Vielen Banken fehlt das Konzept, on- und offline zu verbinden – Interview Christian Brüseke (Avoka)
Beim digitalen Vertrieb hängen deutsche Banken im internationalen Vergleich hinterher – sagt Avoka in seiner vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie. Das wollten wir genauer wissen und haben bei Christian Brüseke (General Manager bei Avoka) nachgefragt, woran das liegt und wie sich das ändern lässt.
Herr Brüseke, Sie sagen in Ihrer Studie, dass Banken in den vergangenen Jahren große Expertise im digitalen Marketing aufgebaut hätten – es aber im digitalen Vertrieb der Produkte und Services haken würde. Warum?
Einer der Hauptgründe ist der Background der Banken: Die meisten sind einfach keine reine Online-Bank, die sich voll auf den Online-Channel fokussieren kann. Im Gegenteil, wir haben noch viele Filialbanken, die aus dem historisch gewachsenen Umfeld kommen.Diesen fällt es oft schwer, sich voll zum Online-Channel zu bekennen.
Da sie ihre Mitarbeiter in den Filialen nicht hängen lassen wollen, treiben sie die digitalen Services nur mit gebremsten Schaum voran. Sie stellen also eher eine Mischung von Online- und Filialbank dar, die das Thema Online nur gezwungenermaßen aufgreift, anstatt darin die Zukunft zu sehen.”
Hinzu kommt, dass vielen Banken das Konzept fehlt, wie man beide Welten miteinander verheiratet, also das Alte pflegt, ohne das Neue zu vernachlässigen. Das es dann nicht einfach ist, Themen wie Onboarding und Mobile Banking mit dem Filialbereich zu verketten, liegt auf der Hand.
Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf?
Im internationalen Vergleich konnten deutsche Banken bei der Bedienungsfreundlichkeit und Vermarktung ihrer Produkte weitgehend überzeugen. Insgesamt liegen sie aber – vor allem im Vergleich zu Banken aus Australien und den USA – bei der „Digital Readiness” eher im Hintertreffen.
Den größten Nachholbedarf sehe ich in der Bereitstellung und Anbindung an die Kernbankensysteme der Bank und in der Digitalisierung der Backoffice Funktionen.”
So hat man als Kunde, wenn man sich die Frontend-Seite ansieht, ein tolles Erlebnis. Das sieht alles sehr professionell aus. Wenn man hinter den Vorhang schaut, dann sieht man, dass dort viele manuelle Arbeitsprozesse existieren, die eigentlich längst digitalisiert hätten werden müssen.
Unglaublich aber wahr, trotz Machine Learning und Artificial Intelligence sind auch im Jahr 2018 Bankmitarbeiter/innen damit beschäftigt, Daten abzutippen und diese in Backend-Systeme einzugeben. Das Automatisierungspotenzial hier ist gigantisch.”
In der Studie sagen Sie auch, dass das Smartphone Bank-Interface immer stärker an Bedeutung, gewinnen würde und berührungslose Bezahlmöglichkeiten sich durchzusetzen scheinen. Erstaunlich fand ich die 34 Prozent (Produkte für Privatkunden auch mobil). Nicht mehr? Weltweit gesehen ist das der letzte Platz. Meinen Sie, dass die deutschen Banken geschlafen haben?
Ja, haben sie. Sie haben das Potenzial und die Entwicklung des mobile Bankings unterschätzt. 34% ist gut, aber was genau bedeutet die Zahl? Bedeutet es, dass ich den Service digital nutzen kann oder bedeutet es, dass ich mir lediglich anschauen kann, wie das Produkt gestaltet ist? Klar, Kontostand und Aktiengeschäfte, all das geht seit 10 Jahren online und auch mobil. Aber je komplexer das Produkt wird, um so unwahrscheinlicher ist es, dass ich es mobil erwerben bzw. nutzen kann.
Aus Erfahrung weiß ich, dass die Banken es völlig unterschätzt haben, dass die Kunden ihr Mobiltelefon als single point of touch für Bankgeschäfte nutzen wollen. Und selbst wenn 34% der Services voll digitalisiert und mobil nutzbar wären, auch 34% sind einfach zu wenig.”
Bei der digitalen Verfügbarkeit von Produkten ist das Privatkundengeschäft sicher der Vorreiter. Sind Privatkunden generell affiner gegenüber rein digitalen Produkten?
Das Firmenkundengeschäft ist in einer gewissen Art und Weise deutlich komplexer als das Privatkundengeschäft. Alleine schon aufgrund des “Know Your Customer-Prozesses” (KYC), den die Banken durchführen müssen.”
Firmenkunden sind beim Thema Digital Services daher nicht besonders verwöhnt. Sie sind auch eher wechselunwillig und damit bis zu einem gewissen Punkt leidensfähig. Die Digitalisierung von Prozessen für Firmenkunden verändert sich daher auch nur sehr sehr langsam. Die Anforderung von Firmenkunden, mehr zu digitalisieren, Lösungen schneller zu bekommen und Prozesse schneller abzuschließen, wächst erst langsam.
Omnichannel wird ja seit Jahren gefordert – ich erinnere mich immer wieder gerne an Vorträge von Professor Penzel (ibi), der das – ich weiß schon gar nicht mehr wie lange – predigt. Wenn ich Ihre Studie ansehe, dann hat sich da nicht viel getan. Steht dem ‘Omnichannel’-Thema eher technische oder organisatorische Fragen im Weg?
Es hapert sowohl an der technischen Umsetzung als auch an der Organisation innerhalb der Bank.
Auf technischer Seite ist das Problem, dass sie es gewohnt sind, mit ihrer IT und den internen Teams fast alles alleine zu stemmen.”
Aber neue bankuntypische Abläufe bekommen sie mit dem vorhandenen Know-how alleine nicht schnell genug umgesetzt. Dennoch haben sie Hemmungen, auf externe Partner wie uns zuzugehen. Auf der organisatorischen Seite ist das Thema Security verschärft durch die DSGVO ein Hemmschuh. Aus Sicherheitsgründen möchten viele Banken gar nicht, dass die Daten auf mobilen Endgeräten zwischengespeichert werden.
Ein grundlegendes Problem bei all den Facetten ist die Sicht der Banken. Sie müssen aufhören, ihre Prozesse aus Bankenperspektive zu sehen.”
Eine gute Customer Experience und moderne Abläufe lassen sich nur realisieren, wenn sie anfangen, die Prozesse und Abläufe aus Kundensicht zu sehen und vor allem zu implementieren. Wir haben tolle Prozesse aus Banksicht, aber aus Sicht des Kunden sind das leider gar nicht so tolle Prozesse.
Herr Brüseke, vielen herzlichen Dank für die Einordnung!aj
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