49. Bankenfachtagung: Offene Plattformen gewinnen – Geschwindigkeit außerhalb bestehender Strukturen
“Disruption, Kollaboration, Kooperation. Neue Dynamik im Bankenmarkt” – unter diesen Titel diskutierten rund 150 hochrangige Bankenvertreter vorige Woche (28.- 30. November) auf der 49. Bankenfachtagung von Diebold Nixdorf in Rottach-Egern. Open Banking, Entwicklungsprozesse und digitale Testballons beherrschten die Diskussionen. Der rote Faden
von Anja Kühner
Wie ein roter Faden zogen sich die Themen ‘digitale Ökosysteme’, ‘Plattformen’ und ‘offene Schnittstellen“ durch die zwei Konferenztage am Tegernsee. Als erste Rednerin der von Diebold Nixdorf organisierten 49. Bankenfachtagung beeindruckte Marianne Wildi, Vorsitzende der Geschäftsleitung der Hypothekarbank Lenzburg. Das Schweizer Institut hat sich in den vergangenen 20 Jahren von einem regionalen Immobilienfinanzierer zu einem überregionalen Player entwickelt.Uns war im Jahr 2000 klar, dass wir uns kannibalisieren lassen müssen, um langfristig zu überleben.“
Marianne Wildi, Vorsitzende der Geschäftsleitung Hypothekarbank Lenzburg
Gutes Beispiel für Open Banking
„So docken Sie Player an, an die man zunächst nicht denkt“, wies anschließend David Matthias Roebel, CEO von MING Labs auf das „gute Beispiel des Open Banking“ hin. Er empfahl Banken, auf jegliche Intransparenzen wie beispielsweise versteckte Gebühren künftig zu verzichten. „Da denken die Leute nur, sie würden verarscht.“ Transparenz sei vielmehr das Gebot der Stunde, gefolgt von „Machen und Ausprobieren“. „Im schlimmsten Fall ist bei einem gescheiterten Testballon das Geld weg, aber die Erfahrung da“, so Roebel.
Erste Bank: Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren
Viel ausprobiert hat auch die Erste Bank der österreichischen Sparkassen mit ihrer Handy-App „George“. „Zu Spitzenzeiten hatten wir sieben verschiedene Apps“, berichtete Lorenz Schöne, Head of Product Management & Digital Sales von Erste Bank. Viele kleine Experimentierfelder seien besser als ein großes, ist seine Erfahrung.
Wenn eine App mit nur einer Funktion nicht gut ankommt, macht auch deren Einstellung nichts, denn dann sind nur wenige Nutzer betroffen.“
Lorenz Schöne, Head of Product Management & Digital Sales von Erste Bank
Jeder App-Entwickler müsse aufpassen, dass er nicht nur für fünf Prozent der potenziellen Kunden entwickelt. „95 Prozent der Menschen interessieren sich nicht für ihre Finanzen“, weiß Schöne. Vor allem komme es auf Geschwindigkeit an, aber die klappe am besten außerhalb bestehender Strukturen. „2015 konnte George noch sehr wenig, aber wir haben ihn in den Markt geworfen.“ Begleitet wurde der Marktstart mit viel Marketing.
Wenn Du nicht der Erste bist, dann mach so viel Werbung, dass es so aussieht, als wärst Du es.“
Lorenz Schöne, Head of Product Management & Digital Sales von Erste Bank
Payment in Commerzbank-App erfolgreicher als comdirect mit Google-Pay
Werbung ist auch das Mittel der Wahl der Commerzbank, um die neue Bezahlmöglichkeit Google Pay bekanntzumachen. „Die Kommunikation verändert sich weg von Markenkommunikation hin zu praktischen Erklärvideos“, schilderte Torsten Daenert, Managing Director Prduktmanagement Zahlungsverkehr & Einlagen bei der Commerzbank. Bewusst habe sich das Institut für eine Kooperation mit Google Pay entschieden – erläuterte er auf der Bankenfachtagung – da 75 Prozent der Commerzbank-Kunden Android-Smartphones nutzen.
Erste Erfahrungen zeigten, dass die Konversionsraten bei der eigenen Commerzbank-App höher liegen als bei der comdirect, die die Google-Pay-Lösung integriert hat. Um ein neues Bezahlverfahren einzuführen, sei es mit der Neuentwicklung einer App nicht getan. „Nötig sind mindestens vier Apps – eine für Mastercard, eine für Visa und je eine für Android und für Apples iOS-Betriebssystem“, weiß Daenert. Die enorme Komplexität dürfe eine App aber nicht auf den Kunden übertragen. Um das Öffnen der App möglichst bequem zu machen, nutzt sie beispielsweise statt der PIN der hinterlegten Kreditkarte die Gerätesperre.
Bisher sei die Commerzbank jedenfalls nur einen ersten Schritt hin zum Mobile Payment gegangen. „Eine Girocard zu hinterlegen, ist deutlich weniger trivial, denn mit ihr können zum Beispiel zwei Menschen das gleiche Konto nutzen, sodass der Nutzer bisher nicht eindeutig identifizierbar ist“, beschreibt der Commerzbank-Experte. Als nächsten Schritt kündigte Daenert die Einführung von Apple Pay an. „Wir müssen weiter laufend investieren, von der technologischen Weiterentwicklung bis zum Marketing.“
Heimat: Sparkasse bringt die Heimat in die Ferne – und behält ihre Kunden
Investiert hat auch die Sparkasse Hameln-Weserbergland – und zwar in „Die Heimat-Sparkasse“.
Wir haben bemerkt, dass wir viele jungen Kunden verlieren, wenn sie zum Studium aus dem Geschäftsgebiet wegziehen.“
Alois Drube, Vorstandschef Sparkasse Hameln-Weserbergland
Da diese später häufig in die Heimat zurückkehrten und dann interessante Kunden seien, sei dies ein echter Verlust. Digitalisierung und vor allem ein Service-Center mit Video-Kontakt seine eine gute Möglichkeit, die Verbindung mit der Heimat nicht abreißen zu lassen – und taufte das Video-Team daher „Heimat-Sparkasse“. Gestartet mit vier Mitarbeitern kümmern sich inzwischen 15 Mitarbeitern um die Heimat-Sparkasse und stehen längst nicht nur mit den außerhalb des Geschäftsgebiets Wohnenden in Kontakt.
Dabei habe die Sparkasse Hameln-Weserbergland beim Thema Digitalisierung nicht nur die Kunden im Fokus. Vor allem müssten die Mitarbeiter voll dahinterstehen – und dazu oft erst gebracht werden.
56 Prozent unserer Mitarbeiter sind als konservativ in Bezug auf neue Technologien einzustufen – und die dürfen wir nicht abhängen.“
Digitalisierung der eigenen Mitarbeiter: 56 Prozent sind nicht digital, sondern konservativ
Dabei gehe es zwar auch um Schulungen, aber vor allem auch darum, dass die Mitarbeiter unsere digitalen Angebote selbst nutzen und diesbezüglich nicht weniger Erfahrungen haben als ihre Kunden.
Wir haben auch für die Mitarbeiter Kontoführungsgebühren eingeführt, wenn sie ihr Konto nicht online führen. Da sie täglich in der Sparkasse waren, haben viele Mitarbeiter das nicht für nötig gefunden – und konnten daher bei Beratungsgesprächen zum Online-Banking nicht mitreden.“
Alois Drube, Vorstandschef Sparkasse Hameln-Weserbergland
Drube mahnt auf der Bankenfachtagung aus eigener mühevoller Erfahrung: “Es reicht nicht, dass alle laut ‘Ja’ zur Digitalisierung sagen, denn wenn es um die konkrete Umsetzung gehe, haben alle etwas anderes zu tun und warten ab.“ Nur wenn auch möglichst viele Mitarbeiter außerhalb des sechs Personen umfassenden Innovationsteams bei digitalen Themen mitdenken, könne sich die ganze Sparkasse digital aufstellen.
Das Fazit der Bankenfachtagung
Während der „Rottacher Gespräche“ genannten Podiumsdiskussion wurde die Vielfalt der Herausforderungen deutlich. „Innovation bedeutet, dass ‘More of the Same’ nicht die Lösung ist“, beschrieb Hagen Uckelmann, Digital Innovation Consultant bei Projective. Der Open-Banking-Experte betonte: „Das Ziel muss immer die Ökosystem-Entwicklung sein, durch Kollaboration und Partner-Netzwerke ein Gewicht im Markt zu bekommen und damit Standards zu schaffen.“ Dabei helfe die Frage:
Wie können wir voneinander profitieren?“ …
… und nicht Abschottung. Wobei auch er wieder auf das Schweizer Beispiel des Open Bankings der Hypothekarbank Lenzburg verwies. Wie gut das alles umgesetzt wird, wird im kommenden November die Jubiläums-Bankfachtagung (Webiste) von Diebold-Nixdorf zeigen, die dann bereits zum 50. Mal stattfindet.aj
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