Apple Pay Deutschlandstart 2017 – der Faktencheck
Noch etwa drei Wochen bis zur Präsentation des iPhone 8 … und schon schießen wieder die Gerüchte für einen baldigen Start von Apple Pay in Deutschland in die Höhe wie Unkraut. Was ist dran? Rudolf Linsenbarth macht den Faktencheck.
von Rudolf Linsenbarth
Begonnen hatte es diesmal mit einer Meldung des Magazin MacRumors. Der Entwickler Philipp Ebener hat beim Installieren einer Beta Version des kommenden iOS 11 eine Aufforderung zur Registrierung von Apple Pay gefunden. Alle weiteren Meldungen beriefen sich danach auf diesen einen Artikel.Das kann man aber im Angesicht der bisherigen Historie nur als „weichen Faktor“ bezeichnen. Ähnliche „Bugs“ hatte es im vergangenen Jahr bereits mehrfach gegeben. Sei es, dass irgendwelche Landkarten auf Apple Pay Webseiten verändert waren oder plötzlich auftauchende deutschsprachige Menüs.
Für all das gab es mehr oder weniger befriedigende Erklärungen.
Vielleicht spielt Apple das Thema einfach geschickt, um das Interesse an Apple Pay wachzuhalten oder zur Messung der Resonanzwellen.”
Urlaubssperre wegen Apple Pay?
Interview von Rudolf LinsenbarthRudolf Linsenbarth ist Senior Consultant für den Bereich Mobile Payment und NFC bei COCUS Consulting. Zuvor war er elf Jahre im Bankbereich als Senior Technical Specialist bei der TARGO IT Consulting (Crédit Mutuel Bankengruppe). Linsenbarth ist einer der profiliertesten Blogger der Finanzszene und kommentiert bei Twitter unter @holimuk die aktuellen Entwicklungen. Alle Beiträge schreibt er im eigenen Namen.Gestern nun meldete der Berliner Anwalt Ehssan Khazaeli, dass ein Bekannter aus der IT-Abteilung einer Bank an einem geheimen Projekt für Apple Pay arbeitet. Dazu gibt es eine Urlaubssperre, die just auf den Terminzeitraum fällt, in dem das neue iPhone erwartet wird. Er liefert weiterhin eine Erklärung für die im obigen Absatz dargestellten Phänomene. Im Prinzip sollte Apple Pay eigentlich schon i2016 hier in Deutschland starten, leider hatte man aber die technischen Schwierigkeiten unterschätzt. Allerdings, wenn man im Herbst 2016 kurz davor war, dann hätte es seither genug Möglichkeiten gegeben, den Launch durchzuführen. Die jährliche iPhone-Präsentation ist schließlich nicht der einzige Zeitpunkt für den Start von Apple Pay.
Gibt es außer diesen beiden Meldungen noch weitere Indizien, dass es dieses Jahr wirklich losgeht? Im Prinzip nicht wirklich. Fassen wir das Bekannte zusammen und gehen die möglichen Kandidaten sukzessive durch:
Was genau braucht eine Bank für Apple Pay?
Damit eine Bank Apple Pay anbieten kann, muss sie drei Voraussetzungen erfüllen. Erstens: Sie muss bereit sein, die Kartenerlöse mit Apple zu teilen und akzeptieren, dass die Kalifornier auch das Kunden-Frontend kontrollieren. Zweitens: Die Karten-Backend-Systeme müssen mit den Tokenisation-Systemen von Mastercard und VISA verbunden werden. Drittens: Benötigt man eine Datenverbindung, um das Hinzufügen einer Karte in Apple Pay autorisieren zu können.
Wie hoch ist die Startwahrscheinlichkeit der Banken?
Wirecard BOON
Wirecard gehört zu den Apple-Vorreitern in Europa. Die Einführung von Apple Pay in Deutschland dürfte für das Münchener Unternehmen nur einen Klick weit entfernt sein. Die Info, wie viele Kunden aus Deutschland Apple Pay schon jetzt über den Umweg Frankreich nutzen, wird man in Cupertino bestimmt mit großem Interesse verfolgen. An diesen Zahlen wäre wahrscheinlich die gesamte Payment-Branche interessiert!
Startwahrscheinlichkeit 100%
N26 – Smartphone Bank
Das FinTech-Startup hat den Apple-Pay-Start für den Herbst dieses Jahrs in Frankreich, Italien und Spanien angekündigt. In punkto Vorbereitung kann man hier also einen Haken dranmachen. Jetzt wäre die Frage, warum bringen die Apple in diesen Ländern nicht jetzt schon? Die N26-Kunden scharren in den sozialen Medien mit den Füßen. Durch die Kunstpause werden sie nur verärgert und dabei BOON von Wirecard in die Arme getrieben. Der einzig logische Grund ist also, man will einen Apple-Pay-Start aus einem Guss, eben auch einschließlich Deutschland. Nicht zuletzt sind hier die meisten der 500 000 N26-Kunden. Startwahrscheinlichkeit 100%
Santander
Die spanische Bank erfüllt bereits alle Voraussetzungen und hat bereits in drei Ländern gezeigt, dass man gewillt ist, sich auf die Bedingungen von Apple einzulassen. Startwahrscheinlichkeit 90%
Comdirect
Die Comdirect hatte bereits im Juli 2016 einen vollmundigen Tweet, zum Start von Apple Pay wolle man auf jeden Fall dabei sein. Das haben andere (siehe unten) auch schon gesagt. Aber die Comdirect ist eine Direktbank, die im scharfen Wettbewerb zu N26 steht und auf jeden Fall reagieren muss. Aber vielleicht hat die Comdirect-Mutter Commerzbank ganz ähnliche Pläne.
Startwahrscheinlichkeit 80%
DKB
Bereits in diesem Frühjahr auf der Profitcard gab es einen interessanten Screenshot. Die DKB hat in der Vergangenheit immer den Mut bewiesen, Vorreiter bei Innovationen zu sein. Außerdem ist die DKB Herausgeber eines interessanten Kreditkartenportfolios, dazu gehört auch die Lufthansa Miles & More Karte. Zu guter Letzt hat die Bank ihren Firmensitz in Berlin und damit am Wohnort von Herrn Khazaeli. Vielleicht ist ja der besagte Informant Mitarbeiter der DKB?
Startwahrscheinlichkeit 90%
ING-DiBa
Die ING-DiBa hat wie Comdirect und DKB ein großes Interesse daran, N26 auf Abstand zu halten und außerdem will man den Vorsprung gegenüber den beiden anderen Mitbewerbern nicht verlieren. Allerdings liegen keine Gerüchte zum aktuellen Status vor. Falls das Unternehmen wirklich an Apple Pay arbeitet, ist die Geheimhaltung gut gelungen. Falls nicht, hat man möglicherweise den entscheidenden Moment verpasst.
Startwahrscheinlichkeit 70%
Deutsche Bank
Ob die Deutsche Bank mit Apple eine kommerzielle Übereinkunft getroffen hat, ist nicht bekannt. Allerdings der zweite Schritt, die Anbindung an das Mastercard-Tokenisation-System ist gemacht. Das sind bereits mehr als zwei Drittel des Weges bis zur Apple-Pay-Vollintegration. Gut möglich, dass an der letzten Wegstrecke gerade intensiv gearbeitet wird.
Startwahrscheinlichkeit 80%
Commerzbank
Auch die Commerzbank setzt seit neuestem auf die Debit Mastercard und wenn die Tochter Comdirect dabei ist, will die Mutter bestimmt nicht nur hinterherlaufen. Zudem hat das IT-Finanzmagazin aus mehreren unabhängigen Quellen erfahren, dass die Commerzbank einen Android-Pay-Launch für dieses Jahr plant. Wenn man Android Pay sagt, ist es bis Apple Pay auch nicht mehr allzu weit.
Startwahrscheinlichkeit 80%
Postbank
Während die Mutter, die Deutsche Bank, bereits mit ihrem Mobile Payment seit einigen Monaten am Markt ist, befindet sich die Postbank seit 3 Jahren im Ankündigungsmodus. Das wird hier eher noch ein wenig dauern.
Startwahrscheinlichkeit 50%
Sparkassen
Bereits im Jahr 2014 zum Start von Apple Pay, verkündetet Sibylle Strack: “Wenn das System in Deutschland eingeführt wird, kommt Apple an den Sparkassen nicht vorbei”! Wahrscheinlich wird sie nicht Recht behalten. Denn wie es ausschaut, sind die Sparkassen technisch noch nicht fertig. Dass so eine große Einheit mit sehr verteilten Entscheidungsstrukturen das Projekt völlig im Verborgenen vorbereitet, ist doch sehr unwahrscheinlich. Auch wird das Projekt girocard mobile erhebliche Ressourcen binden.
Startwahrscheinlichkeit 20%
Genossenschaftsbanken
Der BVR befindet sich in einer ähnlichen Lage wie Sparkassen. Allerdings sind hier bereits die Strukturen gestrafft worden, mit der DZ Bank gibt es nur noch ein Spitzeninstitut, mit der Fiducia nur noch einen IT-Dienstleister und mit der CardProcess nur einen Kartenprozessor.
Startwahrscheinlichkeit 30%
TARGOBANK
Die Targobank hat einen Geschäftsschwerpunkt bei der Vergabe von Verbraucher Krediten, genau wie die Santander Bank. Daher hat man in der Vergangenheit immer sehr genau beobachtet, was der Wettbewerber macht. Es könnte aber diesmal sein, dass der Angriff aus Mönchengladbach nicht sofort pariert wird. Die Begeisterung der französischen Mutter Credit Mutuel für Apple Pay hält sich doch in sehr engen Grenzen. Obwohl man dort seit einem Jahr dabei sein könnte, sieht es in Straßburg nicht nach einem zügigen Sinneswandel aus. Da hilft auch das große Kreditkarten-Portfolio, das man von der ehemaligen Karstadt Quelle Bank Valovis übernommen hat, nichts. Das Karten-Processing erfolgt in Frankreich und dort müssen die Anpassungen vorgenommen werden.
Startwahrscheinlichkeit 20%
AirPlus
AirPlus befindet sich in der komfortablen Lage, überwiegend Karten für Geschäftskunden herauszugeben. Damit ist das Unternehmen nicht von der Regulierung der Interbanken-Entgelte betroffen und kann die von Apple geforderte Gebühr recht gut verkraften. Als relativ kleiner Karten-Emittent fliegt man meist unterhalb des Radars. Daher gut möglich- dass man hier Vollzug melden kann. Businesskunden sind zudem recht anspruchsvoll und erwarten zeitnah die neusten Features.
Startwahrscheinlichkeit 90%
American Express
American Express befindet sich als 3-Parteien-System ebenfalls außerhalb der Regulierung. Im Augenblick sind dort erhebliche Bauarbeiten im Backend zu Gange. Möglich, das diese mit einem baldigen Start von Apple Pay zusammenhängen.
Startwahrscheinlichkeit 80%
Das Fazit
Auch wenn nicht alle der oben erwähnten Banken auf den baldigen Start von Apple Pay hinarbeiten, die kritische Masse für den Deutschland-Start wird auf jeden Fall erreicht. Die Chancen liegen derzeit wieder über 50%. Wenn ja, Chapeau, wie gut es Apple bisher gelungen ist, die Geheimhaltung zu wahren.”
Auch wenn nicht alle der oben erwähnten Banken auf den baldigen Start von Apple Pay hinarbeiten, die kritische Masse für den Deutschland-Start wird auf jeden Fall erreicht. Die Chancen liegen derzeit wieder über 50%. Wenn ja, Chapeau, wie gut es Apple bisher gelungen ist, die Geheimhaltung zu wahren.”
Falls bis zum Apple-Event noch jemand sachdienliche Hinweise beisteuern möchte: Apple-Pay-Geruechte@holimuk.de. Zur Sicherheit: Wir (IT Finanzmagazin) nehmen den Schutz unserer Quellen selbstverständlich sehr ernst!
Das letzte Wort gehört Duke Matthias, der auf Twitter geschrieben hat: „Schön, wenn nach der #Apple Keynote schon wieder ganz Deutschland enttäuscht ist. Ich freu mich!“
Na und ich bin dann ein fairer Verlierer und freue mich auf den 17. November. Prost!Rudolf Linsenbarth
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