Application Outsourcing: Hebel für mehr Flexibilität bei geringeren Kosten
Immer mehr Banken stoßen an die Grenzen ihrer IT-Kapazitäten. Die digitale Transformation verschärft den Druck ebenso wie die Umsetzung immer neuer Regulierungsvorgaben im laufenden Betrieb. Finanzinstitute setzen daher wieder verstärkt auf Application Outsourcing: Nach der Auslagerung der Infrastruktur und der bankfachlichen Prozesse rücken zunehmend auch die Anwendungslandschaften in den Fokus der Überlegungen.
von Bernd-Josef Kohl, Executive Director GFT Germany und Michael Kannemacher, Senior Manager GFT Germany
Die Auslagerung von Geschäftsprozessen und Anwendungsarchitekturen ist in der Finanzbranche ein heiß diskutiertes Thema. Cleveres Outsourcing von Prozessen, Anwendungen oder des gesamten Anwendungsportfolios eröffnet Chancen, denen sich keine Bank verschließen sollte.Denn: Die Finanzbranche steht vor massiven Herausforderungen – von der Digitalisierung über die Dauerniedrigzinsen bis hin zu den immer restriktiveren regulatorischen Bestimmungen.
Für die Umsetzung und den Betrieb einer Anwendungslandschaft sollte der IT-Provider einen hohen Reifegrad und eine breite Palette an Fähigkeiten mitbringen. Neben technischem Know-how für die Transformation bzw. den dauerhaften Betrieb der Applikationslandschaft ist auch branchenspezifisches Business-Verständnis erforderlich. Nur dann führen die fachlichen Anforderungen zu passgenauen Entwicklungen. Darüber hinaus sind hohe regulatorische Skills notwendig, um die Auflagen der Aufsichtsbehörden zu erfüllen. Dazu zählen auf nationaler Ebene unter anderem die von der BaFin veröffentlichten Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) und die Bankenaufsichtlichen Anforderungen an die IT (BAIT). International sind hier unter anderem die Outsourcing-Guidelines der European Banking Authority maßgeblich (EBA/CP/2018/11).Outsourcing ist aber keineswegs gleich Outsourcing. Vier Phasen sind dabei zu unterscheiden: die reine Auslagerung der IT-Infrastruktur, neben dem Outsourcing der Infrastruktur auch die Übernahme des Supports, die Auslagerung von Businessprozessen sowie die vollständige Übernahme der IT-Anwendungslandschaften inklusive der Verantwortung für die Einhaltung der relevanten regulatorischen Vorgaben durch einen spezialisierten Dienstleister.”
Outsourcing: Langfristige Zusammenarbeit auf Augenhöhe gefragt
Am Anfang jedes professionell gemanagten Outsourcing-Vorhabens steht ein Vertrag, der das Zusammenarbeitsmodell zwischen der Bank und dem IT-Provider mit eindeutigen Leistungsmerkmalen festschreibt. Hier werden alle wichtigen Punkte dokumentiert – vom jeweiligen Service-Level über Change-Verfahren bis zur Haftungs- und Schadensregulierung. Sollen neben den Anwendungen auch die aktuell betreuenden Teams mit ausgelagert werden, spielt dies eine große Bedeutung nicht nur für den Dienstleister, sondern auch für die Mitarbeiter. Dabei gilt es verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, etwa die reibungslose Integration in die Organisation des Dienstleisters. Eine Kündigungswelle lässt sich vermeiden, wenn den neuen Mitarbeitern Perspektiven aufgezeigt werden, unter anderem durch die gezielte Weiterqualifizierung für höherwertige Jobs. Infolge der Skill-Einstufung in der Transitionsphase und des anschließenden Übergangs in das Karrieremodell sowie der kontinuierlichen Weiterentwicklung ergeben sich für Mitarbeiter interessante Aufgabenfelder – etwa beim Einsatz für andere Kunden.
Neben dem Einsparpotenzial der laufenden Kosten – sicherlich für Banken nach wie vor der wichtigste Grund für die Auslagerung von IT-Funktionen – sollten perspektivisch allerdings im Mittelpunkt einer langfristigen Partnerschaft mit einem IT-Dienstleister nicht nur Kostensenkungen stehen, sondern vielmehr gemeinsame Entwicklungsziele wie Modernisierung oder Innovationen.”
Das steht mitunter im Gegensatz zum häufig verwendeten Begriff Outsourcing, der lediglich die Auslagerung von Aufgaben enthält, die sich leicht automatisieren und in ein Land mit niedrigerem Lohnniveau auslagern lassen. Höheres Potenzial liegt jedoch in der Übertragung von Anwendungen und deren abgebildeten Geschäftsprozessen, die von komplexer bankfachlicher Natur sind und optimiert werden können. Die Übernahme solcher Aufgaben durch einen Partner verlangt ausgefeilte Vorgehensmodelle. Nach der Transition reicht es nicht, nur den „Ist-Zustand“ vor Übernahme sicherzustellen, vielmehr gilt es auch, ständig den aktuellen Bebauungsplan zu hinterfragen, um rechtzeitig aktuellen Trends folgen zu können. Für die Realisierung größerer Digitalisierungsvorhaben sind Kenntnisse nötig, die in vielen bankeneigenen IT-Abteilungen fehlen. Selbst wer die Kernanwendungen bis ins letzte Detail kennt, ist noch längst nicht in der Lage, eine App mit gelungener User Experience zu entwickeln oder Algorithmen für die Datenanalyse zu konzeptionieren und in marktreife Anwendungen zu verwandeln.
Michael Kannemacher ist seit 2011 als Senior Manager Business Consulting bei der GFT Technologies tätig. Zu seinen Verantwortungsbereichen gehört die Practice Finanzarchitektur in Deutschland und Themenfelder wie Datenmanagement, Big Data, Datenvirtualisierung – von der Identifizierung fachlicher Aufgabenstellungen bis hin zur technischen Umsetzbarkeit.
Dass die Auslagerung der Anwendungslandschaften auch mit Risiken verbunden ist, darf ebenfalls nicht verschwiegen werden. Deshalb sollte am Anfang ein sorgfältiges Assessment der Prozess- und Anwendungslandschaft stehen. Erst danach folgt die gemeinschaftliche Planung der Transitionsschritte. So lässt sich herausfinden, in welchen fachlichen Domänen – bezogen auf die Anwendungslandschaft – die stärksten Verbesserungen realisierbar sind.
Neben dem Outsourcing sind allerdings für Banken auch andere Modelle denkbar: So etwa die Nutzung von Services eines anderen Kreditinstitutes oder Dienstleisters oder ein Banking-as-a-Platform-Konzept (BaaP): Hier wird die Bank zum Betreiber eines zentralen Marktplatzes für Finanzdienstleistungen, auf dem auch Applikationen anderer Unternehmen angeboten werden. Dabei übernimmt das Kreditinstitut die Verantwortung für die Erfüllung aller regulatorischen und sicherheitsrelevanten Vorgaben. Dieses Modell wird jedoch nur für einige Finanzinstitute interessant sein; die Mehrheit wird die entsprechenden Plattformen anderer Anbieter nutzen.
Beratung und Expertise zum Schnäppchenpreis?
Wer mit Outsourcing-Projekten erfolgreich sein will, sollte auf eine langfristige Business-Strategie setzen. Schnellschüsse bergen die Gefahr des Scheiterns und sind daher ebenso wenig zu empfehlen wie umfassende Kooperationen mit FinTech-Unternehmen, die bei der Übernahme kompletter IT-Landschaften häufig mit der Einhaltung umfassender Compliance-Vorgaben überfordert sein könnten. Zudem sind langjährige Erfahrung und professionelles Umsetzungs-Know-how selten zum Schnäppchenpreis zu haben. Am Ende zahlt die Bank womöglich drauf, wenn die Programmierer des Partners kein Deutsch verstehen und zu den Kernarbeitszeiten des Kunden schlecht erreichbar sind. Deshalb sollte man einem Anbieter den Vorzug geben, der einen Onsite-Einsatz mit Nearshore-Ressourcen und qualifizierten Entwicklern verbindet, die aus demselben Kulturkreis und derselben Zeitzone kommen. Beispielsweise aus Polen: Während Firmen in Deutschland händeringend nach IT-Fachleuten suchen, gibt es dort mehr als 1000 Entwicklungszentren mit rund 240.000 Software-Spezialisten.
Neben technischer Expertise verfügt der passende IT-Partner auch über Marktkenntnisse der Finanzbranche und Entwickler, die in der Lage sind, innovative Ideen auf technischer Ebene umzusetzen. Eine Allianz auf Augenhöhe, die durch gegenseitiges Vertrauen geprägt ist, gibt Banken die Möglichkeit, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und dennoch die Transformation ihrer Geschäftsfelder voranzutreiben. Nur im Dialog zwischen Bank und IT-Dienstleister können Lösungen entstehen, die zu Wettbewerbsvorteilen führen und die Finanzhäuser fit für die Zukunft machen.aj
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