STRATEGIE31. Januar 2023

AI Banking: Wann kommt die erste absolut digitale Bank?

ChatGPT ist so mächtig, dass sich eine der größten Tech-Firmen der Welt – Google – in der eigenen Existenz bedroht sieht. Dieses Gefühl teilen vor allem Menschen, die kreative Jobs ausüben und fürchten, dass ihnen die Maschine bald ihre Arbeit abjagt. Selbst Entwickler sagen, dass sie im Dialog mit ChatGPT viel schneller programmierten als vorher. Das Tool schreibe, erkläre und verbessere sogar den Code. Angeblich lasse sich mit AI bereits ein Smart-Home-Assistent in kürzester Zeit bauen, der die etablierten Marken in den Schatten stellt. Wann also kommt die erste AI-Bank?

von Florian Bongartz, Head of Communications bei Paycy

AI Banking und ChatGPT: Lösen Roboter bald Menschen ganz ab?
Midjourney
Siri, Alexa, Google Home und all die anderen Smart Assistants? „Schmerzhaft dumm und sinnlos“ (Website) urteilt Mate Marschalko über das, was sich neben ChatGPT und GPT-3 abspielt. Ohne Programm-Code und in einfachem Englisch ließe sich ein eigener Assistent entwickeln.

Die AI ist so gut, dass ChatGPT bereits einige Examen bestanden hat, etwa an der University of Minnesota (Jura) oder an der Wharton School of Business.”

Zwar reichen die Noten noch nicht, um auch das „Bar Exam“ zu bestehen und sich in den USA als Anwalt zuzulassen. Doch auch das dürfte nicht mehr allzu lange dauern. Wann also ist Banking dran? ChatGPT wird wohl kaum damit überfordert sein, sich die gängigen Payment Schemes anzueignen, auf die Gesetze zu achten und ein Konto zu führen.

Autor Florian Bongartz, Paycy

Florian Bongartz ist Head of Communications bei Paycy (Website), einem Tochterunternehmen der PPI AG, das eine Plattform für Request to Pay anbietet. Zuvor verantwortete der Politologe die Pressearbeit verschiedener Consulting- und IT-Firmen sowie eines Assekuradeurs, der D&O-Versicherungen vertreibt. Seine redaktionelle Ausbildung schloss er in einer PR-Agentur ab.

Conversational Banking 2.0

OpenAI, die Firma hinter ChatGPT, warnt zwar vor Euphorie. CEO Sam Altman sagt etwa, dass es falsch wäre, sich auf die AI zu verlassen, wenn es wichtig wird. Sie sei dafür zu limitiert. Doch viel scheint auch nicht mehr zu fehlen. Wer den Bot danach fragt, wie die Branche ChatGPT einsetzen kann, erfährt, dass sich der Kundendienst stärker automatisieren lasse.

Praktisch alles, was Kunden wissen wollen, weiß die Maschine.”

Dabei muss es nicht bleiben. Auf Twitter schreibt der OpenAI-Chef, dass wir bald nützliche („helpful“) Assistenten haben werden, die sich nicht mehr nur mit uns unterhalten, sondern auch Aufgaben für uns erledigen. Was spricht also dagegen, ChatGPT nach dem Kontostand zu fragen oder den Bot zu bitten, Geld zu überweisen?

Zwei Drittel der Bankkunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz können sich vorstellen, einen Chatbot auf das eigene Konto schauen zu lassen. Mehr als die Hälfte wäre sogar bereit, mit der Maschine ihre persönlichen Daten zu ändern und darüber tatsächlich auch Geld zu verschieben.”

Das haben die Hochschule Luzern und Crealogix 2021 in einer Studie zum Conversational Banking ermittelt und dafür 1.500 Verbraucher in den drei Ländern befragt. Vorbehalte bestehen demnach vor allem dort, wo die Kunden lernen müssten, dem Bot zu vertrauen. Bei Hypotheken, Anlagen und beim Handel an der Börse wollen sie lieber auf Nummer Sicher gehen. Was aber, wenn der Bot bereits bewiesen hat, dass er dieses Vertrauen verdient?

ChatGPT hat innerhalb von fünf Tagen die Grenze von einer Million Nutzern geknackt.”

Spotifiy brauchte fünf Monate, um das gleiche Ziel zu erreichen. Netflix immerhin 3,5 Jahre. Microsoft will zudem die Schlagkraft von OpenAI deutlich erhöhen und zusätzlich mehrere Milliarden US-Dollar investieren. Die Redmonder sind OpenAIs wichtigster Partner, seit sie 2009 und 2011 bereits in das Unternehmen investiert hatten. ChatGPT und auch die Bild-AI Dall-E laufen auf der Azure Cloud von Microsoft. Der Tech-Gigant will die Software darüber hinaus in die eigene integrieren. Wer einen Computer besitzt oder beruflich mit einem arbeitet, kommt an ChatGPT schon bald kaum noch vorbei. Allein in Deutschland arbeiten 85 Prozent der Büroarbeiter mit MS Office.

Erobert AI das Banking?

Wie sich ChatGPT in ein Modell für Conversational Banking integrieren lässt, hat UXDA in einer Case Study untersucht. So fasst ChatGPT die Case Study in vier Sätzen zusammen:

This UX case study describes the implementation of ChatGPT, a language model developed by OpenAI, in a banking application. The use of ChatGPT allows for more natural and efficient communication between the user and the bank’s virtual assistant. The study found that using ChatGPT led to increased user satisfaction and a reduction in the number of errors made by the virtual assistant. The results of this case study suggest that the use of ChatGPT in other industries could lead to similar improvements in user experience.“ (Website)

 Von der AI vorgeschlagene Designs für das Mobile Banking
Abb. 1Midjourney

Eine AI die komplette UX gestalten zu lassen, ist insofern der nächste logische Schritt. Dall-E, aus dem gleichen Haus wie ChatGPT, Stable Diffusion oder Midjourney stehen dafür schon bereit. Wer diese Werkzeuge ausprobiert, erstellt bloß mit losen Ideen, wie etwa das Mobile Banking einer AI-Bank aussehen könnte (vgl. Abb. 1). Ob AI Webseiten aufbauen kann, ist bereits entschieden. Deep Mind hat zu diesem Zweck Alpha Code erschaffen. Die AI programmiert inzwischen ähnlich gut wie Menschen. HTML und CSS zu erzeugen, zumal wenn das Design feststeht, dürfte Alpha Code künftig wohl kaum vor ernsthafte Probleme stellen. An der TH Nürnberg geht man bereits so weit, das gesamte Berufsbild des Informatikers zu hinterfragen.

Offen ist aber, was Menschen einer AI alles anvertrauen sollten.

Amazon warnt seine Angestellten angeblich bereits davor, ChatGPT zu nutzen.”

Der Grund: Wenn es sich um sensible Daten handele, könnte die AI sie dafür verwenden, um zu lernen und zu Schlüssen zu kommen, die Amazon als vertraulich einstuft. Teilweise soll das bereits geschehen sein. So beeindruckend das alles auch ist, manchmal scheinen die Pferde mit den Menschen durchzugehen. Wenn die AI jetzt schon so gut funktioniere, was sei dann wohl mit der nächsten Version? Bis zu 100 Billionen Parameter soll GPT-4 angeblich beherrschen. Damit würde sich das Sprachmodul zur ersten AGI entwickeln, einer Artificial General Intelligence, die ein menschliches kognitives Verständnis aufweise. Das sei aber völlig unrealistisch, sagt OpenAI CEO Altman.

Prompt Engineering lernen

Die Leute würden darum betteln, enttäuscht zu werden, so Altman weiter. Sollte sich eines Tages eine AGI entwickeln, so käme sie eher in kleinen Schritten als mit einem großen Knall. ChatGPT sei auch nicht urplötzlich gekommen, das Modell sei lange schon da gewesen. Was OpenAI anders gemacht hat, war, Menschen über einen Dialog mit der AI interagieren zu lassen. Dieser Dialog startet aber nur auf eine einzige Art und Weise: durch Eingaben an einem Prompt. Darin gleichen sich alle AI-Tools, die derzeit draußen verfügbar sind. Ohne einen Prompt, um die AI zu instruieren, bleibt sie stumm.

Was eine AI codet, malt oder textet, geben immer noch Menschen vor – und die müssen über das, was die AI nachahmen soll, bereits Bescheid wissen.”

Midjourney erzeugt beispielsweise eindrucksvolle Bilder, wenn der Prompt stimmt. Webseiten wie Prompthero stellen besonders gut gelungene Bilder und die dafür verwendeten Prompts aus. Damit lässt sich inzwischen sogar Geld verdienen. Auf digitalen Marktplätzen werden Eingabezeilen für drei bis fünf US-Dollar gehandelt. Eine Kölner Werbeagentur soll bereits nach einem AI Prompter suchen. Wer zu den besten AI-Ergebnissen gelangen will, muss sich also bereits auskennen mit der Materie, an die sich die Maschine wagen soll. Bei Midjourney lassen sich etwa Parameter eingeben wie „35mm“ (Linsenbreite), „kodak photo“ oder der Stil eines berühmten Fotografen. Wer davon nicht vorher schon eine Ahnung hat, kann deshalb nur Glückstreffer am Prompt erzeugen.

Solange Menschen etwas für Menschen tun wollen, bleibt AI bloß ein Werkzeug, um dieses Ziel zu erreichen.

Was Menschen beherrschen müssen, ist, ihren Willen der AI zu vermitteln. Dies geschieht – zumindest derzeit noch – über den Prompt.”

Mensch und Maschine malen gemeinsam
Midjourney

Wenn die TH Nürnberg also davon spricht, dass sich das Berufsfeld des Informatikers verändert, dann meint sie, dass sich die Informatiker von morgen mit der AI verständigen können müssen. Dieses Argument hat auch Kristina Kashtanova vorgetragen, als es darum ging, ihren Comic „Zarya Of the Dawn“ (Website) schützen zu lassen. Midjourney ist als Co-Autor sogar auf dem Cover genannt. Doch die Idee, die Texte und auch die verwendeten Prompts stammten von ihr, so die Schöpferin. Die AI sei deshalb für sie nicht mehr als Photoshop für Grafikdesigner oder eine Kamera für Fotografen.

Fachwissen zählt weiter

Was Fachleute tatsächlich lernen sollten, ist, einen Prompt zu bedienen. Prompt Engineering wird sich über kurz oder lang in die Berufsbilder nicht nur von Informatikern einschreiben, sondern so gut wie alle Jobs betreffen. Weiter ankommen wird es aber auf das Fachwissen, das die Menschen mitbringen, und auf ihre Intentionen. Wie soll ein Bild wirken? Wen möchte ich ansprechen? Was soll der Code machen?

Solange sich die AI nicht vom Menschen vollständig entkoppelt, bleibt sie von Menschen abhängig. Was die AI tut, muss dem Menschen gefallen oder ihm nützen.”

An dieser Regel dürfte sich auch durch die jüngsten Ereignisse nichts ändern, auch wenn diese Ereignisse nicht nur positive Emotionen auslösen, sondern auch Abwehrreflexe.

Die ChatGPT-Macher müssen sich beispielsweise dafür rechtfertigen, eine kenianische Firma dafür zu beschäftigen, Inhalte vorab zu filtern, damit die AI keinen anstößigen Content produziert. Dabei soll es um Stundenlöhne von gerade mal zwei US-Dollar gehen.”

Midjourney und Stable Diffusion, beziehungsweise deren Anbieter, stehen sogar vor Gericht. Weil sie ihre AI-Modelle mit Fotos und Kunstwerken aus dem Internet trainierten, hätten sie gegen Urheberrechte verstoßen. Inwieweit es einen Unterschied macht, ob eine AI oder ein Mensch sich von anderen Kunstwerken inspirieren lässt, soll hier unentschieden bleiben. Was wohl feststeht, ist, dass AI aus unserem Alltag nicht mehr verschwindet. Darum müssen wir lernen, mit ihr umzugehen. Und das passiert am Prompt.Florian Bongartz, Paycy

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