecht werden viele Finanzdienstleister erstmals von diesen Regelungen betroffen sein.“
Dr. Daniel Kendziur, Partner bei Simmons & Simmons
Widerruf per Button
Von der Einführung eines Widerrufs-Buttons ausgenommen sind wie bisher im Widerrufsrecht Finanzdienstleistungen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können. Als Beispiel sind hier Aktien oder Investmentfonds zu nennen. Weitere Ausnahmen betreffen auch Reise- und Gepäckversicherungspolicen oder ähnliche kurzfristige Versicherungspolicen mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat.
Ansonsten ist nach dem aktuellen Stand des Gesetzesentwurfs, so wie er im Ausschuss erarbeitet wurde, davon auszugehen, dass es den Widerrufs-Button grundsätzlich für alle online getätigten Vertragsabschlüsse im Finanzdienstleistungssektor geben wird. Also beispielsweise für Kreditabschlüsse oder Finanzdienstleistungsverträge wie etwa die Eröffnung eines Girokontos oder eines Wertpapierdepots. Damit wird die Regelung, die bislang nur für Dauerschuldverhältnisse, wie beispielsweise Mobilfunkverträge, galt, auf weitere Vertragsabschlüsse ausgeweitet.
Der Widerruf soll – ähnlich zu der seit 2022 eingeführten digitalen Kündigungsschaltfläche – zweistufig erfolgen: Die erste Stufe betrifft die Identifikation mit Eingabe der Vertragsdetails. In der zweiten Stufe kann der Kunde dann mit einem Button „Jetzt widerrufen“ den Widerruf bestätigen. Diese Bestätigung soll es auch in abspeicherbarer Form geben. Den Verbrauchern müssen 14 Kalendertage garantiert werden, um betroffene Verträge widerrufen zu können, auch ohne Angabe von Gründen. Bei Geschäften in Zusammenhang mit privater Altersvorsorge wird die Standardfrist auf 30 Kalendertage für Fernabsatzverträge verlängert.
Geltungsbereich weit gefasst
Aus Sicht von Dr. Daniel Kendziur ist damit im Prinzip jede Bank und jede Versicherung, die Online-Dienstleistungen anbietet, betroffen. Auch dürfte eine Vielzahl von FinTechs und InsurTechs mit Online-Angeboten für private Endkunden unter die künftige Neuregelung fallen.
Finanzunternehmen, die Verträge mit Verbrauchern online abschließen, müssen ihre Website in Zukunft so umstellen, dass sie Kündigungs- und Widerrufsmöglichkeiten gemäß dem Verbraucherschutzrecht vorsehen. Die Alternative wäre, sich von Verbraucherverträgen im Online-Bereich zu verabschieden.“
Kendziur sieht Finanzunternehmen nun in einer ähnlichen Situation wie Telekommunikationsunternehmen im vergangenen Jahr, als sie in Folge des inzwischen verpflichtenden Kündigungs-Buttons bei Abo-Modellen tätig werden mussten. Zwar handele sich bislang erst um einen Entwurf des EU-Parlamentsausschusses, der nun die sogenannte Trilog-Phase zwischen EU-Kommission, Europäischem Parlament und Rat der Europäischen Union absolvieren muss. Erst danach wird dieser in einen finalen Richtlinientext überführt. Dieser könnte bis zum Herbst vorliegen und dürfte nach seiner Einschätzung dann zügig in nationales Recht überführt werden.
Der Simmons&Simmons-Partner geht nicht davon aus, dass die deutsche Regierung die mögliche Frist von zwei Jahren ausschöpft, sondern im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher schneller zur Tat schreitet. Zum einen sei die Neuregelung der Verbraucherrechte-Richtlinie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Zum anderen könnten die Koalitionsparteien daran interessiert sein, dass ein entsprechendes Gesetz noch vor der nächsten Bundestagswahl – voraussichtlich im Herbst 2025 – in Kraft trete.
Aus diesem Grund warnt er davon, entsprechende Maßnahmen auf die lange Bank zu schieben. Vielmehr sollte sich die Finanzbranche bereits jetzt auf die kommenden Regelungen und die daraus entstehenden erweiterten Pflichten vorbereiten, empfiehlt Kendziur. hj
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