Wie Datenqualität, ein Algorithmus und ML die Kreditvergabe verändert – Finiata CPO im Interview
Hype-Thema: Automatisierte Bonitätsprüfung. FinTech Finiata vergibt Kredite an Kleinunternehmen und bewertet deren Bonität automatisiert. Und es bietet diese Dienstleistung auch als White-Label-Produkt für Banken. Doch was ist mit der Herkunft der Daten und dem Algorithmus? Wir sprachen mit Ingmar Stupp, dem CPO & Mitgründer von Finiata.
Woher stammen die Daten, wie gelangen Sie an die Daten?
Ganz grundsätzlich berücksichtigen wir für unsere automatisierte Bonitätsprüfung unterschiedliche Kategorien: finanzielle Daten, Verhaltensdaten, Transaktionsdaten, Daten von Auskunfteien wie Creditreform oder Schufa und mikrogeografische Daten. Die Herkunft variiert von Typ zu Typ: Viele Daten generieren wir über Schnittstellen – etwa transaktionsbasierte Daten wie Bankkonto-Bewegung oder Accounting-Daten. Andere Daten gibt der Antragssteller ein – etwa die Rechtsform oder seine Anschrift. In Polen beziehen wir zusätzlich Daten vom Kreditbüro BIK (dem polnischen Schufa-äquivalent) – dies ist aber nicht Kern unseres Algorithmus und unseres Geschäftsmodells. Wichtig sind die BIK-Daten für uns vor allem, um die Qualität unseres eigenen Algorithmus vergleichen und einordnen zu können.Die größte Relevanz genießen finanzielle Daten. Wir versuchen, so viele Datenquellen wie möglich zu finden – selbstredend unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben. Der Algorithmus clustert diese dann in aussagekräftige Variablen.”
Wie analysiert Ihr Algorithmus die Datenpunkte?
Unser Algorithmus versucht fortlaufend wie eine Fabrik am Fließband neue Daten zu akquirieren, Datenpunkte in Variablen zu clustern und damit unser Modell zu füttern.
Der selbstlernende Algorithmus verbessert dadurch kontinuierlich unsere Vorhersagegenauigkeit – also unser Gini-Koeffizienten.”
Wie bei einem Hund kann man den Algorithmus anhand von Beispielen trainieren und je mehr er mit Beobachtungen gefüttert wird, desto mehr Hypothesen kann er verifizieren und falsifizieren. Das war übrigens auch die große Krux ganz zu Anfang: Um wirklich zu verstehen, welche Datenpunkte aussagekräftig sind, waren falsifizierte Hypothesen – also nicht zurückgezahlte Kredite – anfangs nicht zu verhindern.
Durch günstige Kredite mit kurzer Laufzeit konnten wir das Risiko sowohl für uns als auch für unsere Kunden minimieren und zugleich ausreichend Datenpunkte generieren, um unseren Algorithmus zu füttern.
Inzwischen liegt unsere Ausfallquote im niedrigen einstelligen Bereich.”
Inwiefern lernt Ihr Algorithmus selbst, wo müssen noch Menschen nachbessern und optimieren?
Menschen greifen in der Bonitätsprüfung vor allem dann ein, wenn der Antragssteller offensichtlich fehlerhafte Angaben getätigt hat. Um den Algorithmus kontinuierlich weiter zu optimieren, ist zudem die Weiterentwicklung der Hypothesen erforderlich. Das ist, neben den Kreditexperten, Aufgabe unseres Data-Teams.
Entsprechend besteht rund die Hälfte unseres Teams aus IT- und Daten-Experten.”
Wie können Banken, aber auch staatliche Förderstellen – gerade vor dem Hintergrund eines Bergs an dringenden Anträgen – von Machine-Learning profitieren?
Die wöchentliche Nachfrage der KfW-Kredite ist immer noch viel zu hoch gemessen an den verfügbaren Sachbearbeitern. Und die zweite Welle an Anträgen steht uns noch bevor. Das Problem: Banken kommen auf herkömmlichem Wege – also der analogen wie manuellen Bonitätsprüfung – mit der Bearbeitung der Kredite überhaupt nicht hinterher. Auch wird laut einer Umfrage von Falkensteg fast jeder sechste Antrag abgelehnt. Begründung: Das Risiko sei zu hoch. In vielen Fällen stimmt das überhaupt nicht.
Vielmehr sind die veralteten analogen Instrumente nicht in der Lage, das Risiko in diesem Segment vernünftig zu prognostizieren. In der Folge erhalten Unternehmen im Worst Case erst Kredite, wenn es bereits zu spät ist, oder sie erhalten gar keine Kredite, weil ihre Bonität auf analogem Wege nicht vernünftig geprüft werden kann.”
Beides können wir mit unserer Technologie lösen: Komplett automatisiert und digital garantieren wir Speed – der gesamte Kreditantrag und die Prüfung dauert ein paar Minuten – und Zuverlässigkeit in einem Segment, das nur wenige bedienen können: Dafür steht unsere Ausfallquote im niedrigen einstelligen Bereich und unser Gini-Koeffizient von knapp 70.
Als White- oder Grey-Label-Partner von Banken aber auch öffentlichen Institutionen und weiteren Akteuren im Kreditgeschäft erfüllen wir zudem die hohen erforderlichen Compliance-Ansprüche.”
Die Verbindung traditioneller Bankengüter wie Vertrauen und Kunden mit digitalen Lösungen und Technologien der FinTechs ist eine nicht vermeidbare Kooperation für die Zukunft der Finanzwelt – und auch für die Existenz unzähliger Kleinunternehmen!
Wie lassen sich Partnerschaften zwischen ML-Scoring-Anbieter und Kreditgeber oder staatlicher Förderstelle technologisch umsetzen?
Wir verknüpfen das Frontend unserer Partner mit unserer Technologie. Dadurch läuft die komplette Prüfung der Angaben im Hintergrund automatisiert durch unsere ML-Technologie. Sozusagen “Credit Scoring as a Service” – skalierbar, automatisch und erwiesenermaßen extrem präzise. Win-Win für alle: Banken, Förderstellen und andere Akteure bringen ihr bestehendes Kundennetzwerk ein. Wir unsere innovative Technologie – ideal für das Kundenerlebnis unserer Partner, denen ihre Kundenbeziehung dadurch nicht nur erhalten bleibt, diese erreicht ganz ohne inhouse-Technologie-Entwicklung schlagartig ein neues Level.
Ein zweiter Bereich: Wie funktioniert CFM – inwiefern können die für das Scoring gesammelten Daten auch Auskunft zur Optimierung des eigenen Cash-Flows geben. Wie läuft das technologisch?
Über unser Feature Finiata Analityka erhalten Selbstständige, Freiberufler und Kleinunternehmen eine Übersicht über ihren Cashflow sowie Hinweise und Tipps für ihre Liquiditätsplanung. Die Analysen basieren auf Erkenntnissen des Machine-Learning-Algorithmus „Copernicus“ und werden automatisch generiert.
Das neue Produkt-Feature prognostiziert nicht nur die zukünftige Liquidität, sondern zeigt auch gezielt Einsparpotenziale auf und weist auf Möglichkeiten hin, Engpässe zu überbrücken. Analityka basiert damit auf dem gleichen Verfahren wie die Kreditlinie – mit dem Unterschied, dass die Daten nicht in ein finales Scoring, sondern in einen visualisierten Verlauf der zukünftigen Liquidität fließen, inklusive Kostenpunkten und Einnahmen.”
Wir haben dadurch unsere ohnehin vorhandenen technologiebasierten Erkenntnisse für unsere Kunden anderweitig nutzbar gemacht. Und zwar so, dass sie keine bösen Aha-Momente erleben, sondern mit ausreichend Vorlauf finanzielle Engpässe absehen und mögliche Maßnahmen rechtzeitig ergreifen können.
Herr Stupp, vielen Dank für das Interview.aj
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