Mobiles Bezahlen ist nur der Anfang: Alipay – ein digitales Ökosystem wartet auf neue Kunden
Es klingt zunächst mal nicht bedrohlich: Der Schweizer Zahlungsdienstleister SIX Payment Services öffnet seine Terminals für die chinesische Bezahllösung Alipay. Chinas größter Anbieter im mobilen Zahlungsverkehr erhält damit Zugang zu rund 220.000 Händlern in der Schweiz, Luxemburg, Österreich und Deutschland. Damit ziele das Unternehmen auf chinesische Touristen, so die Beteiligten. Doch im Hintergrund spinnt Alipay ein immer dichteres Netz an Kooperationen.
Geht es wirklich nur um chinesische Urlaubseinkäufe?
von Florian Bongartz
Alipay kooperiert bereits mit der französischen Großbank BNP Baribas, der italienischen UniCredit sowie Barclays in Großbritannien. Deutschlands größter Kreditkarten-Acquirer Concardis arbeitet schon seit Sommer diesen Jahres mit Alipay zusammen. Auch Wirecard mischt in dem Geschäft mit. Händler müssen dafür nicht mal ein chinesisches Konto eröffnen, sondern erhalten ausstehende Zahlungen direkt durch die deutsche Wirecard Bank AG. SIX setzt dagegen auf einen QR-Code, um Einkäufe zu bezahlen. Die technischen Details sind nach Angaben des Unternehmens noch nicht geklärt. Doch die Lösung solle für Händler so einfach wie möglich sein und sowohl im Laden an ep2-Terminals als auch online via Saferpay verfügbar gemacht werden.Alipay als schnell wachsende Zahlungsplattform gehört unbedingt in unser Portfolio.“
Jürg Weber, Division CEO von SIX Payment Services
Alipay nimmt Apple, Google & Co. ins Visier
In seinem Heimatland China verfügt Alipay über einen Marktanteil von 80 Prozent bei Online- und 50 Prozent bei Offline-Zahlungen per Smartphone. 450 Millionen Nutzer sind beim führenden Zahlungsdienst im Reich der Mitte registriert. Und diese Klientel wird zunehmend reiselustig. 2015 sind bereits 120 Millionen chinesische Touristen unterwegs gewesen. In den kommenden Jahren rechnet die Reisebranche mit Zuwachsraten von 18 Prozent. Einfache Bezahldienste anzubieten, sei deshalb auch für europäische Händler lukrativ, sagt Alipay. Immerhin hätten chinesische Urlauber 2015 weltweit umgerechnet gut 292 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Auch Deutschland profitiere – rund zwei Millionen Chinesen gäben pro Person und Jahr rund 3.000 Euro allein fürs Shoppen aus.
Diese Kunden möchte Alipay mit Hilfe von SIX auch im Ausland binden. Doch die europäische Alipay-Chefin erklärt, dass es nicht nur darum geht, bestehenden Kunden im Ausland gewissermaßen hinterher zu reisen. Das Unternehmen verfolgt auch eine strategische Agenda, die sich durchaus als Angriff auf Apple, Google und Co. verstehen lässt. Alipay möchte aufschließen und sich als Global Player für digitale Zahlungsdienste etablieren.Als unsere bevorzugte Partnerin unterstützt uns SIX dabei, Alipay zu einem wirklich global akzeptierten Zahlungsdienst weiterzuentwickeln.”
Rita Liu, Head of Alipay Europe
Ein digitales Ökosystem wartet auf neue Kunden
Hinter Alipay steckt jedoch viel mehr als nur ein mobiles Bezahlsystem. Das Schlüsselwort lautet: Digitale Inklusion. Selbst lokale Angebote wie Gas, Strom oder Stadtwerke sind in die App eingebaut. Ähnlich wie Apple mit seinen digitalen Diensten iCloud, App-Store und den dazu passenden Geräten schafft Alipay ein eigenständiges Ökosystem, das der Nutzer selbst für Vorschläge, Bewertungen oder Spartipps nicht mehr zu verlassen braucht. Services rund um das Bezahlen machen die App mittelfristig für Kooperationspartner attraktiv. Apple Pay, Google Wallet oder das von deutschen Sparkassen vorangetriebene PayDirekt sind dagegen auf das Bezahlen beschränkt.
Das wollen sich Alipay und SIX jetzt zunutze machen. Im Gespräch sind Mehrwertdienste für Händler, um zunächst die chinesische Kundenzielgruppe besser zu erreichen. Sonderangebote und Empfehlungen lassen sich beispielsweise direkt in die App einspielen. Das ermöglicht Unternehmen viel mehr, als bloß eine zusätzliche Bezahlmöglichkeit anzubieten. Kunden lassen sich so aktiv ansprechen. Und genau das vermag in einem Land wie Deutschland, dessen Bewohner sich für Geldtransfers per Smartphone nur schwer erwärmen können, neue Impulse zu schaffen.
In diese Kerbe schlägt auch eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Demnach sei in Deutschland auch 2020 allenfalls mit einem Pro-Kopf-Umsatz beim mobilen Bezahlen von bescheidenden 46 Euro zu rechnen. Enge Margen würden zudem dafür sorgen, dass nur drei bis fünf Anbieter am Markt überleben.
Mit Zusatzdiensten den Markt aufrollen
PwC empfiehlt deshalb, mobile Bezahllösungen im Verbund mit zusätzlichen Services einzuführen und in einem mobilen Geldbeutel zusammenzufassen. Genannt werden beispielsweise Coupons, Tickets, Gutscheine, Ausweise oder Bonus- und Treuekarten. Also genau das, was Alipay schon heute bietet und nicht nur auf die eigenen Dienste beschränkt. Der elektronische Helfer auf dem Smartphone hat sich als Universal-App etabliert. Außerhalb des Heimatlandes fehlt jedoch die technische Infrastruktur, um die verfügbaren Dienste anschlussfähig zu machen, eventuell eines Tages auch für europäische Partner. Der Zahlungsdienst ist deshalb zwar für den Moment der wesentliche, allerdings bei weitem nicht der entscheidende Brückenpfeiler. Alipay selbst spricht von seiner App als einem „Lifestyle-Enabler“ und sieht den Zahlungsverkehr nur als ersten Schritt.
Der Zeitpunkt ist gut gewählt. In Deutschland dümpeln selbst Platzhirsche wie Paypal, das immerhin mehr als 80 Prozent kennen, bei gerade mal 19,6 Prozent Marktanteil am Onlinegeschäft. Rechnungskauf, Lastschrift und Kreditkarten überwiegen – noch. Denn obwohl gerade mal 30 Prozent der Deutschen überhaupt mobile Bezahloptionen ausprobiert haben, wollen weitere 36 Prozent das noch tun, schreibt PwC.Der Financial Times sagte ein Sprecher, es liege auf der Hand, als nächstes Verbraucher weltweit zu adressieren und nicht nur chinesische Reisende und Expats in anderen Ländern.”
Drachentöter aus Fernost –
Alibaba im Schlepptau von Alipay
Hierzulande ist das Potenzial für mobiles Bezahlen insgesamt also noch nicht mal zur Hälfte ausgeschöpft.
Und wenn die letzten Smartphone-Muffel erwachen und endlich mobil bezahlen wollen, hat der Handel die chinesische Kundschaft bereits erschlossen und Alipay damit die Infrastruktur ermöglicht, die es braucht, um sich still und leise an den übrigen Zahlungsdiensten vorbeizudrängen. Selbst den eingangs erwähnten Bankhäusern bleibt da nur die Rolle als Dienstleister. Innovation entsteht woanders.
Und wo die herkommt, wartet schon der nächste Gigant, der sich mit Alipay möglicherweise den perfekten Türöffner für einen Markteintritt ganz anderer Größenordnung geschaffen hat. Die Rede ist von Alipays Muttergesellschaft Alibaba. Das am ehesten mit einem chinesischen Amazon zu vergleichende Unternehmen hat im Onlinehandel an nur einem einzigen Aktionstag fast 18 Milliarden Dollar Umsatz erzielt – größtenteils mit Bestellungen vom Smartphone.Florian Bongartz
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