FINTECH10. Dezember 2024

Scalable Capital: Eigene Depots, neue Plattform, neue Börse – Baader Bank in Zugzwang

Scalable Capital hat Großes vor und plant, mit dem Broker und der digitalen Vermögensverwaltung auf einer von Grund auf neu entwickelten Technologieplattform neu durchzustarten. Dazu sollen ab sofort ihr Depot direkt bei Scalable Capital eröffnen können. Einerseits spricht das Unternehmen dabei von den damit verbundenen besseren Konditionen für den Wertpapierhandel, andererseits eröffnet der Schritt aber auch neue Anlagestrategien in der Vermögensverwaltung – und es geht um eine neue Börse, die für Privatanleger in Europa entsteht. Gleichzeitig ist das aber auch eine Hiobsbotschaft und ein Schlag ins Kontor für die bisher kooperierende Baader Bank, die mit einer Ad-hoc-Meldung reagiert. Wie es mit der Baader Bank weitergeht und welche Benefits sich für alte und neue Kunden von Scalable Capital ergeben, klärt unsere ausführliche Analyse.

Scalable Capital
Scalable Capital startet den Handel an Europas neuester und speziell auf die Bedürfnisse von Privatanlegern fokussierter Börse, der European Investor Exchange (EIX). Diese wird gemeinsam mit der Börse Hannover betrieben, deren Trägerin die BÖAG Börsen AG ist (zu der auch die Börsen Düsseldorf und Hamburg gehören). Scalable Capital stellt dabei die Technologie und auch Liquidität im Handel an der EIX bereit, während die Börse Hannover für den öffentlich-rechtlichen Teil und die Handelsüberwachung verantwortlich zeichnet. Broker-Kunden mit den neuen Scalable Depots haben ab sofort Zugang zur EIX.

Angesichts der Vielzahl an Orders, die insbesondere bei größeren Werten über Scalable Capital laufen, ist das ein vernünftiger Schritt – insbesondere angesichts des anstehenden Payment for Order Flow, also des Verbots von Kickback-Zahlungen für Ordergeschäfte. Indem Scalable Capital hier neue Tatsachen schafft, hat sie den gesamten Handelsweg in der eigenen Hand.

Scalable Capital

Wie das Unternehmen erklärt, soll die Trading-Flatrate im Prime+-Broker für 4,99 Euro pro Monat dadurch neue Vorteile bieten. Diese bietet künftig den unbegrenzten Handel über die neue EIX zusätzlich zur bereits verfügbaren Börse Gettex (über die Börse München). Auch dabei baut Scalable Capital in Zukunft auf die kürzlich vereinbarte mehrjährige Kooperation mit der bisherigen Depotbank Baader Bank, die an der Börse München als Market Maker für Aktien, Fonds, ETPs und Anleihen agiert. Zudem besteht ein flexibles Sparplanangebot ab 1 Euro in über 2.500 ETFs sowie der Handel über Xetra (Deutsche Börse) zu den gewohnten Konditionen. In der digitalen Vermögensverwaltung Wealth wurden die Handelsstrategien erweitert: Hier stehen mit Weltportfolio Klassisch plus Gold und Value & Dividende zwei neue Strategien zur Verfügung.

Entscheidung von Scalable Capital bringt Baader Bank in Zugzwang

Kalt erwischen dürfte dieser Schritt die Baader Bank, die in der Vergangenheit für Scalable Capital die Depots verantwortete. Kunden bekamen diese Doppelstruktur vor allem dann mit, wenn sie sich mit Scalable Capital gegenseitig die Verantwortung für Dinge zuschob, die unrund liefen. Jetzt bedeutet das neue Geschäftsmodell der Scalable vor allem für für die Baader Bank „eine neue Wettbewerbssituation, da infolgedessen regulatorisch zur Baader Bank vergleichbare Dienstleistungen erbracht werden können“. Und so beeilt sich die Baader Bank, zu versichern, dass all das keine sofortigen Auswirkungen für Konto- und Depotkunden der Baader Bank mit sich bringe.

Scalable Capital

Klar ist aber auch, dass hier einer der größten, wenn nicht der erfolgreichste, Unternehmenskunde mittelfristig die Weichen für eigene Strukturen gestellt hat – Market Maker bei Gettex, der die Baader ist, hin oder her. „Bereits heute verfügt die Baader Bank mit Partnern wie u.a. Smartbroker+, Finanzen.net Zero, Traders Place und Sino über eine vielfältige Basis an langfristigen Kooperationen im Neobroker-Segment mit einem diversifizierten Produktangebot und breiter Endkundenbasis, wodurch sich die Baader Bank langfristiges Ertragspotential sichert“, beeilt man sich, in einer Ad-hoc-Meldung zu verkünden.

Doch auch wenn die Baader Bank die Diversifikation ihrer B2B2C-Kooperationen sowie den Ausbau bestehender Partnerschaften plant und auch wenn das Produktportfolio um 24/7-Krypto-Handel, Anleihe-Handel, Zins- und Währungskonten und anderes vorangetrieben wird, ist der Schritt von Scalable Capital ein harter Schlag.

Wir verfolgen weiterhin unsere Strategie, dass wir als Baader Bank der neutrale Partner an der Seite unserer Kooperationspartner sind. Wir treten nicht in Konkurrenz zu Neobrokern, Vermögensverwaltern oder anderen Kundengruppen, mit denen wir zusammenarbeiten, sondern fokussieren uns auf die Bereitstellung einer performanten Banking- und Tradingplattform für diese Partner.”

Oliver Riedel, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Baader Bank

All das klingt optimistischer als es eigentlich ist. Denn mittelfristig will Scalable Capital eigenständiger werden, hat einen Erlaubnisantrag für das Einlagengeschäft gestellt, um zukünftig selbst Einlagen annehmen zu können. Der Name Baader Bank taucht in diesem Zusammenhang nicht auf. Die Guthaben sollen bei Partnerbanken und bei Geldmarktfonds verwahrt werden. Die Rede ist anfänglich sind Deutsche Bank, J.P. Morgan Asset Management, DWS und BlackRock. Auf Broker-Guthaben werden 3,25 % p.a. Zinsen (variabel) bis 500.000 Euro im Prime+ Broker und bis 50.000 Euro im Free-Broker weitergegeben.

Neue Technologieplattform für Scalable Capital

Scalable-Capital-Gründer Erik-Podzuweit, Florian-Prucker Scalable Capital

Entscheidend für Scalable Capital dürfte aber mittelfristig sein, dass man nach und nach die Kunden auf eigene technische Infrastruktur stellt. Ab sofort sollen die Neukunden in allen europäischen Märkten, in denen Scalable Capital aktiv ist, ihr Scalable-Depot und den Handel über die EIX beginnen können. Bestandskunden erhalten ebenfalls die Möglichkeit, die neue Plattform zu nutzen, spätestens mit dem ab kommendem Jahr angebotenen Umzugsservice dürften viele Kunden von der Möglichkeit Gebrauch machen. Wie reibungslos ein solcher Depotumzug abläuft, wird sich dann zeigen – die Baader Bank wurde in der Vergangenheit in den Anlegerforen durchaus wegen der unzureichenden Übermittlung der Kaufkurse häufiger kritisiert.

Die Wertpapierdienstleistungen werden auf einer von Grund auf neu von Scalable Capital selbst entwickelten Technologieplattform betrieben.

Mit unserer voll vertikalisierten Plattform nehmen wir Depotführung, Börsenhandel, Clearing, Settlement und Custody in die eigenen Hände. Eine derart weitreichende Integration ist europaweit einmalig. Unsere neue Plattform ist das Fundament für viele weitere Innovationen und skalierbares Wachstum.”

Florian Prucker, Gründer und Co-CEO von Scalable Capital

Ziel des Unternehmens bleibe es, „dauerhaft das beste Angebot für die Geldanlage zu machen – Sparpläne ab einem Euro, eine breite Auswahl an ETFs, Aktien und Kryptowährungen sowie unsere digitale Vermögensverwaltung für alle, die ihr Geld professionell managen lassen wollen“, erklärt Erik Podzuweit, Gründer und Co-CEO von Scalable Capital. Wenn die Neobank und Investmentplattform es dabei schafft, mit diesen günstigen Preisen einerseits durch schlanke digitale Prozesse nicht nur ausreichend Geld zu verdienen, sondern auch ein ähnlich hohes Servicelevel und Zuverlässigkeit zu gewährleisten wie dies etablierte Banken tun, könnte die Rechnung aufgehen.tw

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