ZAHLUNGSVERKEHR12. September 2023

Debitkarten: Banken, Verbraucherschützer und Händler im Clinch

Verbraucherschützer beklagen, dass nach dem Auslaufen der Maestro-Funktion bei Girocards an Bankkunden Debitkarten ausgegeben werden, die kein gleichwertiger Ersatz sind. Die Kreditkartenunternehmen waschen ihre Hände in Unschuld was mangelnde Akzeptanz betrifft. Der Handel weist solche Vorwürfe zurück – und verweist seinerseits auf die Banken.

Girocard ohne CoBadge oder lieber Debitkarte? Für Banken, Kunden und Händler hat jede Lösung unterschiedlich Vor- und Nachteile. <Q>Girocard
Girocard ohne CoBadge oder lieber Debitkarte? Für Banken, Kunden und Händler hat jede Lösung unterschiedlich Vor- und Nachteile. Girocard

 

Seit rund zwei Jahren stellte sich die Finanzwelt die Frage, wie eine Payment-Welt ohne Maestro aussehen wird (IT-Finanzmagazin berichtete). Mit dem Stichtag 1. Juli 2023 endete die Ausgabe von Girocards mit Maestro-Funktion weitgehend. Viele Privatbanken, allen voran Direkt- und Neobanken, stellten daraufhin von kostenlosen Girocards auf Debitcards um.

Ein gern genutztes Marketing-Versprechen in diesem Zusammenhang: „Das Beste aus zwei Welten“ – die neuen Debitcards werden als Kombination von Girocard und Kreditkarte angepriesen. Was vielen Kundinnen und Kunden oft erst an der Supermarktkasse, der Hotelrezeption oder beim Autovermieter schmerzlich bewusst wird: Es werden nicht alle Funktionen der genannten Kartentypen miteinander vereint, und die Debitcards sind nicht überall willkommen. Beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gingen nach einem Verbraucheraufruf 1.745 Problemschilderungen ein.

Wo es bei Debitkarten hakt

Nachdem die Zahl der Geldautomaten rapide sinkt, hat sich die Bargeldauszahlung beim Einkauf im Supermarkt inzwischen als Alternative etabliert. Mit Debitcards lässt sich zwar in der Regel problemlos bezahlen, zusätzliche Bargeldabhebungen scheitern dagegen oft. Auch bei Behörden, in Kliniken, bei Werkstätten und im Online-Handel gibt es Akzeptanzprobleme. Daneben bemängelten laut vzbv Kunden fehlende Funktionalitäten wie eine Altersverifikation, die Einsatzmöglichkeit für das ChipTAN-Verfahren oder die Option, Türen zu SB-Bereichen bei Banken zu öffnen.

Probleme am Mietwagenschalter und der Hotelrezeption sind darauf zurückzuführen, dass die Debitkarten keinen zusätzlichen Verfügungsrahmen bieten wie echte Kreditkarten. Die Vorautorisierung des Endbetrags oder das Blocken einer Sicherheitsleistung bzw. Kaution funktioniert daher nur, wenn die Gesamtsumme auf dem Girokonto verfügbar ist.

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Die Problemschilderungen der Verbraucher stehen im absoluten Widerspruch zu den mitunter blumigen Versprechen der Banken, wonach die Debitkarten von Visa oder Mastercard die Funktionen von Giro- und Kreditkarte vereinen würden.“

Ramona Pop, Vorständin beim vzbv

Von den 1.745 eingegangenen Meldungen bezogen sich die meisten auf die Deutsche Kreditbank (DKB, 53 Prozent), die Santander (19 Prozent), die Targobank (8 Prozent), die ING (7 Prozent) und die comdirect (7 Prozent).

Die DKB etwa gibt die meisten Visa-Cards in Deutschland heraus. Das US-Kreditkartenunternehmen betont gegenüber dem Spiegel, man habe die Akzeptanz in Deutschland stark gesteigert. Laut Visa liege diese jetzt auf einem ähnlichen Niveau wie die der Girocard. Mastercard kann einerseits die Akzeptanzlücken nicht nachvollziehen. Auf der anderen Seite spricht das Unternehmen von wenigen verbliebenen Klein- und Kleinsthändlern in Deutschland, an deren Akzeptanz man noch arbeite.

Akzeptanz korrespondiert mit Kosten

Die Entgegnungen der Kreditkartenunternehmen zielen allein auf die Akzeptanz, nicht auf die Funktionalität der Karten. Dass dem Handel nun zumindest für einen Teil der Probleme der schwarze Peter zugeschoben werden soll, rief umgehend den Handelsverband Deutschland (HDE) auf den Plan. Ulrich Binnebößel, HDE-Abteilungsleiter Zahlungsverkehr, verweist auf die breite Ausstattung von Zahlungsterminals seiner Mitglieder, die fast alle zumindest die Girocard akzeptieren. Dass am PoS einige Händler die globalen Kartensysteme nicht akzeptieren, sei den hohen Kosten geschuldet.

Dabei kann sich der HDE-Vertreter auf die Ergebnisse einer Studie des CFIN Research Center for Financial Services der Steinbeis-Hochschule stützen. Das CFIN hatte im Auftrag der Euro Kartensysteme den Mehrwert der Girocard für den Zahlungsverkehr untersucht. Die Analyse stützt sich auf Erhebungen im ersten Halbjahr 2023. Das günstigste Bezahlsystem ist demnach die SEPA-Lastschrift, dicht gefolgt von der Girocard. Die Kostenspanne liegt bei Debitkarten doppelt so hoch, bei vollwertigen Kreditkarten rund beim Vierfachen der Girocard. Das Exposé (Download) verrät unter anderem auch Details zu den Erwartungen, die Bankkunden an ihre Karte stellen.

Beim Vergleich des Status Quo mit einem Szenario, das auf großflächigem Einsatz von internationalen Debitkarten sowie einer ergänzenden Zahlungsabwicklung mittels internationaler Kreditkarten beruht, ermittelten die CFIN-Forscher eine um 50 Prozent höhere Kostenbelastung. Für einzelne Unternehmen könnte dies zusätzliche Gebühren von mehreren Tausend Euro bedeuten. Darüber lasse sich die hohe Akzeptanz des Girocard-Systems gut erklären – und ebenso die teilweise Ablehnung alternativer Karten.

Handel will nicht Sündenbock sein

Den Banken sei diese Problematik bekannt, betont Binnebößel. Doch diese würden ihren Kunden Karten an die Hand geben, ohne bekannte Einschränkungen anzusprechen. Sie setzten auf Produkte, die den Kundinnen und Kunden nicht die volle Handlungsfreiheit geben und würden sie mit entstehenden Problemen alleinlassen, so die Vorwürfe des HDE-Vertreters an die Adresse der Institute.

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HDE

Die meisten Banken aus dem Sparkassen- und Volksbankenbereich haben sich für diese kundenfreundliche Variante entschieden. Andere Banken müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie dies nicht tun.“

Ulrich Binnebößel, HDE-Abteilungsleiter Zahlungsverkehr

Wege aus dem Dilemma

Auch bei den Verbraucherschützern sieht man die Banken in der Pflicht, mehr Transparenz bei der Kundenberatung walten zu lassen. Die auftretenden Probleme und die damit einhergehende Unzufriedenheit der Kundinnen und Kunden mit den Debitkarten sei – zumindest in Teilen – auch auf schlechte oder unzureichende Informationen der herausgebenden Banken zurückzuführen. Dadurch würden Erwartungen geweckt, die von den Karten gar nicht erfüllt werden können.

Der vzbv setzt allerdings noch auf eine andere Lösung in diesem Streit: den digitalen Euro als unabhängigen und verlässlichen Zugang zum digitalen Zahlungsverkehr. Das „Karten-Chaos“ mache deutlich, dass am Ende Verbraucher den Schaden haben, wenn wir uns beim Bezahlen von wenigen kommerziellen Anbietern abhängig machen, so vzbv-Vorständin Ramona Pop, die deshalb für eine europäische Lösung plädiert. „Mit dem digitalen Euro würde es möglich werden, im gesamten Euroraum nahezu überall bezahlen zu können“, ist sie sich sicher. hj

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