STRATEGIE8. Oktober 2018

Business Intelligence: Performancesteigerung durch Plattformlösungen – und passende Prozesse

Business Intelligence Experte: Dr. Michael Seibold, Berg Lund & Company
Dr. Michael Seibold, Berg Lund & Company (BLC)BLC

Aktuelles und direkt zugängliches Branchen- und Unternehmenswissen ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für erfolgreiches Firmenkunden­geschäft. Business Intelligence-Plattformlösungen können die Performance erheblich steigern – wenn sie richtig in die Beratungsprozesse integriert werden. 

von Dr. Michael Seibold, BLC und Ludwig Eickemeyer, Handelsblatt Research Institute

Aktuelles und relevantes Marktwissen ist im umkämpften Firmenkundengeschäft der Banken und Sparkassen doppelt wichtig. Einerseits fachlich: Ein Berater, der für ein Unternehmen optimale Finanzpläne aufstellen will, muss die Ist-Situation der Firmenkunden und ihrer Branche ebenso kennen wie die sich ihrer Branche anbahnenden Trends, also die Chancen und Herausforderungen von morgen.

Ludwig Eickemeyer ist Director Business Intelligence im Handelsblatt Research InstituteHandelsblatt Research Institute

Dieses Wissen ist aber auch ein wesentliches Element der Beziehungspflege: Einen Ansprechpartner in der Bank zu haben, der sich mit der jeweiligen Branche des Kunden auskennt, aktuelle Themen im Blick hat und dessen Sprache spricht, schafft Vertrauen und dient als Grundlage für eine langfristig erfolgreiche Geschäftsbeziehung.

Oft bleibt Fir­men­kun­den­­be­treu­ern nur ein Drit­tel ih­rer Zeit für den tat­säch­li­chen Ver­trieb – um­so wich­ti­ger, die In­for­ma­ti­ons­­­­be­schaf­fung so ef­fi­zi­ent wie mög­lich zu ge­stal­ten.”

Schon heute erkennen Banken und Sparkassen den Wert von Unternehmens-, Branchen- und Trendwissen und priorisieren es in ihren Firmenkundenprozessen entsprechend hoch – so hoch, dass die Beschaffung und Aktualisierung relevanter Marktdaten in den Arbeitsanweisungen für die Berater als Erfolgsfaktor und Pflichtaufgabe aufgeführt ist.

Bei seinen durchschnittlich 80 Firmenkunden bleibt dem einzelnen Berater jedoch zu wenig Zeit für eigene Marktrecherchen. Zieht man Serviceaufgaben, Kreditbearbeitung und interne Dokumentationspflichten ab, bleibt bestenfalls ein Drittel der Arbeitszeit für Beratung und Vertrieb inklusive Vorbereitungszeit.

Lücken klassischer Business-Intelligence-Angebote haben aufwändige „Handarbeit“ zur Folge

Finanzinstitute unterstützen ihre Berater daher oft mit einfachen Business-Intelligence-Lösungen, die allgemeine Branchenberichte und Kennzahlen aus Einzelbilanzanalyse ihrer Kunden oder öffentlicher Unternehmen enthalten. Eine solide Grundlage, um in ein Kundengespräch zu gehen. Von dem, was möglich und vertrieblich erwünscht wäre, sind diese statischen Lösungen aber weit entfernt.

Autoren: Dr. Michael Seibold und Ludwig Eickemeyer, BLC
Dr. Michael Seibold ist Manager bei Berg Lund & Company (BLC), einer Beratungsgesellschaft mit den Schwerpunkten Unternehmensstrategie und digitale Transformation, CRM und Vertrieb, Governance und Compliance, Fusionen und Transaktionen sowie die Schaffung operativer Exzellenz. Seibold berät insbesondere Großbanken, Regionalbanken, Börsen und Investmentgesellschaften. Sein besonderes Augenmerk gilt Fragen der Digitalisierung sowie Smart Data.

Ludwig Eickemeyer ist Director Business Intelligence im Handelsblatt Research Institute. Dort ist er verantwortlich für die Entwicklung von Intelligence Lösungen für externe Kunden, zum Beispiel im strategischen Management oder dem B2B-Vertrieb. Zu den Kunden zählen Banken, Unternehmen der IT-Branche und Telekommunikationsunternehmen.

1. Sie helfen nicht dabei, Potenziale zu identifizieren. Denn sie beschreiben in erster Linie Grundzusammenhänge sowie die Ist-Situation einer Branche.
2. Sie stellen keine Verbindung zu den eigenen Produkten her und geben daher auch keine Hinweise, für welche Probleme diese Produkte geeignete Lösungen bieten könnten.
3. Sie bieten kein (tages-)aktuelles Wissen zur Lage des Kunden. Quartalsweise aktualisierte Berichte reichen aus, um eine Branche grundsätzlich zu verstehen. Für punktgenaue und bedarfsgerechte Beratung sind sie zu unscharf.
4. Die klassischen Branchenberichte liefern kaum Anknüpfungspunkte, weil die Situation jedes Unternehmens eine individuelle ist.

Die rein quantitativen Kennzahlen aus den Standard-Einzelanalysen zum jeweiligen Kundenunternehmen geben ebenfalls ein unvollständiges Bild, da für eine profunde Bewertung auch qualitative, personelle und strategische Aspekte einbezogen werden müssen.

Gute Firmenkundenberater kennen diese Lücken und wenden viel Zeit auf, sich mit Hilfe von Suchmaschinen, Tagespresse und Fachmedien selbst ein Bild zu machen. Die dafür aufgewandte Zeit fehlt den Betreuern aber an anderer Stelle, nämlich der individuellen Problemanalyse, der Konzeption passgenauer Lösungsangebote sowie der zielgerichteten Kundenansprache.

Verschärft wird das Problem oft noch durch die Darreichungsform klassischer Business-Intelligence-Angebote, die oft nicht für den Vertrieb oder operative Einheiten, sondern für die Konzernstrategie und Vorstandsebene gedacht sind:
1. Vielfach sind bestehende Lösungen in ihrem Aufbau zu starr, sie lassen keine Segmentierung entsprechend der komplexen Firmenkundenstruktur und der individuellen Produktportfolios von Banken und Sparkassen oder gar einzelner Mitarbeiter zu.
2. Aus der Not heraus werden Standard-Kennzahlen aus einer BI-Quelle mit diversen anderen Quellen angereichert. Das Ergebnis ist ein regelrechter Flickenteppich an Anwendungen, durch die ein Berater sich mühsam durchklicken muss und am Ende eher den Überblick verliert als ein Gesamtbild gewinnt.

Business-Intelligence-System fürs B2B-Geschäft wie Neuwagen mit Features konfigurieren

Um das Firmenkundengeschäft wirklich zu unterstützen, muss die BI-Anwendung komplexe Anforderungen erfüllen und intelligenter aufgesetzt sein als eine Standardlösung. Dabei hat sich eine Plattformstruktur bewährt mit bedarfsgerecht auswählbaren, speziell für den B2B-Vertrieb entwickelten Einzelmodulen. Klassische BI- Elemente wie Branchenreports und Unternehmenskennzahlen werden dabei mit innovativen neuen Features kombiniert. Die Business-Intelligence-Plattform kann also ähnlich wie ein Neuwagen entsprechend individueller Bedürfnisse und Vorlieben konfiguriert werden – sowohl in Bezug auf Funktionen als auch Darstellungsformen.

BLC
1. Ein „Basiswissen“-Modul gibt Aufschluss über grundlegende Zusammenhänge, etwa eine neue Technologie wie Künstliche Intelligenz und deren Auswirkungen auf verschiedene Branchen. Idealerweise sind die Daten und Zusammenhänge so aufbereitet, dass der Kundenberater sie direkt auch als Handreichung und Wissens-Giveaway einsetzen kann.
2. Ein Qualifizierungs- bzw. „Academy“-Modul kann dem Anwender vertiefende Kenntnisse zu Methoden aus der digitalen Arbeitswelt vermitteln, wie zum Beispiel Design-Thinking. Die virtuelle Weiterbildung erfolgt dabei über einen längeren Zeitraum durch multimediale Formate.
3. Ein Modul „Live-Wissen“ liefert tagesaktuelle, qualitative Informationen sowohl zu Branchen als auch zu einzelnen Unternehmen. Mithilfe von Machine Learning und Natural Language Processing lassen sich Inhalte verschiedener Nachrichtenquelle in einem Dashboard aggregiert auslesen und darstellen – durch Automation tausendfach schneller und komprimierter als in Handarbeit.

Der Firmenkundenberater erhält im Ergebnis einen topaktuellen, schlagwortartigen Überblick über Entwicklungen und Herausforderungen von Branchen wie Unternehmen inklusive fundierter „Radar-Einschätzung“, inwieweit die Entwicklungen positiv oder negativ sind.

Ein solches System erfüllt auch die Aufgabe eines Potenzial-Scouts für den Vertrieb, der aus Entwicklungen Bedarfe identifiziert und mit Produkten und Lösungen abgleicht: Wird beispielsweise über ein Unternehmen berichtet im Zusammenhang mit einer anziehenden Nachfrage nach seinen Produkten, erhält der zuständige Kundenbetreuer ein Signal. Das System weist ihn darauf hin, dass es hier einen Finanzierungsbedarf für die Erweiterung der Produktion geben könnte. Nach diesem Muster lassen sich weitere Kriterien definieren, die Vertriebspotenzial identifizieren.

Jeder Mitarbeiter erhält ein Dashboard, das nur die individuell für ihn relevanten Informationen anzeigt, beziehungsweise er bekommt entsprechende Benachrichtigungen. Dadurch vermeidet die Business-Intelligence-Plattform Ablenkungen und unnötige Komplexität.

Die Plattform-Struktur ermöglicht zudem die Integration weiterer, neu zu entwickelnder Module. Auch Quellen aus Drittangeboten, auf die einzelne Teams oder Mitarbeiter nicht verzichten können, lassen sich in die intelligenten Analysen einbeziehen und ohne Anwendungs- oder Darstellungsbruch im Dashboard ausgeben.

Erfolg steht und fällt mit Prozessintegration

Damit die vertriebsunterstützende BI-Plattform das Firmenkundengeschäft nachhaltig voranbringt, muss sie wie jede andere technische Innovation professionell implementiert werden. Dazu gehören eine lückenlose, aufs Operative fokussierte Bedarfsanalyse, eine gut vorbereitete Integration in bestehende Prozesse unter Berücksichtigung individueller Organisationsstrukturen, um eine optimale Akzeptanz der Mitarbeiter sicherzustellen. Die besten Tools bleiben wirkungslos, wenn Mitarbeiter sie nicht nutzen können – oder wollen. Darüber hinaus gilt es, die Feinjustierung und Weiterentwicklung der Lösung eng zu begleiten.

BLC

Bei der Implementierung innovativer Business Intelligence-Plattformlösungen haben sich folgende vier Erfolgsfaktoren als besonders relevant herausgestellt:

1. Identifikation: Frühzeitige Benennung geeigneter Use Cases, um die Plattform von vornherein für die dringendsten und wichtigsten Bedarfe des Finanzinstitutes und seiner Mitarbeiter zu entwickeln. So lässt sich die Plattform instituts- und sogar mitarbeitergenau zurechtschneiden – unnötige Elemente und Kosten werden vermieden.

2. Integration: Eine konsequente Einbettung der BI-Anwendung in die bestehenden Prozesse und Arbeitsanweisungen. Wo immer Mitarbeiter angehalten werden, sich über ihre Kunden zu informieren – in Anleitungen zur Vorbereitung von Beratungsgesprächen oder zur Potenzialbewertung etwa – sollte auf die passenden Module der BI-Lösung und deren Nutzung verwiesen werden. Durch die Effizienzsteigerung einer integrierten Business Intelligence-Plattform lassen sich die Informationsprozesse oft stark kürzen – zur Freude aller, die die umfangreichen Dokumentationen bearbeiten und lesen.

3. Implementierung: Die technische Inbetriebnahme gestaltet sich vergleichsweise einfach. Langwieriger und komplexer ist die Einweisung der Mitarbeiter in die richtige und effektive Nutzung ihrer Tools. Dafür bieten sich eigene Webinare, kurze Videos oder FAQ-Sammlungen an. Je kürzer der Abstand zwischen Information und Nutzung, desto besser. Konkret auf Anwendungsfälle heruntergebrochene „On-the-Job-Hilfen“ steigern die Fähigkeiten der Mitarbeiter zur optimalen Nutzung der Plattform besonders stark.

4. Akzeptanz: „Können“ ist die eine Seite der Medaille, „Wollen“ die andere. Damit die Berater die neue Lösung auch dauerhaft den teilweise über Jahre gewachsenen händischen Prozessen vorziehen, müssen sie vom Mehrwert für die eigene Arbeit und den eigenen Erfolg überzeugt sein. Dabei hilft es, früh und kontinuierlich kurze Erfolgsgeschichten zu teilen, von Mitarbeitern etwa, die über die Plattform neue Trends entdeckt und ihren Kunden besonders schnell helfen konnten. Ebenso wichtig ist es, die Mitarbeiter schon vor der Inbetriebnahme der BI-Plattform kontinuierlich einzubinden. Sie wissen am besten, welche Informationen ihnen im Alltag fehlen, wobei ihnen eine automatisierte Plattform am besten helfen könnte. Eine frühzeitige Abfrage und Einladung, sich an der Gestaltung zu beteiligen, stellt sicher, dass die Plattform genau die Bedarfe deckt – und, dass es hinterher keine Ausreden gibt.

Schließlich empfehlen wir, nach erfolgreichem Start einer neuen plattformbasierten Business-Intelligence-Lösung sofort den Blick nach vorn zu richten. Die Plattform sollte von Beginn an als lebendes, sich ständig weiterentwickelndes Objekt betrachtet werden. Für diese Weiterentwicklung ist kontinuierliches Einholen von Feedback bei Mitarbeitern und Kunden essentiell. Aus den neugewonnen Alltagserfahrungen lassen sich bestehende Module weiterentwickeln oder gar ganz neue Module erschaffen, mit denen der Erfolg im B2B-Geschäft im Sinne eines Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses in einer agilen Organisation weiter vorangetrieben wird.aj

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert