Anno Lederer: Fusion & Innovation der Banken-IT und das Leben nach der GAD
Anno Lederer (65) ist der Grandseigneur der Bank-IT. Der Diplom-Kaufmann war Vorstandsvorsitzender der GAD und hat seit 1977 die IT-Dienstleistung für die Volksbanken- und Raiffeisengruppe vorangetrieben. Ruhestand ist keine Option für ihn. Wir haben mit Anno Lederer über Innovationen, die Fusion und seine Pläne gesprochen.
Herr Lederer, nach der COM15 scheint es, als ob in nächster Zeit keine großen, eigenständigen Innovativen von FIDUCIA & GAD zu erwarten sind. Ist das jetzt nur eine Phase?
Sie haben ja schon einige Großfusionen verfolgt und journalistisch begleitet. In einem solchen Mammut-Zusammenführungsprozess muss zwangsläufig eine Phase eintreten, in der man sich auch mit internen Aufgaben beschäftigt. Die Bildung einer neuen Organisationsstruktur, das Thema Führungskräfteauswahl und die wichtige Aufgabe der Kulturzusammenführung erfordern höchste Aufmerksamkeit. Aber es besteht natürlich die Gefahr, dass die Innovationsfreudigkeit und -fähigkeit für einen gewissen Zeitraum in den Hintergrund tritt.
Man muss die Situation sehen, in der sich die Verantwortlichen nun befinden. Die Fusion hat vielen Eigentümern zu lange gedauert. Man erwartet jetzt Ergebnisse. Und eine solche Fusion wird ja zunächst hauptsächlich an ihren Synergien und Kosteneinsparungen gemessen – weniger an dem, was man innovativ in Bewegung setzen kann. Vor allem will man wissen, wann die prognostizierten 125 Millionen eingespart sind.
Das ist eigentlich schade, denn wenn man den klassischen Bankenmarkt ansieht, dann fehlt es hier und da an Innovationen. Und wenn man die Innovationen ausschließlich anderen überlassen würde, schaut man am Ende möglicherweise in die Röhre.
Waren Sie der Treiber bei der GAD, was das Thema Innovationen angeht?
Ich glaube, die GAD ist ein großes, leistungsstarkes und leistungsbereites Team. Da ist natürlich irgendwo ein Kopf erforderlich, der bestimmte Dinge strategisch auf den Weg bringt. Aber ohne ein Team um einen herum, und das ist eine große Mannschaft, kriegen sie die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens alleine nicht gestemmt. Ich habe mich schon in diese Richtung bewegt – das muss man auch als Vorstandsvorsitzender. Dabei darf man aber selbstverständlich die operativen Themen und das Tagesgeschäft nicht aus den Augen verlieren. Natürlich immer im Interesse – und wenn man so will – auch im Auftrag der Volks- und Raiffeisenbanken. Und immer um Denkanstöße zu geben, das war unsere Thematik. Wer solange dabei war wie ich, der weiß, dass IT die Banken seit 35 – 40 Jahren geprägt und verändert hat. IT ist eben nicht nur Commodity, sondern ein Teil eines Geschäftsmodells, das die Zukunft der Banken ausmacht. Ein wichtiger Teil.
Sind Sie damals gegangen oder gegangen worden?
Weder das eine noch das andere. Ich werde in diesem September 65 Jahre. Ich bin gegangen, als ich fast 64 war. Und dass Herr Krings und ich vorher mehrere Anläufe gemacht haben, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfolgreich waren, ist bekannt. Dann sind die Spitzen, die in einem gewissen Alter sind, irgendwann an einem Punkt, wo sie sagen müssen ‘ok, dann müssen jetzt die jungen Leute ran’.
Aber ich bin in vollem Einvernehmen mit meinem Aufsichtsrat und der Chance, meine Nachfolge zu positionieren, in den Ruhestand gegangen. Und ich muss sagen, es war der richtige Zeitpunkt, denn wenn man ein so großes Projekt auf den Weg bringt, kann man nicht sagen ‘Ich kann es aber nur noch ein Jahr begleiten’. Das wäre unklug gewesen.
Wann entschieden Sie, dass es Zeit war die Führung abzugeben?
Herr Brinkmann als Aufsichtsratsvorsitzender der GAD und ich haben über mehrere Wochen diskutiert, wann der richtige Zeitpunkt ist. Und die Generalversammlung 2014 war der richtige Zeitpunkt, um die Stabsübergabe zu machen – und es damit Herrn Toben und auf Seiten der FIDUCIA Herrn Bruns in die Hand zu geben. Beide können das jetzt vollenden, was vorher noch nicht möglich erschien. Dafür gab es viele Gründe und es macht wenig Sinn, diese im Nachhinein nochmal zu beleuchten. Dass man jetzt diese dicken Bretter endlich gebohrt hat und die Klötze aus dem Weg räumen konnte, ist eine tolle Leistung, die man den amtierenden Vorständen durchaus bescheinigen kann.
Da ist dann so ein Urgestein wie ich nicht unbedingt mehr der Richtige, um das zu bewerkstelligen. Ich will mich um Gotteswillen nicht mit einem Fußballtrainer vergleichen – aber ich fand es schön als Jürgen Klopp gesagt hat, ‘Irgendein Großer muss mal gehen, und ich bin das jetzt.’
Als er das sagte – dachte ich mir: ‘Ja, der hat einen richtigen Satz gesprochen’. Und das war – vergleichbar auf beiden Seiten der genossenschaftlichen Rechenzentralen – wohl auch an der Zeit.
Nun können Sie die Arbeit ja nicht so ganz sein lassen. Von absolutem Ruhestand kann man bei Ihnen nicht wirklich sprechen.
Im Vergleich zu früher ist das schon Ruhestand. Ich habe jetzt im Vergleich zu meinem früheren Leben nur noch wenige Tage, an denen ich arbeite. Man hat schon sehr sehr viel Zeit in die GAD investiert. Aber es war auch eine sehr schöne und reizvolle Aufgabe. Jetzt bin ich frei in meinen Entscheidungen.
Was machen Sie jetzt?
Ich bin als Senior Partner bei der Saaman AG eingestiegen. Eine kleine Unternehmensberatung – wir sagen immer Manufaktur – in Freiburg, die sich mit den Themen Leistungskultur, Personaldiagnostik, Coaching etc. beschäftigt.
Eine Unternehmung braucht eine bestimmte Kultur, um seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen zu bringen. Dazu gehört Akzeptanz der Mitarbeiter, Perspektiven für die Mitarbeiter, der Umgang miteinander und, und, und. Damit ist jetzt nicht etwa eine Wohlfühl-Kultur gemeint, aber die Begriffe „Leistung und Kultur“ zu vereinen, das ist auch ein Markenzeichen für die Saaman AG.
Wolfgang Saaman habe ich im Jahre 2012 kennengelernt, als wir in den letzten Zügen der damaligen Fusionsverhandlungen waren. Wir hatten uns die Saaman AG neben anderen Beratungsfirmen bei der FIDUCIA und GAD unter dem Aspekt angesehen, den anstehenden ‘Change-Prozess´ und die ‘Führungskräfteauswahl’ zu begleiten. Bekanntlich sind die Fusionsverhandlungen in 2012 nocht nicht erfolgreich abgeschlossen werden.
Und als ich dann in den Ruhestand ging, hat mich Wolfgang Saaman angesprochen:
‘Was wollen Sie denn in Zukunft machen?’
‘Eigentlich nichts mehr. Ich muss auch nicht mehr….’
‘Ja, könnte man denn nicht …’.
Da ging es dann für Saaman u.a. um die Idee, über mein Netzwerk in andere Gefilde einzusteigen. Da bin ich ein bisschen unterwegs – auch in Richtung Coaching von Führungskräften, die nicht so genau wissen, wo die Reise hingeht. Aber eher im Hintergrund. Ich geh jetzt nicht hin und sage ‘Ich berate jetzt die Deutsche Bank’ – ich bin kein Berater und werde das auch nicht mehr werden. Aber in Richtung strategisches Management oder Innovation kann ich den ein oder anderen Rat sicher noch geben. Und das macht mir auch Spaß.
Innovation ist ein gutes Stichwort. Es sollen sich im deutschsprachigen Raum einige hundert FinTechs tummeln, die alle ein Stück von den Banken, von der Bank-Wertschöpfung abhaben möchten. Was wird die Aufgabe der Banken in den nächsten fünf Jahren werden?
Das Feld, das sich rund um FinTechs – und um das Schlagwort Digitalisierung – herum abspielt, dürfen die Banken in keinem Fall außer acht lassen. Aber ich glaube gerade die dezentral aufgestellten Bankenorganisationen, also die Volks- und Raiffeisenbanken oder auch die Sparkassen, müssen sich meines Erachtens darauf besinnen, dass sie noch ein anderes Asset haben, das ich im Bereich von Beratung angesiedelt sehe.
Ich glaube, dass Kunden sehr, sehr vieles was sie heute noch in der Bank machen, demnächst nicht mehr in der Bank oder mit der Bank machen. Aber ob die Kunden wirklich den sogenannten FinTechs ihr gesamtes Allerheiligstes anvertrauen und sagen ‘Hier, das ist meine Situation – ich leg sie Dir auf den Tisch – mach was für meine verschiedenen Lebensphasen’. Nein, ich glaube, da sind wir weit von entfernt.
Die Volksbanken haben ja das Projekt „Beratungsqualität“ aufgesetzt, um bei ihren Kunden Kunden gut unterwegs zu sein – aber vor allem auch im mittleren oder höheren Segment kann man punkten, wenn man Kunden über einen längeren Zeitraum begleitet. Die Bank/Kunde-Beziehung halte ich nach wie vor für sehr wesentlich. Und wenn man das Konto hat, hat man ja bekanntlich alle Möglichkeiten, mit dem Kunden ins Geschäft zu kommen.
Bei den FinTechs gibt es ja aktuell auch faszinierende Entwicklungen. Die Wirecard Bank z.B. hat mit Number26 eine Kontoeröffnung über Internet komplett videobasiert auf den Markt gebracht.
Mit solchen Dingen haben wir uns doch alle immer sehr schwer getan. Wie kriegt man eine Kontoeröffnung hin, ohne dass man den Kunden in die Bank bittet oder ein PostIdent-Verfahren macht? Und jetzt legen die bei Number26 so ein Ding hin. Ich hab da aus Interesse und Neugier mal ein Konto eröffnet und siehe da, es hat hervorragend funktioniert. Ich glaube noch nicht mal, dass es mehr als fünf Minuten gedauert hat. Zwar müssen sie ein bisschen was vorbereiten, aber sie müssen eben nirgendwo hin laufen. Sie müssen nur, wenn sie das Video-Telefonat starten, den Personalausweis auf dem Tisch haben und das ist alles. Das geht alles ratz-fatz. Da bin ich echt fasziniert.
Und das sind natürlich schon Themen, bei denen sich die Banken überlegen müssen, wie sie demnächst neue Kunden bekommen, wenn solche Angebote auf dem Markt sind, die gerade auch viele jungen Leute besonders ansprechen dürften.
Warum können das nur wenige klassische Banken?
Nun zu meiner Zeit war klar ‘Das geht nicht’, denn die Unterschrift muss geleistet werden, entweder in der Bank oder per PostIdent-Verfahren. Das ist ja ein Ärgernis schlechthin. Wenn ich ein Konto in München machen will, muss ich entweder nach München fahren oder hier zur Post gehen. Das haben die jetzt anders gelöst. Und wenn es mit der Aufsicht geklärt ist, dann sind wir schon einen riesigen Schritt weiter, dann wird das bei anderen Banken und Organisationen in Zukunft auch möglich sein. Und ich muss nochmal sagen, Hut ab, der Prozess ist so simpel und so hervorragend in einem so kleinen Zeitfenster abzuwickeln, à la bonne heure.
Noch mal zurück zur Fusion von Fiducia und GAD, mit der Fusion müssen ja auch bank21 und agree in agree21 verschmolzen werden. Wie sehen Sie das?
Ich glaube, dass die beiden Häuser es hinbekommen, aus zwei guten Verfahren ein noch besseres zu machen. So wie ich das verstanden habe, heißt das, dass man das Beste aus den beiden Welten zusammenführen wird. Es ist klar und verabredet: die Basis ist agree. Das ist ein wichtiger Teil des Beschlusses. Die Aufgabe ist, auf agree zu migrieren und dabei zu sehen, dass man wichtige Funktionen aus bank21 weiter sicherstellen kann.
Dafür werden rund fünf Jahre veranschlagt, das wird eine spannende Herausforderung sein.
Ja, und es wird allen Verantwortlichen eine Menge abverlangen. Aber es bleibt am Ende immer die Aussage: diese Fusion musste sein. Sie hat den erforderlichen Prozess der Konsolidierung der IT bei den Genossen abgeschlossen.
Dass man das ein oder andere dabei „erleiden“ und „durchlaufen“ muss – auch als Anwender – war immer klar. Ich bin der festen Überzeugung, , dass die Kollegen im Vorstand des nun vereinigten Unternehmens genug Kraft und Potential haben, um das so auf die Reihe zu bringen, dass die Volks- und Raiffeisenbanken auch bezüglich ihrer IT für die vielfältigen Herausforderungen der Zukunft gerüstet sein werden.
Ein schönes Schlusswort, Herr Lederer. Ich danke Ihnen sehr herzlich für das sehr gute und offene Gespräch.aj
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