STRATEGIE6. Februar 2019

Digitalisierung der Vermögensverwaltung: von der Legacy-IT zu Cloud Com­pu­ting, Blockchain, RPA, IA & AI

Plädiert für Cloud Computing, Blockchain, RPA, IA & AI: Mohit Joshi, President and Head of Banking, Financial Services & Insurance, Healthcare and Life Sciences von Infosys
Mohit Joshi, President and Head of Banking, Financial Services & Insurance, Healthcare and Life Sciences von InfosysInfosys

Innerhalb der Finanzbranche hat sich besonders der Bereich der Vermögensverwaltung bisher auf die Vorteile traditioneller persönlicher und direkter Kommunikation gestützt. Legacy-Technologien und manuelle Abläufe bremsen die Digitalisierung aus. Existierende Technologien sind in der Lage, viele „analogen Krankheiten“ der Legacy-IT zu kurieren. Das Technik-Plädoyer für Cloud Computing, Blockchain, RPA, IA & AI

von Mohit Joshi, President Infosys

Sowohl Robotic Process Automation (RPA) als auch Intelligent Automation (IA) können Geschäftsprozesse intelligenter und effizienter gestalten. Beide Technologien haben erhebliche Vorteile gegenüber herkömmlichen IT-Implementierungen.

RPA Software-„Roboter“ führen routinemäßige Geschäftsprozesse wie etwa das Onboarding von Neukunden oder die Eröffnung eines Kunden-Accounts aus, indem sie nachahmen, wie Menschen mit Anwendungen über eine Benutzeroberfläche interagieren. Dazu befolgen sie einfache Regeln, um Entscheidungen zu treffen. Ganze End-to-End-Prozesse können von Software-Robotern mit sehr wenig menschlicher Interaktion bis auf die Verwaltung von Ausnahmen durchgeführt werden. Einige große Unternehmen nutzen diese Technologie bereits häufig bei der Arbeit im Kundenservice. Auch bei einer Vermögensverwaltungsgesellschaft kann eine entsprechende RPA-Software Routineaufgaben übernehmen.

SQS

Zu den Vorteilen von RPA zählen
1. Verbesserter Durchsatz
2. Höhere Präzision
3. Automatische Bearbeitung iterativer Prozesse

In einigen Vermögensverwaltungen werden IA-Systeme bereits genutzt, um Portfolios zu analysieren und zu überprüfen, aussagekräftige Kennzahlen festzulegen und verständliche Reports anzufertigen.

Ein anderes Beispiel sind Banken, die global tätig sind. Sie benutzen IA hauptsächlich für die Überwachung aller elektronischen Kommunikationswege der Mitarbeiter, um illegale Verhaltensweisen zu entdecken und auszuschließen.

Cloud Computing

kikkerdirk/bigstock.com

Gegenüber traditionellen IT-Systemen der Vermögensverwaltung, stellt die Cloud geradezu einen Systembruch dar. Sie verändert grundlegend den Umgang mit Technologie in einem Unternehmen. Die Cloud an sich ist durch ihre Flexibilität grundsätzlich für jede Branche attraktiv. Dennoch ist die Datenmigration/ Transformation in die Cloud ein sehr komplexer Prozess. Er benötigt vor allem Planung, Engagement und nachhaltige Bemühungen. Der Wandel muss ebenso im Mind-Set des Unternehmens und seiner Mitarbeiter stattfinden. Andernfalls sind sie den Herausforderungen der Transformationsprozesse kaum gewachsen.

Cloud Computing erhöht die Agilität für die Vermögensverwalter, reduziert die Betriebskosten und erhöht bei Bedarf die Skalierbarkeit. Mithilfe von Cloud-Services können zudem die neuesten Technologie-Tool-Sets in kürzester Zeit auf den vorhandenen Anwendungsplattformen eingeführt und genutzt werden. Cloud-Netzwerke können intern entwickelt oder von Drittanbietern wie Amazon, Microsoft Azure oder Google bereitgestellt werden. Cloud Computing senkt zudem nicht nur die Kosten, sondern bietet auch Datenvisualisierung und Analysefähigkeiten von der Stange.

Autor Mohit Joshi, Infosys
Mohit Joshi (President and Head of Banking, Financial Services & Insurance, Healthcare and Life Sciences von Infosys) ist ein WEF Young Global Leader, dessen Expertise besonders im Schnittpunkt der Bereiche von Financial Services und Technologie liegt, mit einem besonderen Fokus auf KI. Er arbeitet seit 2000 für Infosys und verfügt über 18 Jahre Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Unternehmen in den USA, Mexiko und Europa.

Blockchain-Technologie

Gerade das Onboarding neuer Kunden ist für Investmentfirmen häufig mit hohen Kosten verbunden. Mithilfe von Blockchain ist dies schneller und mit reduzierten Kosten möglich. Gerade die Schritte, die manuell ausgeführt oder angestoßen werden müssen, wie Know-Your-Customer Checks (KYC) und Geldwäsche-Überprüfungen machen ein Onboarding sehr zeitaufwändig. Mit der Blockchain können diese Prozesse automatisch ablaufen, da jeder Schritt transparent nachvollziehbar ist.

Neben der Zeiteinsparung im Onboarding bietet die Blockchain Sicherheit und Privatsphäre bei der Integration und Zentralisierung großer Datenmengen durch die Vermögensverwalter.

Künstliche Intelligenz

Die Adaption von Künstlicher Intelligenz (KI) ist gerade in diesem Sektor einer der größten Trends. Häufig werden KI und Automation von den Unternehmen kombiniert, um Abläufe zu optimieren, die Produktivität zu erhöhen, bessere Erkenntnisse aus dem Verhalten der Kunden zu ziehen und um die Kommunikation zwischen Kunden und ihren Beratern zu verbessern.

In Bereichen, in denen sich betriebliche Ineffizienzen ergeben, werden Mitarbeiter bereits durch automatisierte Software ersetzt. Dazu gehören unter anderem Arbeitsbereiche, in denen die Mitarbeiter nur damit beschäftigt sind, Kundendaten von einem System in ein anderes zu kopieren.

monsitj/Bigstock

Unternehmen, die KI in ihre Datenspeicher einbinden, können auf ein Dashboard zugreifen, das Trends visualisiert und prädiktive Einblicke bietet. Viele Vermögensberater nutzen KI auch bereits für die automatisierte Portfolio-Umstrukturierung, basierend auf einer vordefinierten Anlagestrategie. Die KI kann auch Frühwarnungen für Fondsmanager in ihren Portfolios bereitstellen und die Erstellung von Risikoberichten auf Abruf ermöglichen.

Die KI kann die Kommunikation zwischen Vermögensverwaltern und Beratern verändern. Anstatt Warnmeldungen zufällig und in großer Zahl zu versenden, kann die KI mehrere Variablen rund um den Kunden und seine Investitionen analysieren, um individuelle Notizen an den Berater zu senden. Diese unterstützen ihn dabei, kundenspezifischer zu arbeiten. Sowohl das Beziehungsmanagement als auch das Kampagnenmanagement können von der KI enorm profitieren.

Überwindung von Implementierungsbarrieren

Der Weg in eine digitalisierte Vermögensberatung scheint mit diesen Technologien auf einmal sehr einfach, da sie die zeitfressenden Arbeiten übernehmen und der Berater mehr Zeit für seine Kunden hat.

Leider haben Unternehmen in der Realität häufig Probleme damit, neue IT-Systeme zu implementieren. Eines davon ist, dass die Anwendungen häufig fragmentiert aufgesetzt werden und die entsprechenden Datenschnittstellen fehlen.

Zudem stehen sich Organisationen häufig selbst im Weg, wenn es um Veränderungen geht. Mit einer strategischen Vision und einer vordefinierten Roadmap kann diese Problematik häufig gut umgangen werden.

Zu guter Letzt erfordert die Implementierung einer Nischenlösung, die auf KI basiert, ausreichend Zeit für die Auswahl des entsprechenden Tools einer ROI-Analyse und – ganz besonders wichtig – einen guten Ressourcen-Pool. Viele Unternehmen haben jedoch Probleme, Personal mit den entsprechenden Qualifikationen zu gewinnen und zu halten, da sie häufig mit FinTechs um diese Ressourcen konkurrieren.

Für eine erfolgreiche Lösungsstrategie benötigen Unternehmen die richtige Digital Governance. Damit wird sichergestellt, dass in den kommenden Geschäftsjahren die passende digitale Strategie verfolgt wird. Jede Organisation, die diesen Prozess durchläuft, muss sich außerdem darüber im Klaren sein, dass es sich hierbei um ein Langzeit-Projekt handelt.

Grundsätzlich sollten Unternehmen eine gründliche Kosten-Nutzen-Analyse vollziehen, bevor sie beginnen, neue Technologien zu implementieren.”

Für einen Bottom-up Ansatz der Kosten-Nutzen-Analyse sollten auch alle Stakeholder identifiziert werden, die an dem Prozess beteiligt sind. Auf diesem Weg können die Details des Projektes den Mitarbeitern im Middle- und Back-End Bereich verständlich gemacht und Prioritäten entsprechend festgelegt werden.

Im nächsten Schritt sollte die Kosten-Nutzen-Analyse in Betracht ziehen, ob es sinnvoll ist, eine Lösung einzukaufen oder eine individuelle In-House Lösung vorzuziehen. Letzteres würde anfallende Lizenzgebühren und laufende Instandhaltungskosten vermeiden. Eine vorausblickende Strategie wäre die kurzfristige Implementierung einer externen Lösung. Anschließend analysiert das Unternehmen, ob auf lange Sicht eine In-House Lösung sinnvoller ist.

Time to Market spielt bei der Implementierung von digitalen Lösungen ebenfalls eine nicht unwichtige Rolle. Zieht sich der Entscheidungsprozess im Unternehmen zu lange hin, besteht die Gefahr, dass die erwünschten Effekte der Technologie ausbleiben.

Die Versuchung ist groß, die erstbeste Lösung einzukaufen, die einem Unternehmen präsentiert wird. Entscheider in Organisationen sollten dabei bedenken, dass viele der neueren Lösungen auf dem Markt noch nicht ausgereift sind und es weiterer Tests in einer Live-Umgebung bedarf.”

Wichtige Indikatoren für Unternehmen sind realistische Lösungen, messbare Ergebnisse, geringe Instandhaltungskosten und eine Cloud-Infrastruktur. Eine gründliche Evaluierung des Angebots anhand dieser Parameter unterstützt Unternehmen bei der Entscheidung, welche Lösung die Richtige ist.aj

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