STUDIEN & UMFRAGEN31. August 2021

Bain & Company: Europäische Banken hinken bei KI-Nutzung hinterher

Einzelne KI-Projekte, die insbesondere auf Kostensenkungen abzielen, reichen nicht aus, so die Analyse von Bain & Company. Vorreiter aus den USA zeigen, dass KI viel mehr bedeutet – und Nachzügler müssten zunehmend mit Geschäftseinbußen rechnen, warnen die Bain-Analysten. Mit dem Einsatz von KI würden die Karten in der globalen Bankenbranche neu gemischt.

US-Banken liegen weit vor, europäische und insbesondere deutsche Institute hinken dagegen hinterher, so die Bain-Analyse. <Q>Bain & Company
US-Banken liegen weit vor, europäische und insbesondere deutsche Institute hinken dagegen hinterher, so die Bain-Analyse. Bain & Company

 

Global gesehen verzichtet zwar kaum noch eine Bank auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI), allerdings oft nur begrenzt auf einzelne Anwendungen. Die Einsatzmöglichkeiten sind breit gefächert, wie etwa Chatbots, Virtual Agents, intelligente 360-Grad-Kundenplattformen oder automatisierte Prozesse im Risikomanagement und bei der Kreditvergabe.

Doch nur wenige Finanzinstitute verfolgen eine einheitliche Strategie, die mit entsprechenden Ressourcen hinterlegt ist. Die Vorreiter beim Thema KI nutzen sämtliche Möglichkeiten des maschinellen Lernens sowie der Automatisierung menschlicher Denkprozesse entlang ihrer Wertschöpfungskette. Sie profitieren auf verschiedenen Ebenen von KI, nicht allein durch Kosteneinsparungen, so das Fazit der aktuellen Analyse der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company (Website). Sie hat mehr den Einsatz von KI bei als 40 führenden Banken in Europa, Nordamerika und im asiatisch-pazifischen Raum untersucht.

Europa und Deutschland suchen Anschluss

Europäische Banken, darunter auch namhafte deutsche und schweizerische Anbieter, verfügen mittlerweile über eine gewisse Erfahrung beim KI-Einsatz, so ein Ergebnis der Analyse. In der Gruppe der Vorreiter findet sich allerdings mit einem spanischen Institut ein einziger Vertreter aus Europa. Dominierend sind US-Banken, denen Christian Westermann, Expert Partner bei Bain, einen teils mehrjährigen Vorsprung attestiert. Viele europäische Banken agierten noch sehr zögerlich, so der KI-Experte. Dadurch könnte speziell das Firmenkundengeschäft der europäischen Häuser, das im globalen Wettbewerb steht, in Gefahr geraten.

Gerade in diesem hart umkämpften Markt wissen die US-Banken durch den konsequenten Einsatz künstlicher Intelligenz mehr über die Bedürfnisse ihrer Kundschaft und können so Angebote rascher unterbreiten und individueller gestalten. Zudem profitieren sie laut Westermann von einem höheren Automatisierungsgrad ihrer Prozesse.

Höheren Erwartungen gerecht werden

Die Analyse der Unternehmensberatung spricht eine deutliche Warnung in Richtung der KI-Nachzügler aus: Werde die Technologie nur unzureichend genutzt, müsse man im Retail-Geschäft mittelfristig mit Einbußen rechnen, wenn den wachsenden Kundenansprüchen nicht Rechnung getragen werde.

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Bain & Company

Die Corona-Krise hat die Akzeptanz von KI-gestützten Tools wie virtuellen Agenten bei der Kundschaft deutlich erhöht. Durch Onlinebestellungen und -interaktionen in anderen Branchen haben Privatkundinnen und -kunden zudem gelernt, wie schnell und einfach digitale Prozesse funktionieren können. Sie erwarten ein solches Angebot nun auch zunehmend von ihrer Hausbank, andernfalls schauen sie sich nach Alternativen um.“

Dr. Florian Mueller, Bain-Partner und Leiter der Praxisgruppe Advanced Analytics EMEA

Der Bain-Experte für Financial Services verweist als Beispiel auf den virtuellen Agent Erica, ein Chatbot der Bank of America (BoA), der einen reibungslosen 24-Stunden-Service an sieben Tagen in der Woche ermöglicht. Nach BoA-Angaben hat Erica bereits Millionen von Anfragen effizient beantwortet. Damit setze das Institut neue Maßstäbe, an denen sich das Anspruchsniveau der Kunden orientiert. Banken müssten im digitalen Zeitalter rund um die Uhr erreichbar sein und eine hohe Servicequalität bieten, ohne dass die Kosten in die Höhe schnellen, macht Mueller deutlich.

Mehrwerte der Künstlichen Intelligenz

Nach Erkenntnissen der Bain-Experten dominiert bei europäischen Banken die Motivation, mittels KI Kosten einzusparen. Doch dies greife zu kurz.

Kosteneffizienz ist demnach zwar die eine Seite der Medaille. Sie speist sich zum einen aus gesteigerter Produktivität, etwa durch Automatisierung und ständige Erreichbarkeit, zum anderen aus der höheren Servicequalität, die sich aus der Einbeziehung sämtlicher Informationsquellen ergibt. Bis zu 80 Prozent Effizienzsteigerung lassen sich so laut Bain & Company erreichen. Auf der anderen Seite gehe es aber auch darum, individuellere Angebote zu machen und Fortschritte im Risikomanagement zu erreichen.

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Bain & Company

Künstliche Intelligenz ist eine der effektivsten Antworten auf die fundamentalen Herausforderungen der Banken in diesem Jahrzehnt. Institute können so über digitale Kanäle personalisiert zu jeder Zeit und an jedem Tag mit Kundinnen und Kunden interagieren und sie wieder stärker binden. Zugleich lassen sich mit dieser Technologie Risiken besser erkennen, quantifizieren und überwachen.“

Dr. Christian Westermann, Expert Partner bei Bain

Den europäischen Banken empfiehlt der Bain-Experte daher, sich vom Einsatz einzelner, punktueller Anwendungen zu lösen und stattdessen unternehmensweit einheitliche Ziele und eine abteilungsübergreifende langfristige Strategie zu entwickeln sowie deren konsequente Umsetzung zu verfolgen. Für Westermann ist die Strukturierung und Priorisierung der einzelnen Initiativen im Rahmen einer klaren Strategie der Schlüssel zum Erfolg beim Einsatz von KI.

„Karten werden neu gemischt“

Vielerorts werde beispielsweise mit der Automatisierung der Kreditvergabe begonnen. Hier gelte es, sich im ersten Schritt auf eine Technologie, eine Plattform und eine Datenbasis zu verständigen sowie alles institutsweit unter Einbindung von Risikomanagement und Compliance zu installieren. Dann würde es im zweiten Schritt möglich, in den einzelnen Geschäftsbereichen gezielt wertschaffende Prozesse zu etablieren sowie eventuell auch das Pricing zu automatisieren.

Nun gelte es, keine Zeit zu verlieren, denn KI werde insbesondere für Banken in der DACH-Region zum Katalysator beim tiefgreifenden Wandel der Geschäftsmodelle. „Je früher ein Haus tätig wird und sich systematisch mit KI auseinandersetzt, desto eher kann es sich einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung verschaffen“, ist sich Westermann sicher. Skaleneffekte, wachsende Erfahrung und höhere Kundenzufriedenheit gingen mit einer wachsenden Rendite einher. Bain-Partner Mueller prognostiziert sogar:

Mit KI werden die Karten in der globalen Bankenlandschaft neu gemischt.“

hj

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