BaFin warnt vor möglichen Bankenpleiten – und rüstet bei der Forensik auf
Die Bankenaufsicht BaFin schließt nicht aus, dass einige Institute die Coronakrise nicht überstehen werden. Dennoch sei der generelle Bankensektor in Deutschland solide und es bestehe kein Anlass, dies in Zweifel zu ziehen. Gleichzeitig hat die BaFin angekündigt, in Zukunft noch genauer hinschauen zu wollen. Der neue BaFin-Chef Mark Branson, der von der Schweizer Finma kommt, könnte hier für frischen Wind sorgen.
Vor einem Jahr hat die BaFin angesichts ihrer Jahrespressekonferenz erklärt, dass der Bankensektor in Deutschland widerstandsfähig sei und auch in der Pandemie belastbar bleiben werde. Eine Aussage, die sich bislang bewahrheitet hat, obwohl – so erklärt Raimund Röseler, dienstältester Exekutivdirektor im Amt – durchaus Nachrichtenwert habe.Eine Entwarnung können wir derzeit nur für das System aussprechen, also die Branche als Ganzes. Das eine oder andere Institut, das schon vor der Krise auf wackligen Beinen stand, übersteht die Pandemie möglicherweise nicht. Was bedauerlich wäre, aber in einer Marktwirtschaft nicht ungewöhnlich.“
Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht, BaFin
Dennoch machte der dienstälteste Exekutivdirektor der BaFin, der in Vertretung für den Präsidenten die Jahrespressekonferenz der BaFin abhielt, deutlich, dass die Bankenaufsicht hier im Zweifelsfall das Schicksal in den Händen des jeweiligen Managements sieht und die BaFin nur dafür sorgt, dass die Insolvenz gegebenenfalls ordentlich vonstatten gehe. Man könne bereits heute absehen, dass nicht alle von der Pandemie betroffenen Unternehmen der Realwirtschaft die Krise überstehen werden – ein gewisser Zeitverzug nach Ende der Hilfsprogramme sei hier zu erwarten. Wichtig sei auch zu bedenken, dass der deutsche Bankensektor bereits nach der Finanzkrise 2007/08 gestärkt worden sei.
Deutsche Institute haben vielleicht ein Ertragsproblem. Sie hatten aber bislang anders als Banken in anderen Ländern kein NPL-Problem. Und wir erwarten dies auch jetzt nicht.“
Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht, BaFin
Röseler machte aber deutlich, dass Institute dauerhaft rigoros Kosten senken müssten, um wettbewerbsfähig im internationalen Wettbewerbe zu bleiben. „In den letzten 15 Jahren ist die Cost-Income-Ratio der Institute eigentlich fast durchgängig gestiegen. Was nicht nur an sinkenden Erträgen, sondern auch an steigenden operativen Kosten lag.“ Auch die Digitalisierung werde zum Stresstest für die traditionellen Institute. Die Pandemie schließlich sei ein Katalysator einer Entwicklung, die sich ohnehin bereits abzeichnete.
BaFin überprüft in Zukunft intensiver die Geschäftsmodelle
Für die BaFin bedeute das, dass man die Aufsicht an die neue Realität anpassen müsse und noch mehr auf die Geschäftsmodelle der Institute schauen müsse – auch hinter die Fassade. Denn traditionelle KPIs wie Eigenkapitalquote und Liquiditätskennziffern seien zwar ein gutes Indiz, aber kaum ausreichend. Gleichzeitig bekräftigt Röseler, die BaFin habe vor allem bei der Greensill Bank gute Arbeit geleistet. „Wir hatten aufgedeckt, dass die Bank das breit diversifizierte Kreditportfolio, das sie in ihrer Bilanz auswies, gar nicht hatte.“ Auch im Fall Wirecard habe man „sehr genau und sehr umfassend analysiert, welche Schlussfolgerungen wir daraus für unsere Arbeitsweise ziehen müssen.“ Immerhin – selbstbewusste Haltung einer Aufsichtsbehörde, die einen Milliardenskandal nicht verhindern konnte.
Klar sei bereits heute, dass man bei den Aufsichtsansätzen vieles neu denken müsse.
Das vom Bundesministerium der Finanzen gestartete Projekt zur Modernisierung der BaFin unterstützen wir aus voller Überzeugung. Im Zusammenwirken mit dem geplanten FISG wird es uns schlagkräftiger machen. Und zwar noch in diesem Jahr.“
Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht, BaFin
Noch in diesem Monat solle der Pilot der künftigen Fokusaufsicht live gehen. Mit dieser werde man intensiver hinter die Fassade von Banken und anderen Unternehmen mit komplexem und innovativem Geschäftsmodell schauen. Eine Kampfansage an die FinTech-Wirtschaft? Man kann dies nur mutmaßen, es aber durchaus so deuten. Der Umgang mit N26 könnte dies nahelegen. Doch es kann sicher nicht schaden, wenn die BaFin generell etwas selbstbewusster und mit weniger Zögern agiert – im Interesse der Gesellschaft und letzten Endes auch der Banken und Finanzdienstleister, deren Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften die Sicherheit der Geschäftsmodelle und das Vertrauen der Kunden ist.
BaFin will auf schnelle Eingreiftruppe setzen
Abgesehen von der Fokusaufsicht gehöre zu den Modernisierungsmaßnahmen der BaFin aber auch die künftige Taskforce, die Mitte August an den Start gehen und Hand in Hand mit der Fokusaufsicht arbeiten solle.
Die Taskforce wird unsere eigene schnelle Eingreiftruppe werden, die von jetzt auf gleich ausrücken kann, um an Ort und Stelle zu prüfen, in den Unternehmen. Gerade wenn es schnell gehen muss, wollen wir nicht erst ein zeitraubendes Vergabeverfahren anstoßen müssen, um einen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen.“
Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht, BaFin
Die Taskforce solle in Eigenregie auch forensische Prüfungen vornehmen können. Diese spielte in der Vergangenheit nur eine untergeordnete Rolle in der Verfolgung unerlaubter Geschäfte. Röseler erklärt, dass er sich von dieser eigenen forensischen Expertise „einen deutlichen Zugewinn an Schlagkraft“ verspreche. Auch bei der Bilanzkontrolle soll es in Zukunft – eine Lehre aus dem Fall Wirecard – möglich sein, Verdachtsmomente auf fehlerhafte Rechnungslegung bis hin zum Bilanzbetrug möglichst frühzeitig und effektiv zu identifizieren. Klar müsse aber sein, dass die Aufsicht grundsätzlich nicht möglich sei, jede Art von Kriminalität zu verhindern.tw
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