“Bei der Digitalisierung ist der Drang nach Innovationen ungebrochen”
Die DZ Bank als Zentralinstitut für alle rund 700 deutschen Kreditgenossenschaften zuständig, ist damit immer ganz weit vorne, wenn es um Innovationen geht. Nora Kemper, Abteilungsleiterin im Transaction Banking der DZ Bank und zuständig für Business Development, ordnet im Gespräch Innovationen wie etwa RtP in ein Gesamtbild ein.
von Dunja Koelwel
Frau Kemper, bei Neuerungen im Zahlungsverkehr hat man bei den Ankündigungen immer das Gefühl eines großen Schrittes, letztendlich handelt es sich meist aber nur um kleine Schrittchen. Ist die Zeit großer Innovationen im Zahlungsverkehr vorbei?
Da haben wir ein anderes Bild: Kaum ein Bereich im Finanzsektor unterliegt einer solchen Innovationsdynamik wie das Transaction Banking. Das wird auch durch die vielen Fintechs deutlich, die sich mehrheitlich auf den Bereich Payment fokussieren. Tatsächlich ist die Veränderungsgeschwindigkeit weiterhin hoch.In den letzten Jahren haben wir bedeutende Entwicklungen gesehen – sowohl international auch in Deutschland: beispielsweise digitale Bezahllösungen, erste digitale Währungen, die Einführung von Echtzeit-Zahlungen (Instant Payments), Blockchain-Technologien, Wallet-Angebote und auch Request-to-Pay (RtP). Diese Entwicklungen zeigen, dass die Innovationskraft im Zahlungsverkehr nicht erschöpft ist, sondern sich eher in neue Richtungen entwickelt, die vor allem auf Digitalisierung, Benutzerfreundlichkeit und Effizienz abzielen.
Was fanden Sie die wichtigste Innovation der letzten fünf Jahre und warum?
Alles rund um den Trend Digitalisierung hat in den letzten Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen, besonders an der Kundenschnittstelle.
Mobile Wallets haben sich als wichtige Säule im Zahlungsverkehr etabliert, bereits 25 Prozent der Verbraucher besitzen eine mobile Geldbörse (Wallet).”
Die Durchdringung bei der GenZ beträgt 74 Prozent und sogar bei den Millennials sind es bereits 59 Prozen. In 2023 zahlten 84 Prozen der Verbraucher kontaktlos mit Karte, Smartphone oder Uhr. Bargeld kommt immer weniger zum Einsatz. Corona hat diesen Prozess nochmals beschleunigt – im Zahlungsverkehr und auch im Kundenverhalten.
Die europäische Bezahllösung Wero setzt mit dem Angebot einer digitale Wallet in einer vertrauten Banking App Umgebung bei gleichzeitig überzeugender User Experience genau hier an. Im Juli dieses Jahres ist Wero mit Peer-to-Peer-Zahlungen (P2P) gestartet. Perspektivisch sollen möglichst alle Lebensbereiche der Kunden in einer Wallet abgedeckt werden – von Bezahlsituationen im E-Commerce am POS bis hin zu Mehrwerten und Services wie das Hinterlegen einer Digitalen Identität oder Loyalityprogrammen.
Digitalisierung wird auch bei Request-to-Pay groß geschrieben: RtP ermöglicht papierlose Rechnungen als Zahlungsanforderung medienbruchfrei aus dem Online-Banking oder einer Banking App heraus zu bezahlen. Dies hat großes Potenzial, das Bezahlen zwischen Firmenkunden und Endkunden auf eine neue Stufe heben.
SEPA Request-to-Pay ist in Europa seit Juni 2021 offiziell gestartet. Das ist jetzt drei Jahre her. Die Teilnahme der Banken ist freiwillig. Wie würden Sie RtP derzeit beurteilen?
Nora Kemper ist Abteilungsleiterin im Transaction Banking der DZ Bank (Webseite) und zuständig für Business Development und Kampagnen.
Wir halten SEPA Request-to-Pay (RtP) für eine vielversprechende Innovation. Es bietet sowohl Endkunden als auch Firmenkunden klare Vorteile in Sachen Komfort, Flexibilität und Kontrolle. Für Firmenkunden bietet RtP zudem mehr Planungssicherzeit und Effizienzpotenziale. Für letztere ein Grund, für diese Leistung auch zu bezahlen. Und damit bietet es ein Ertragspotenzial auch für uns Banken.
Leider erleben wir bei RtP aktuell das klassische „Henne-Ei-Problem“: Banken sind noch zurückhaltend in der Umsetzung und entsprechend niedrig ist die Zahl der Endkunden, die RtP empfangen könnten. Das Angebot ist für Firmenkunden aber erst attraktiv, wenn ein Großteil ihrer Kunden erreichbar ist und sie statt paralleler Zahlungsprozesse, weitestgehend auf RtP umsteigen können.
Wir glauben an die Vorteile für beide Kundengruppen und werden deshalb weiter vorangehen, um sowohl die Endkunden- als auch die Firmenkundenseite weiter auszubauen. Auch hoffen wir, dass bald auch weitere Anbieter das Angebot umsetzen und ihren Kunden zugänglich machen.
Einer der Vorteile von RtP sollte sein, dass eine bessere Prognostizierbarkeit der Zahlungseingänge möglich ist, denn RtP bietet dem Zahler verschiedene Möglichkeiten, auf die Anforderung zu reagieren: Jetzt annehmen, später annehmen, jetzt bezahlen, später bezahlen oder den RtP vollständig ablehnen – optional mit Begründung. Der Zahlungsempfänger erhält von seiner Bank die Information, wie sich der Zahler entschieden hat. Haben Sie einen Einblick, ob sich dieser Vorteil wirklich auswirkt?
Hier gilt es zwei Perspektiven zu betrachten. Für Firmenkunden ist es vorteilhaft, frühzeitig zu erfahren, wie der Kunde auf die Zahlungsaufforderung reagiert. Heute ist es oftmals so, dass eine Rechnung mehrere Wochen unbezahlt bleibt, ohne dass der Firmenkunde den Grund dafür erfährt und dann gegebenenfalls weitere kostenintensive Mahnverfahren anstoßen muss.
RtP bietet hier den Vorteil, dass der Zahlungspflichtige in irgendeiner Form auf den Request reagieren muss.”
Unternehmen können durch die Statusberichte, die sie von den Banken erhalten, besser planen und ihre Cashflows effizienter managen.
Auf der Kundenseite ist die „User Experience“ ein wichtiger Faktor. Je einfacher diese im Zusammenhang mit RtP ist, desto größer die Akzeptanz. Grundsätzlich punkten Bequemlichkeit, Flexibilität und Kontrolle beim Kunden immer. In der Praxis bleibt aber noch abzuwarten, wie stark sich dieser Vorteil tatsächlich ausgewirkt. Um eine fundierte Aussage zu treffen, wären empirische Daten mehrerer Unternehmen erforderlich, die RtP aktiv nutzen. Diese Daten könnten zeigen, ob und wie die Prognostizierbarkeit der Zahlungseingänge verbessert wurde und welche finanziellen Vorteile dadurch resultieren.
RTP und Banken: Was nehmen Sie hier Ihren Kollegen und denen anderer Institute krumm? Was lief in den letzten drei Jahren gut und was weniger mit Blick auch auf Wettbewerber?
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Die Frage, ob es nachvollziehbar ist, dass viele der Banken so zögerlich vorgehen, kann man in der Tat stellen. RtP erfordert von der Bankenbranche ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit an ein sehr dynamisches Umfeld. Jeder Marktteilnehmer muss selbst entscheiden, ob sich die Implementierungskosten und der technische Aufwand für sich lohnt, um neue Vorteile im Bezahlprozess zu etablieren. Mit unserem Pilotprojekt sind wir als „First Mover“ vorangegangen und planen, RtP allen Banken und Endkunden in der genossenschaftlichen Finanzgruppe anzubieten.
Die Umsetzung innovativer Lösungen in bestehender Infrastruktur ist nie einfach. Zumal gerade im Transaction Banking größere Investitionen nötig sind und in längeren zeitlichen Dimensionen gedacht werden muss.
Wir arbeiten intensiv mit nachhaltigem Trendmanagement, da Innovationen immer ein Trend folgen, der sich beobachten lässt.”
Daneben müssen regulatorische Entwicklungen und der Wettbewerb im Blick behalten werden. Durch die daraus abgeleiteten Zukunftsthesen & Hypothesen können wir unsere strategischen Leitplanken stringenter festlegen. Strategische Entscheidungen erfordern Mut, denn eine Restunsicherheit bleibt. Aber gerade bei der Digitalisierung ist der Drang nach Innovationen ungebrochen, und wir werden Wechselwirkungen durch neue Funktionen in der Infrastruktur und technologische Entwicklungen erleben. In jedem Fall sind die Innovationsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft – der Zahlungsverkehr bleibt ein spannendes Feld.
Frau Kemper, vielen Dank für das Gespräch. dk
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