Wer gewinnt, wer verliert? Der “Bankenreport Deutschland 2030” in der Executive-Zusammenfassung
Die Unternehmensberatung Oliver Wyman hat den neuen „Bankenreport Deutschland 2030 – Noch da! Wie man zu den 150 deutschen Banken gehört“ veröffentlicht. Darin bescheinigt er den Banken, dass es ihnen bis jetzt gelungen ist, die Erträge (inklusive eines relativ stabilen Zinsüberschusses) stabil zu halten und ihre Kosten zu senken. Einher geht dies, aufgrund der Überkapazitäten im Bankenmarkt, mit einer geringen Profitabilität. Dies wiederum ist die Ursache für eine Verschlankung der Strukturen, welche die Namen Zentralisierung, Fusion, Prozessoptimierung und Geschäftsstellenschließung tragen. Aus seiner Sicht deutet noch wenig darauf hin, „dass sich das typisch deutsche Markt- und Konsolidierungsmuster“ entscheidend ändert. Die viel diskutierte Studie in der Interpretation.
von Michael Mayer, Dilligentia
Neben Privatbanken, öffentlich-rechtlichen Instituten und Genossenschaftsbanken etabliert sich eine 4. Säule im deutschen Bankenmarkt, die aus einer Gruppe von Auslandsbanken, FinTechs, Marktinfrastrukturanbietern und überwiegend globalen Technologieunternehmen besteht. Diese 4. Säule ist kein tragender Stützpfeiler, sondern eine Gruppe von Angreifern auf die traditionellen Geschäftsmodelle.Evolution oder Disruption?
Daraus leitet Oliver Wyman für die nächsten 10-15 Jahre zwei Szenarien ab – eine Evolutionsszenario und ein Disruptionsszenario. Die Veränderungstreiber kommen hierbei aus 4 Bereichen: Technologie und Innovation, Kundenverhalten und Innovation, politisch/regulatorisch und makro-/sozioökonomisch. Die Konstante bei beiden Szenarien ist der Trend zu einer zunehmenden Modularisierung.
Strategisch gesehen haben Banken in diesem Umfeld zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist die eines Modullieferanten, dessen Angebot auf Wissens- und Skalenvorteilen basiert. Die andere Möglichkeit ist die des „Orchestrators“, der die Schnittstelle zum Kunden kontrolliert und diesem Produkte/Module aus eigener und fremder Produktion anbietet.
Regionalbanken stehen dabei beide Optionen offen
Als „Orchestrator“ müssen sie die geographische Nähe zum Kunden nutzen, um sich zum unverzichtbaren Bestandteil im Ökosystem der Region weiterzuentwickeln. Als Modularlieferant/Zulieferer müssen sie sich auf ein klar definiertes Dienstleistungsportfolio beschränken. Regionale Banken besitzen ggf. im letzten Szenario, da dieses auf Skaleneffekten und einer kontinuierlichen Erneuerung des Produktportfolios beruht, Nachteile. Banken, welche diese strategische Ausrichtung nicht kurzfristig einleiten und umsetzen, werden zum Konsolidierungsopfer – zur „Telefonzelle des 21. Jahrhunderts“.
Aktuell gibt es noch ca. 1.600 Banken in Deutschland. Im Evolutionsszenario prognostiziert der Report innerhalb der nächsten 10-15 Jahre eine Reduktion der Banken auf 300 und im Disruptionsszenario auf 150 Stück. Sollte die Entwicklung sich beschleunigen, was nicht ausgeschlossen erscheint, sinkt die Zahl auf 150 im Evolutionsszenario und 80 im Disruptionsszenario.”
Quo Vadis?
Aus Sicht von Wyman müssen die Banken, um zukünftig bestehen zu können, vor allem zwei Kompetenzen trainieren. Und damit sind wir wieder bei meinen Lieblingsthemen und vermeintlich „weichen“ Faktoren: Klarer strategischer Fokus, Werte, Verhaltenssteuerung, Selbststeuerung und Selbstorganisation.
Damit Banken in diesem volatilen, komplexen und unberechenbaren Umfeld sich nachhaltig positionieren können, müssen Sie lt. Wyman
1. ihre Organisation in kultureller Flexibilität trainieren2. ihre Fähigkeit zur Innovation verbessern, um neue Lösungen in alternativen Szenarien zu ermöglichen
Beides Punkte, die vor allem eines benötigen – eine Veränderung im Mindset der Bankmitarbeiter, beginnend bei den Führungskräften. Fatal dabei: Die wenigsten Banken sind bisher in einen strukturierten Prozess eingetreten, die dafür notwendigen Veränderungen zu identifizieren, zu initiieren und durchzuführen!
Im Bereich kulturelle Flexibilität sieht Wyman folgende, drei wesentlichen Handlungsfelder:
1. Der Klassiker 1 – die Bank-KundenbeziehungBei für den Kunden elementaren Themen wie der Baufinanzierung oder bei komplexen Firmenkundenfinanzierungen wird die persönliche Beratung an Bedeutung gewinnen. Es benötigt Berater, die über eine hohe Empathie und exzellente Produktkenntnisse verfügen und, unter Nutzung der technischen Möglichkeiten, optimale Lösungen für den Kunden schaffen. Aufgrund der bisherigen überwiegend prozessgesteuerten Tätigkeit der Berater und begrenzender Stellenbeschreibungen ist die Kombination dieser Fähigkeiten in einer Person in der Praxis eher selten. 2. Der Klassiker 2 – Mitarbeiterentwicklung
Für die Kundenberatung ist ein tiefergreifendes Verständnis über die Nutzungsmöglichkeiten neuer Technologien notwendig, um dem Kunden umfassend und lösungsorientiert beraten zu können. Dies bedingt auch neue Formen der Zusammenarbeit, agil und in interdisziplinären Teams. Zwar werden Mitarbeiter in diesen Bereichen, wie in der Vergangenheit, „passiv beschult“, jedoch Sinn und Zweck der Maßnahmen der Belegschaft nicht deutlich genug kommuniziert! Wie sehen die verändernden Qualifikationsanforderungen aus, welche Auswirkungen hat dies auf die Mitarbeiter, die Zusammenarbeit und den Umfang der Belegschaft? Die offene Kommunikation dieser Anforderungen ist aus meiner Sicht wesentlich für eine notwendige, zielorientierte Verhaltensänderung. 3. Innovationsfreundliches Klima
Hierarchische Strukturen, viele Organisationsanweisungen, gesetzliche Restriktionen, exakte Stellenbeschreibungen und Null-Fehler-Toleranz führen zu einer starken Innenfokussierung von Banken mit vielen Blindleistungen, die keinen Kundenmehrwert generieren. Für das Bankmanagement wird es deshalb entscheidend sein, einen kontrollierten Veränderungsprozess zu planen, der die Gesamtorganisation stärker an den Kundenbedürfnissen ausrichtet.
Banken können auch Innovation – nur sie wissen es nicht
Vor allem Regionalbanken haben Größen-, Qualifikations- und Ressourcennachteile, die dafür sorgen, dass sie bestimmte Services und Produkte zukünftig nicht mehr wettbewerbsfähig anbieten können.”
Vor allem Regionalbanken haben Größen-, Qualifikations- und Ressourcennachteile, die dafür sorgen, dass sie bestimmte Services und Produkte zukünftig nicht mehr wettbewerbsfähig anbieten können.”
Angesichts dieser Perspektive erstarren Sie wie der Frosch vor der Schlange, versuchen mit alten Lösungsansätzen neue Probleme zu lösen und erkennen nicht ihre Chance.
Aus meiner Sicht liegt der USP von Regionalbanken in einem flächendeckenden persönlichen Kontakt zu den jeweiligen Kundengruppen. Hinzu kommt die Kenntnis der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Menschen und Unternehmen in der Region. Wie kann dieses Wissen für Innovationen genutzt werden? Wirkt hier der Fokus auf das reine Erbringen von Finanzdienstleistungen limitierend auf die Innovation? Was sind die wirklichen Bedürfnisse der Menschen und Unternehmen in der Region und welchen Beitrag können eine Bank und deren Mitarbeiter zu dieser Bedürfnisbefriedigung beitragen?
Will sich eine Bank als „Orchestrator“ bzw. Platzhirsch in der Region strategisch positionieren, sollte sie bei folgenden, grundlegenden und langfristigen Bedürfnissen Schwerpunkte setzen (Stichpunktartige Auflistung):
1. Nachhaltige Wirtschaft: Ökologische Unternehmen, ökologische Technik, ökologische Landwirtschaft…2. Soziales und Gesundheit: Vorsorge, Gleichberechtigung, Dorfgemeinschaft, Ernährung, Stress…
3. Institutsunabhängige Metaberatung: Erbschaft, Patientenverfügung, Unternehmensberatung…
4. Wohnen: Altersgerecht, bezahlbar, klimaneutral…
5. Klimaschutz: Erneuerbare Energien, E-Mobilität, Artensterben…
6. Bildung und Kultur: Schulen, Kindergärten, Erwachsenenbildung, Wertevermittlung…
7. Mitarbeiter: Entwicklung als Mitarbeiter und Individuum, Rolle, Verantwortung, Beitrag zur Regionalität…?
Was wäre, wenn eine Bank ihre Innovationsfähigkeit auf diese Punkte lenkt? Welche Auswirkungen hätte dies auf die Neukundengewinnung, Mitarbeitermotivation, Employer Branding und die Erschließung neuer Ertragsquellen?
Essenz
„Die Kultur eines Unternehmens wird durch die Kultur der Führungskräfte bestimmt“ (Peter Drucker). Um das Überleben zu sichern, stehen speziell die Führungskräfte vor der Herausforderung, ihre Organisation in kultureller Flexibilität und in der Fähigkeit zur Innovation zu entwickeln. Die Denk- und Verhaltensweisen von Führungskräften sind also der entscheidende Differenzierungsfaktor.
Die klassische Methode der Zielsteuerung nach harten Faktoren wie Ertrags- oder Stückzahlen (Planen, Ziele vereinbaren, Kontrolle) mit den damit verbundenen Verhaltensweisen wird diesem Anspruch nicht gerecht. Gefragt ist eine Struktur, die nachhaltige Verhaltensveränderung in Bezug auf Flexibilität, Innovation, Kundenorientierung und Regionalität ermöglicht. Eine Struktur, die Führungskräften die Angst vor Veränderung nimmt, ihnen ermöglicht ihr eigenes Verhalten unter Wahrung des Status Quo zu modifizieren und über ihre Vorbildfunktion, die Veränderung in die ganze Organisation zu tragen.Michael Mayer
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