FINTECH6. November 2023

15 Jahre Bitcoin: Noch immer vor allem Wertspeicher statt alltäglicher Kryptowährung

>Mechanik/bigstock.com

Vor 15 Jahren, am 31. Oktober 2008, veröffentlichte Satoshi Nakamoto sein berühmtes Whitepaper mit dem Titel „Bitcoin: Ein elektronisches Geldsystem auf Gegenseitigkeit“. In diesem Papier beschreibt er die technischen Grundlagen von Bitcoin und damit auch der Blockchain-Technologie. Ist Nakamotos Utopie, für die der Bitcoin die technisch-monetäre Grundlage sein sollte, tatsächlich Kryptowährungs-Realität geworden?

Die große Utopie eines dezentralen Finanzsystems ohne Banken und frei von staatlichen Eingriffen ist nicht Realität geworden und wird wahrscheinlich auch nicht Realität werden. Auch wenn hier und da mit Bitcoin gezahlt werden kann, sind wir noch sehr weit weg von alltäglichen Kryptozahlungen“, erklärt Hartmut Giesen, Krypto-Experte bei der Hamburger Sutor Bank. Dennoch haben sich unter den Kryptowährungen Bitcoin und Blockchain in Teilbereichen als Technologie etabliert. Nach Ansicht von Hartmut Giesen haben sich vor allem zwei Anwendungsfälle von Bitcoin durchgesetzt – zum einen als Wertaufbewahrungsmittel und zum anderen als Zahlungsmittel für spezielle Zwecke.

In Deutschland ist der Bitcoin (Google Bitcoin Trend) in erster Linie ein Anlageobjekt, das verschiedene Zwecke erfüllen kann: Schutz vor Inflation, Diversifikation eines Portfolios als alternative Anlageklasse oder Spekulationsobjekt. Wie wichtig der Bitcoin als Investmentobjekt ist, zeigt sich an der aktuellen Diskussion zur Zulassung von Bitcoin-ETFs in den USA. Von Bitcoin-ETFs versprechen sich Marktanalysten und Bitcoin-Fans einen nachhaltigen Durchbruch und eine kontinuierliche Wahrnehmbarkeit des Bitcoin, auch außerhalb von „Hype-Phasen“. Der Kurs stieg kurzfristig um 8 Prozent, als die Falschmeldung kursierte, der ETF sei bereits zugelassen.

Von einem zugelassenen ETF könnten auch Kryptozahlungen als Anwendungsfall profitieren, weil ein regulierter ETF suggeriert, dass die zugrundliegenden Assets ‚seriös‘ sind. Interessant dabei ist, dass der Bitcoin eigentlich erfunden worden ist, um Regulierung zu entgehen.”

Hartmut Giesen, Krypto-Experte Sutor Bank

Jetzt zeige es sich, dass der Bitcoin-Preis und die Akzeptanz des Bitcoin mit der Regulierung steigt, ausgenommen die Krypto-Contra-Regulierung in den USA. Dass der Bitcoin heute eher als langfristiges Anlageobjekt gesehen wird, zeigt auch das Verhalten von Bitcoin-Haltern. Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Wallet-Adressen haben ihre Bitcoins schon länger als ein Jahr gehalten, geht aus der Statistik der Analyseplattform IntoTheBlock hervor.

Special-Purpose-Zahlungsmittel

Kryptowährung
Bigstock

Bitcoin hat sich zwar nicht als alltägliches Zahlungsmittel etabliert, wohl aber als „Special-Purpose-Zahlungsmittel“, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn staatliche Währungen und/oder das regulierte Finanzsystem nicht genutzt werden können oder sollen. Die Gründe für die Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel sind vielfältig und beschränken sich nicht nur auf die Bereiche der Kriminalität, der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, wie dies gerne suggeriert wird. Bitcoin-Zahlungen werden zur Finanzierung sowohl von der Hamas als auch von der ukrainischen Armee genutzt. „Abgesehen davon ist Bitcoin aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Transaktionen und der Sichtbarkeit von Wallets mit ihren Holdings längst nicht so gut für Geldwäsche und kriminelle Zahlungen geeignet, wie gemeinhin angenommen“, so Hartmut Giesen.

Staatsversagen, mangelndes Vertrauen in Staaten, instabile Währungen, mangelnde Versorgung mit Bankdienstleistungen oder Krisen könnten Gründe für die Nutzung von Bitcoins sein. „Viele dieser Anwendungsfälle sind aus Sicht eines mit Banken überversorgten Landes mit einem der stabilsten Finanzsysteme nicht immer nachvollziehbar“, ergänzt Giesen.

Kein unreguliertes Bitcoin-System

Dass Staaten ein unreguliertes, unzensiertes und dezentrales Finanzsystem nicht tolerieren würden, war schnell klar. In Deutschland zum Beispiel ist der Kauf und Verkauf von Bitcoins bereits seit 2013 offiziell nicht möglich, ohne dass ein reguliertes Unternehmen für den Handel eingeschaltet wird. Mit der MiCA-Verordnung wird es künftig EU-weit eine Regulierung geben, die das Anbieten von Krypto-Dienstleistungen nur noch mit entsprechenden Lizenzen erlaubt.

Sutor Bnak

Regulierung wirkt auch immer als Verbraucherschutz. Deshalb steigt mit der Regulierung auch die Akzeptanz von Bitcoin in der Bevölkerung.”

Hartmut Giesen, Krypto-Experte Sutor Bank

Reguliert wird nicht der Bitcoin selbst, sondern der Zugang und die Dienstleistungen, die zur Nutzung des Bitcoins notwendig sind – so bleibt trotz Regulierung ein „freier“ Kern. Paradoxerweise gehören die Staaten mittlerweile zu den stärksten Preistreibern, denn der Preis des Bitcoins reagiert zum Beispiel sowohl auf Änderungen des Leitzinses als auch auf die Regulierung.

Blockchain als Vertrauensinfrastruktur

Der wohl nachhaltigste Beitrag von Bitcoin könnte sich laut Hartmut Giesen in der zugrundeliegenden Blockchain-Technologie zeigen. „Sie macht erstmals den digitalen Versand von Werten möglich und digitalisiert Vertrauen. Beides ist eng miteinander verknüpft“, sagt Giesen. Damit habe die Blockchain das Potenzial, sowohl die Infrastruktur der Finanz- und Kapitalmärkte als auch die der „Trust-Industry“ zu revolutionieren, etwa in den Bereichen Vertrags- und Identitätsmanagement, Datenschutz, bei Gerichten oder Notaren.

Breite Anwendungen der Blockchain jenseits von Bitcoin und Ethereum gibt es noch nicht. „Es hat jedoch auch bei anderen Technologieinnovationen wie Elektrizität und selbst bei der Digitalisierung von Informationen zum Teil Generationen gedauert, bis sie adaptiert wurden und sie ihr volles Potenzial entwickeln konnten“, sagt Hartmut Giesen. Bei Blockchain komme hinzu, dass immer mehrere Parteien zustimmen müssten, dass sie die Wahrheit abbildet und die Anwendungsfälle überwiegend in gesetzlich geregelten Bereichen liegen. „Diese Gesetze müssen zunächst für den Blockchain-Einsatz angepasst werden“, sagt Giesen. Bezogen auf die nächsten 15 Jahre könne es daher noch einige dynamische Entwicklungen bei Bitcoin und der Blockchain geben, sagte Giesen.tw

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