Zwischen Tradition und Innovation: Unser Geld im digitalen Zeitalter
In einer Rede beim “Sparda-Business-Dinner” zum Thema „Digitaler Euro“ der Sparda-Bank Nürnberg eG sprach Bundesbanker Burkhard Balz über den derzeitigen Stand und weitere Schritte für die Ausgestaltung eines digitalen Euro sowie den rechtlichen Rahmen. Eine Zusammenfassung seiner Rede.
von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank
Digitalisierung und Innovation prägen unser Leben in vielfältiger Weise. Das zeigt sich auch im Zahlungsverhalten der Menschen. Digitales Bezahlen wird immer beliebter. Vor diesem Hintergrund müssen Zentralbanken verstärkt darüber nachdenken, wie sie ihr Produkt – das Zentralbankgeld – weiterentwickeln können. Denn dieses steht der Bevölkerung bisher nur in physischer Form – als Bargeld – zur Verfügung.Viele Bürgerinnen und Bürger legen großen Wert auf die besonderen Eigenschaften, die das Bargeld bietet. Laut einer kürzlich von uns veröffentlichten Studie zum „Bargeld der Zukunft“ wollen 93 Prozent der Menschen in Deutschland auch in Zukunft die freie Wahl zwischen baren und unbaren Zahlungen haben. Sowohl die Bundesbank als auch das gesamte Eurosystem bekennen sich klar zur Zukunft des Bargeldes. Wir wollen das Bargeld zukünftig aber um ein digitales Äquivalent ergänzen. Hier könnte der digitale Euro ansetzen und die von den Nutzern geschätzten Eigenschaften von Bargeld – allgemeine Akzeptanz, einfache Handhabung und Datenschutz – in die digitale Welt überführen.
Ich sehe eine Zukunft, in der Bargeld und digitaler Euro nebeneinander existieren und so den vielfältigen Zahlungspräferenzen von 350 Millionen Menschen im Euroraum entsprechen.”
Unser Ziel ist es, eine universell einsetzbare Bezahllösung zu schaffen. Hier kommt die Idee des digitalen Zentralbankgeldes zum Tragen. Jeder Mensch soll in jeglicher Situation mit einem überall akzeptierten, benutzerfreundlichen Zahlungsmittel bezahlen können: dem digitalen Euro.
Projekt Digitaler Euro
Der digitale Euro soll im gesamten Euroraum akzeptiert und einsetzbar sein. Ein zentrales Anliegen ist dabei ein möglichst unkompliziertes und einfaches Zahlungserlebnis für alle Bürgerinnen und Bürger.
Ein unkomplizierter Zugang ist der erste Schritt. Bestehende Bankkunden sollen sich schnell und einfach für den digitalen Euro registrieren können. Danach kommt die tatsächliche Nutzung. Dafür ist eine einheitliche und nahtlose Zahlungserfahrung entscheidend. So wie man mit Bargeld grenzübergreifend und einfach zahlen kann, sollte dies auch für den digitalen Euro gelten.
Die Nutzung könnte auf zwei Arten erfolgen: Entweder integrieren Banken und Zahlungsdienstleister den digitalen Euro als Wallet in ihre bestehenden Apps oder die Kunden greifen auf eine spezielle App des Eurosystems zu. Die Zahlung würde dann kontaktlos oder über QR-Codes ausgelöst.
Ein digitaler Euro könnte entscheidend dazu beitragen, die Stellung und Wettbewerbsfähigkeit Europas im digitalen Zahlungsverkehr zu verbessern. Ich sehe den digitalen Euro als Chance für die hiesige Kreditwirtschaft, ihre Position zum Beispiel bei E-Commerce-Zahlungen und digitalen Wallets zu stärken und im Wettbewerb mit globalen Anbietern bestehen zu können. Abgesehen davon hat es auch aus geopolitischer Sicht seine Vorteile, eine gemeinsame gesamteuropäische Zahlungsinfrastruktur zu schaffen.
Das Eurosystem würde den digitalen Euro herausgeben, aber die Verteilung an die Endnutzer bliebe den regulierten Banken und anderen Zahlungsdienstleistern überlassen. Wir im Eurosystem sind offen für Innovationen im Zahlungsverkehr. Zum Beispiel könnte die European Payments Initiative, kurz EPI, mit ihrer Wero-Wallet ein wichtiger Vertriebskanal für den digitalen Euro werden. Vielleicht macht dies EPI in Zukunft sogar für weitere europäische Banken attraktiv.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Markt und öffentlicher Hand muss durch ein passendes Gebührenmodell für die Verteilung des digitalen Euro ergänzt werden. Es ist vorgesehen, dass der digitale Euro für die Grundnutzung durch Privatpersonen kostenfrei sein sollte, während Einzelhändler Gebühren entrichten sollten. Der Gesetzgeber wird jedoch einen möglichst präzisen Gebührenrahmen mit Obergrenzen festlegen, zum Beispiel in ähnlicher Höhe wie bei vergleichbaren Zahlungsmitteln – etwa der Girocard in Deutschland. Das Eurosystem würde seine eigenen Kosten übernehmen und die Infrastruktur den Banken und anderen Zahlungsdienstleistern kostenfrei zur Verfügung stellen. Ein entsprechendes Kompensationsmodell ist Bestandteil des Gesetzesentwurfs.
Der digitale Euro soll sowohl online als auch offline nutzbar sein, um sowohl digitale als auch physische Zahlungen ohne Netzverbindung zu ermöglichen. Offline-Zahlungen sind besonders im Hinblick auf den Datenschutz von Interesse, da sie anonyme Transaktionen ermöglichen würden. Ähnlich wie bei Bargeld würde die Geschäftsbank nur den heruntergeladenen Betrag sehen und die eigentliche Verwendung wäre nicht nachvollziehbar. Aber auch bei Online-Zahlungen würde der digitale Euro ein deutlich höheres Niveau an Datenschutz bieten als bisherige digitale Zahlungen.”
Das Eurosystem ist darauf bedacht, ein Höchstmaß an Datenschutz zu gewährleisten. Daher ist es ein fester Grundsatz, dass die Identität der Nutzer den Zentralbanken nicht bekannt sein würde und dass Banken und andere Zahlungsdienstleister nur insoweit auf Daten zugreifen dürfen, als dies zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen erforderlich ist.
Um zu vermeiden, dass bedeutende Einlagen aus dem Bankensystem abgezogen werden, sind klare Regeln notwendig. Dies möchten wir durch Obergrenzen für individuelle digitale Euro-Guthaben erreichen. In welcher Höhe diese Grenze liegen soll, ist noch zu definieren.
Weitere Schritte auf dem Weg zum digitalen Euro
Die Vorbereitungsphase für den digitalen Euro, deren erster Teil auf 24 Monate angelegt ist, hat am 1. November 2023 begonnen. Ziel ist es, weitere Vorarbeiten für die mögliche Einführung eines digitalen Euro zu leisten.
Das bedeutet erstens die Fertigstellung des Digital Euro Scheme Rulebook, also der Abschluss der gemeinsam mit dem Markt begonnenen Arbeiten an einem einheitlichen Regelwerk für den digitalen Euro.
Zweitens die Identifizierung von Dienstleistern, die infrage kämen, um die verschiedenen Dienste und Komponenten zu entwickeln, die für den Aufbau der digitalen Euro-Infrastruktur benötigt werden. Hierfür hat das Eurosystem Anfang des Jahres einen entsprechenden Aufruf veröffentlicht.
Und drittens weitere Erkenntnisse durch Experimentieren mit neuesten Technologien. Hier können wir auf das aufsetzen, was wir bereits in der Untersuchungsphase mit unseren Prototyping-Aktivitäten erreicht haben.
Rechtliches Fundament
Parallel entwickelt sich die Diskussion um den rechtlichen Rahmen für den digitalen Euro. Die Europäische Kommission hat das Verfahren Ende Juni 2023 mit einem Verordnungsentwurf eingeleitet. Dieser Entwurf wird nun im Rat der Europäischen Union und im Europäischen Parlament debattiert.
Der Verordnungsentwurf zielt darauf ab, den digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel zu verankern und somit die Stellung des Euro als allgemein nutzbares Zentralbankgeld zu festigen. Ich begrüße ausdrücklich den zusätzlichen Verordnungsvorschlag zur Stärkung des Bargeldes als gesetzliches Zahlungsmittel. Bargeld und digitaler Euro sind schlicht und ergreifend zwei Seiten derselben Medaille.”
Der Entwurf berücksichtigt zudem zahlreiche Ergebnisse der Untersuchungsphase und definiert wichtige Richtlinien. Er bestätigt die essenzielle Rolle von Banken und anderen Zahlungsdienstleistern im Finanzsystem. Auch die Option für Offline-Zahlungen soll gesetzlich festgeschrieben werden.
Ein Rechtsrahmen ist unerlässlich. Erst wenn die EU-Institutionen die entsprechenden Rechtsvorschriften verabschiedet und damit ein solides rechtliches Fundament gelegt haben, kann der EZB-Rat den Beschluss zur Emission eines digitalen Euro fassen.
Fazit und Ausblick
Als frühestmöglichen Zeitpunkt für die Einführung des digitalen Euro für alle sehen wir 2028. Angesichts der weltweiten Dynamik halte ich es für angemessen, dass wir uns diese Zeit für eine solche gesamtgesellschaftliche Innovation nehmen. Als Zentralbank können wir uns keine unausgegorenen Konzepte oder übereilten Entscheidungen leisten. Wir müssen alle Perspektiven beleuchten und berücksichtigen. Das setzt eine enge Kooperation mit allen Akteuren voraus: mit der Politik, dem Markt und auch den Banken. Selbstverständlich auch mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Ich bin überzeugt, dass der digitale Euro Wirklichkeit werden und ein starkes Zeichen für das geeinte Europa setzen wird. Der digitale Euro wird den Weg ebnen: nicht nur für das einfache Bezahlen im digitalen Zeitalter, sondern auch möglichst darüber hinaus als Grundlage für innovative Prozesse, die darauf aufsetzen können.”
Die vollständige Rede von Burkhard Balz finden Sie hier.pp
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