Beta-Version angetestet: FinTech Tomorrow – die Smartphone‑Bank in der Öko‑Nische
Wenn es ein FinTech-Segment gibt, das in den letzten zwei Jahren laufend neue Anbieter hervorgebracht hat, dann sind es “Smartphone-Banken”. Pionier N26 hat mittlerweile die Millionenmarke bei den Kundenzahlen geknackt und neue Wettbewerber gehen im Monatstakt an den Start. Wer sich hier behaupten will, braucht eine klare Markenbotschaft, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Das Hamburger FinTech Tomorrow (Website) setzt hierzu voll auf das Thema Nachhaltigkeit. Aktuell ist die Beta-Testphase für Android-Nutzer gestartet – unser Autor Tobias Baumgarten ist dabei und hat sich die App einmal angeschaut.
von Tobias Baumgarten
Der Siegeszug der Smartphone-Banken scheint derzeit unaufhaltsam zu sein: Deutschlands Pionier auf diesem Gebiet, N26 aus Berlin, konnte in diesem Jahr den 1.000.000-sten Kunden begrüßen, Konkurrent Revolut aus UK vermeldet weltweit sogar das Doppelte. Dazu kommen aktuell ständig neue Wettbewerber, sodass potenzielle Kunden aus einem bunten Strauß von Angeboten wählen können. Da sind einerseits Angebote der etablierten Bankengruppen wie YOMO, Bankomo, 1822Mobile oder neuerdings MoneyYou Go. Auf der anderen Seite stehen FinTech-Angebote wie bunq, Monese oder DiPocket u.v.m. An Auswahl mangelt es also nicht, und technisch wird das schnelle und einfach On-Boarding eines Smartphone-Konto mehr und mehr zum Standard.Mit dem Onboarding allein kann man also mittlerweile kaum noch Punkte sammeln und sich vom Wettbewerb abheben. Umso wichtiger wird daher künftig eine klare Positionierung und Markenbildung.”
Tomorrow setzt auf Öko-Nische – und Altbewährtes
Und genau hier setzt Tomorrow (mehr…) an: das FinTech-Startup aus Hamburg möchte die GLS-Bank unter den Smartphone-Banken werden und setzt voll auf das Thema Nachhaltigkeit. Das ist zwar derzeit noch eine ziemliche Nische in der Finanzwelt, wie die eher homöopathischen Marktanteile von GLS, Ethikbank oder Triodos zeigen. Allerdings eine durchaus attraktive Nische, die einerseits dynamisch wächst und andererseits eine tendenziell eher besserverdienende Klientel anzieht. Nachhaltigkeit liegt in bestimmten Kreisen durchaus im Trend. Diesen Trend mit dem Megatrend Digitalisierung zu verknüpfen und ihn damit modern und sexy zu machen, könnte sich am Ende auszahlen.
Technisch setzt die App von Tomorrow in der aktuellen Phase keine neuen Trends, sondern bedient sich erprobter Standardbausteine.”
Die Onboarding-Strecke kommt dem versierten FinTech-Tester völlig vertraut vor, alles funktioniert so, wie man es gewohnt ist und es sein sollte. Alles in allem dauert das Procedere die üblichen 5 bis 10 Minuten und das Konto ist eingerichtet. Für die Videolegitimation setzten die Hamburger – wie viele andere FinTechs auch – auf die Dienste von IDNow. Ebenfalls nicht ungewöhnlich: Tomorrow setzt (noch) nicht auf eine eigene Banklizenz, sondern bedient sich der Lizenz der Berliner solarisBank.
Wie sich Tomorrow anfühlt
Tomorrow hat eine wirklich schöne App an den Start gebracht, die sich vom Design her tendenziell an der App von N26 orientiert und mit dieser messen kann. Es gibt insgesamt fünf Bereiche innerhalb der App, in die der Nutzer über die Menüleiste am unteren Bildschirmrand navigieren kann.
1. In der Übersicht finden sich der aktuelle Kontostand und die Umsatzübersicht sowie z.B. ein Hinweisbanner, über das die MasterCard aktiviert werden kann. 2. Der Tab Insights teilt sich in zwei Reiter auf. Unter “Dein Geld” erhält der Nutzer einen Überblick über seinen Einnahmen und Ausgaben in den vergangenen Monaten. Spannender ist der Reiter “Dein Impact“, in dem der Nutzer erfährt, welchen positiven Einfluss sein Konto bei Tomorrow auf die Umwelt hat. Hintergrund ist, dass Tomorrow einen Teil seiner Interchange aus der Kartennutzung für nachhaltige Zwecke spenden will.Der Nutzer bekommt hier daher aufgezeigt, wie viel CO2 eingespart, wie viel Wasser aufbereitet und wie viel Wald geschützt wurde.”
In der aktuellen Beta-Phase scheinen hier noch Platzhalter zum Einsatz zu kommen, später dürfte dieser Tab aber ein wesentliches Kundenbindungsinstrument für die eigenen Zielgruppe sein.
3. Unter Zahlungen können derzeit ausschließlich Überweisungen vorgenommen werden. Ungewohnt ist, dass vor der eigentlichen Überweisung erst einmal ein Kontakt angelegt und gespeichert werden muss. Das erleichtert allerdings eventuelle erneute Zahlungen an denselben Empfänger. Für die Freigabe der Überweisung wird aktuell eine TAN per SMS an die Mobilfunknummer geschickt, die dann manuell in die App übertragen werden muss. Unter Sicherheitsaspekten (Stichwort: Kanaltrennung) ein gewagtes Unterfangen. Hier muss definitiv noch nachgebessert werden. 4. Der Bereich Ecosystem ist derzeit noch verwaist und mit “Coming Soon” betitelt. Man darf gespannt sein, welche Zusatzangebote Tomorrow hier künftig anbieten wird. 5. Der letzte der fünf Bereiche ist der Punkt Mehr. Hier findet der Nutzer seine Bankverbindung sowie die Einstellungen. Hier können u.a. Karten aktiviert, ge-/entsperrt sowie ihre PIN geändert werden.Aktuell ganz klar noch eine Beta-Version
Mehr geht Stand heute (14.09.2018) noch nicht, man merkt also deutlich, dass es sich aktuell noch um eine Beta-Version handelt. Einige Kernleistungen eines klassischen Girokontos fehlen derzeit noch, so z.B. insbesondere Daueraufträge, Terminüberweisungen oder ein Dispo. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Basics bis zum offiziellen Start von Tomorrow vorhanden sein werden. Auch Gemeinschafts- oder Geschäftskonten sind derzeit noch nicht im Angebot.
Aktuell gibt es also lediglich ein Basis-Variante eines Guthabenkontos. Das ist in einem bestimmten Rahmen kostenlos, erst bei vielen Überweisungen oder Barabhebungen fallen laut Preisverzeichnis von Tomorrow Kosten an. Die Gründer haben also aus den Fehlern von N26 gelernt und setzen von Anfang an auf eine Fair-Use-Bepreisung.
Laut FAQs ist allerdings auch eine Premium-Version des Kontos in Arbeit, das gegen einen Preis eine “Reihe von zusätzlichen Funktionen” bieten soll. Hier feilen wir gerade an letzten Details, sowohl was den Preis als auch die Leistungen angeht.“
Spannend dürfte auch die Frage werden, ob und ggfs. wann Tomorrow die Mobile-Payment-Dienste Google Pay und Apple Pay unterstützen wird. Für die eigene Kundenzielgruppe, tendenziell umweltbewusste Großstadt-Hipster dürften diese Angebote durchaus relevant sein. Andererseits stehen beide Technologie-Giganten für Vieles, aber definitiv nicht für Nachhaltigkeit. Diese Frage könnte also gewissermaßen eine Art Lackmus-Test dafür werden, wie ernst es Tomorrow mit dem Thema Nachhaltigkeit nimmt.
Der Ausblick auf die Tomorrow-Entwicklung
Ob und in welchem Maße sich Tomorrow am Ende am Markt durchsetzen wird, wird spannend zu beobachten sein. Der Wettbewerb rund ums Girokonto ist hierzulande gewaltig, Preise und Margen daher dünn. Zudem startet man zwei Jahre nach dem Platzhirschen N26 in einen Nischenmarkt “Smartphone-Konten”, der weitgehend verteilt scheint. Spannend ist allerdings die Positionierung in der Nachhaltigkeitsnische, wo man allerdings etablierten Spielern wie GLS und Ethikbank Konkurrenz macht.
“Durch das deutlich hippere Auftreten, das attraktive Preismodell und ein smartes Marketing besteht aber durchaus die realistische Chance, eine junge, urbane Zielgruppe anzusprechen und neu für den Nachhaltigkeitstrend zu begeistern.”
Damit könnte Tomorrow diese Nische einerseits größer machen und Kunden gewinnen, ohne GLS & Co. damit zu schaden und sich gleichzeitig von Platzhirschen wie N26 und Revolut abgrenzen.aj
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