comdirect startet Accelerator für FinTechs – Finanzvorstand Holger Hohrein im Interview
comdirect startet keinen VC, keinen Inkubator – sondern will als “erste Bank in Deutschland eine Start-up Garage” auf den Weg bringen (Pressemitteilung). Das neue Format soll Gründer und ihre FinTechs noch vor der ersten Zeile Code locken. Ein Accelerator – nur früher. Wir haben bei Finanzvorstand Holger Hohrein, der im comdirect-Vorstand für Innovation und Start-ups zuständig ist, nachgehakt.
Herr Hohrein, comdirect hat gestern die „Start-up Garage“ initiiert. Was hat es damit auf sich?
Wir wollen Innovationen im Banking und Finanzbereich voranbringen. Das ist Kern unseres Anspruchs „Bank. Neu gedacht“. Daran arbeiten wir tagtäglich – klar ist jedoch auch, dass nicht alles in Quickborn erfunden wird. Viele gute Ideen kommen von Kunden oder auch von Menschen, die mit einem ganz anderen Blick aufs Banking schauen.
Mit der Start-up Garage wollen wir genau diese Menschen erreichen. Start-ups aus der Fintech-Szene bekommen hier die Möglichkeit, sich ab heute mit ihrer Idee zu bewerben. Sie benötigen dafür weder einen Prototypen noch ein schon ausgearbeitetes Geschäftsmodell. Von den Einreichungen kommen die interessantesten Ideen auf eine Shortlist, die dann in einem „Pitch“ vorgestellt werden.
Mit denjenigen, die gewinnen, werden wir intensiv zusammenarbeiten. Sie erhalten von comdirect die notwendige Infrastruktur und Ressourcen: Dazu gehören beispielsweise kostenlose Arbeitsräume in Hamburg oder auch Soft- und Hardware. Und: Sie profitieren von einem Austausch mit unseren Experten. Wir vermitteln Know-how, wo notwendig Skills und, was ein ungeheures Pfund ist, mit dem wir wuchern können, Zugriff auf ein Netz von spannenden Kontakten sowie einen Zugang zu unseren drei Millionen Kunden. Mit der Start-up Garage sind wir damit die erste Bank hierzulande, die so etwas macht.
Kann man sich das so vorstellen wie den main incubator der Commerzbank? Also macht comdirect das um Start-ups einzukaufen?
Das Konzept ist gänzlich anders – mit Blick auf den Zeitpunkt und der Art der Zusammenarbeit. Mit der Start-up Garage fangen wir, wenn man so will, ganz am Anfang an. Zu dem Zeitpunkt, wo die Idee entsteht. Es gibt oftmals noch kein MVP, also keinen lauffähigen Prototypen, und auch keinen Businesscase. In dieser ersten Phase soll die Idee entwickelt und verprobt werden, indem ein erstes lauffähiges Produkt als Prototyp gebaut wird.
Schaut man auf die Art der Zusammenarbeit, kann man sagen: Wir holen die Ideen da ab, wo sie stehen; Wir entwickeln Sie zusammen weiter und bieten dafür eine professionelle Arbeitsumgebung und Zugang zum Know-how der Bank. Der Main-Inkubator der Commerzbank fördert primär Start-ups durch Venture Capital Investment und hilft eine Idee zu skalieren.
Unser Ziel ist die Entwicklung neuer, innovativer Lösungen für oder im Umfeld von Banking. Gleichzeitig wollen wir damit auch die heimische Fintech-Szene fördern und ermuntern. Sonst droht Deutschland einmal mehr ins Hintertreffen zu geraten.
Bei dieser gemeinsamen Reise mit den Teilnehmern der Start-up Garage können wir jeweils vom anderen lernen, uns gegenseitig inspirieren. Wir folgen damit auch unserer eigenen DNA. Wir sind seit unserer Gründung digital, und denken sehr ähnlich. Wir sind vermutlich auch mehr „Onliner“ als klassische Bank.
Warum setzen Sie nicht einen Inkubator auf?
Wir fühlen uns mit dem Garagen-Ansatz einfach wohler, das passt besser zu uns. Der offene Austausch, die Flexibilität und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe sind uns wichtig.
Die Start-up Garage spiegelt auch unseren Blick auf die Fintech-Szene wider. Wir sehen diese als natürlichen Partner der Banken und insbesondere für uns als moderne Direktbank. Wettbewerb gehört zum Geschäft, genauso wie Kooperationen: Und die Melange daraus, „Co-opetition“, ist das Beste beider Welten. Denn sie trägt dazu bei, dass neue Lösungen entstehen, die für unsere Kunden Mehrwert bieten. Darum geht es uns – für den Kunden spannende und vor allem auch relevante Lösungen zu finden!Wenn am Ende der Start-up Garage Ideen herauskommen, die für beide Seiten, also Fintech und comdirect, interessant und spannend sind, sprechen wir über eine Kooperation. Wir wollen Ideen voranbringen, die Gründer zusätzlich motivieren und setzen ein Zeichen, indem die Ideen klar beim Start-up bleiben.
Engagieren Sie sich auch mit Eigenkapital bei den teilnehmenden Fintechs?
Den Ansatz verfolgen wir mit der Start-up Garage nicht. Wir wollen die Idee voranbringen und einen funktionsfähigen Prototypen in ca. drei Monaten mitentwickeln. Dazu stellen wir neben der Infrastruktur auch eine finanzielle Unterstützung zur Verfügung. Und vielleicht ist der Prototyp dann so gut, dass sich externe Kapitalgeber dafür interessieren. Vielleicht finden wir ihn aber auch so spannend, dass wir gemeinsam die Idee umsetzen. Beides freut uns.
Wollen Sie die Ideen, die in der „Start-up Garage“ entwickelt werden, in das Leistungs- und Angebotsportfolio der comdirect integrieren?
Wir kooperieren ja bereits mit einigen Fintechs. Einige Beispiele sind Gini, die wir in unsere Lösung smartPay integriert haben, oder auch wikifolio.
Was ich damit sagen will, wir können uns gut vorstellen, dass wir die Ideen dann auch in unser Leistungs- und Produktangebot übernehmen. Es muss einfach zu uns und vor allem zu dem passen, was unsere Kunden wollen.
Nach einer Bankausbildung hat Hohrein Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Dresden studiert. Ab 1999 arbeitete Hohrein bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company, wo er zuletzt als Associate Principal Kreditinstitute in strategischen Fragen sowie im Bereich Risikomanagement mit Fokus auf Gesamtbanksteuerung, Capital Management und Treasury beriet. 2008 wechselte Hohrein als Bereichsleiter Finanzen, Controlling & Risikomanagement zur comdirect bank AG. Eines seiner zentralen Themenfelder als Bereichsleiter war der Aufbau eines integrierten Gesamtbanksteuerungsinstrumentariums und dessen kontinuierliche Weiterentwicklung.
Wir sehen die Fintechs nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung und natürlichen Partner für uns als durch und durch digitale Bank. Die Fintechs sind viel agiler und flexibler als es traditionelle Finanzinstitute sein können. Viele entwickeln spannende Lösungen, das sehen wir jeden Tag. Oftmals haben sie aber das Problem, nicht die notwendige Kundenzahl zu erreichen, um profitabel zu sein.
Wir glauben als Direktbank genau die richtigen aufgeschlossenen Kunden für technologische Erfindungen zu haben. Wenn sich hier beide Seiten zusammentun, profitieren wir alle.
Klar ist aber auch: Die Digitalisierung verändert in allen Bereichen und Branchen die Art, wie Geschäft betrieben wird. Das gilt auch fürs Banking. Ich denke, dass wir gut daran tun, auch neue potenzielle Player im Blick zu behalten, etwa Google, Facebook oder Amazon.
Was wäre für Sie das ideale Ergebnis der „Start-up Garage“?
Mein Traum für die Start-up Garage wäre ein Fintech, das gemeinsam mit uns in der Garage eine „Killerapplikation“ entwickelt und anschließend den Markt aufrollt – gerne gemeinsam mit uns. Aber da sind wir alle realistisch genug, dass wir das nicht erwarten dürfen.
Das ideale Ergebnis, da Sie danach fragen: eine spannende Idee, die unseren Kunden einen echten, relevanten Mehrwert bietet, und der wir in der Start-up Garage zum Durchbruch verhelfen. Das dient den Kunden, wir alle lernen dabei, es macht hoffentlich allen Beteiligten Spaß und bringt am Ende die ganze hiesige Fintech-Szene weiter voran.
Herr Hohrein, vielen herzlichen Dank!aj
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