Was Banken und Versicherer aus der Krise lernen können: Plädoyer für Werte, Flexibilität & Zukunft
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Man wacht morgens auf und schüttelt sich und denkt: „Ist das alles wirklich real?“ Dann fährt man zum Bäcker ein paar Brötchen holen, sieht die leeren Straßen, die „Geschlossen-Schilder“ an den Geschäften und kommt sich vor wie in einem schlechten Film, der irgendwie Zeitlupe abläuft. Man versucht die Bedeutung dessen, was sich ereignet hat, zu begreifen und kann doch die Tragweite dieser Pandemie nicht wirklich einschätzen. Und doch: Jetzt ist die Zeit, das Unternehmen ihre Werte, Flexibilität & die Zukunft hinterfragen und planen.
von Michael Mayer, Dilligentia
Die meisten Regeln, die unser soziales, gesellschaftliches und wirtschaftliches Zusammenleben geprägt haben, wurden innerhalb von nur ein paar Wochen über Bord gefegt. Geblieben ist eine gefühlte Leere, die einem orientierungslos zurücklässt und keine perspektivischen Planungen für die Zukunft erlaubt.Doch diese gefühlte Leere ist nicht real. In den zurückliegenden Wochen ist Unglaubliches passiert. Millionen von Menschen haben unter dem Eindruck der Ereignisse ihre Einstellung und ihr Verhalten kurzfristig grundlegend geändert!”
Wie viel tausend Seiten gibt es in der Managementliteratur, die beschreiben wie langwierig und schwierig Veränderungs- bzw. Change-Prozesse sind. Hinzu kommt eine Unmenge an Rezeptvorschlägen für gelungene Change-Prozesse, die in der Praxis versagen und höchsten zwei bis drei Sterne bekommen. Und jetzt verändern Millionen von Menschen – ohne Rücksicht auf die bisherige Managementliteratur – von „heute auf morgen“ zielgerichtet ihr Verhalten. Wie hat das funktioniert? Oder anders formuliert: Warum haben sich viele Unternehmen damit in der Vergangenheit so schwer getan?
Auf den ersten Blick spielt sicherlich die Dimension und Bedrohlichkeit der Pandemie eine große Rolle. Bei genauer Betrachtung wird auf den zweiten Blick aber auch eine dahinterliegende Struktur sichtbar, die Grundlage für diesen schnellen Veränderungsprozess war.
SINN:
Viktor E. Frankl bezeichnet Sinn als den „Schrittmacher des Seins“. Das Streben nach Sinn, sinnvollen Tätigkeiten gehört zu unseren stärksten Bedürfnissen und ist unsere mit Abstand größte Motivationskraft. Angesichts der Krise haben sich Millionen von Menschen bewusst oder unbewusst auf den gleichen Sinn verständigt:
- Menschenleben zu retten –
ZIEL:
Diese Menschen haben alle das gleiche Ziel, um dem Sinn Ausdruck zu verleihen:
- Die Epidemie an ihrer schnellen Ausbreitung zu hindern bzw. zu stoppen, um
- B. die Kapazitäten der Krankenhäuser zur Behandlung Schwersterkrankter sicherzustellen, …
WERTE:
Unsere Werte sind die unbewussten Schalter in unserem Gehirn. In ihnen verdichten sich die Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gesammelt haben. Sie lenken unser Verhalten und entscheiden darüber, was uns wichtig oder unwichtig ist im Leben. Einer der wichtigsten Managementdenker unser Zeit, Peter Drucker, sagte dazu einmal: „In Übereinstimmung zu bringen, was wir über unsere Wertvorstellungen sagen und wie wir sie leben, kann ungeahnte Kräfte freisetzen.“ Genau diese Kräfte brauchen wir jetzt alle, damit wir angesichts der Krise unser gemeinsames Ziel erreichen können. Und deswegen hat ein Großteil der Bevölkerung angefangen, seine Werte zu verändern und an dem gemeinsamen Ziel auszurichten. Werte wie z.B. Solidarität, Verantwortung und Demut steuern immer mehr, was uns wichtig und weniger wichtig ist. Werte wie wirtschaftliches Wachstum, Konsumbefriedigung, Rentabilität, Qualität, Ehrgeiz, Effizienz, Kundenorientierung treten angesichts der Situation in den Hintergrund und verlieren b.a.w. ihre verhaltenslenkende Wirkung.
VERHALTEN(SREGELN)
Solidarität:
- Ich helfe allen Menschen, die von dieser Situation besonders betroffen sind (alte Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen, Krankenschwestern, Verkäuferinnen, Ärzten…) und zolle Ihnen die entsprechende Anerkennung
- Ich halte verstärkt Kontakt mit Menschen, auch wenn dies nicht Face to Face möglich ist
- Ich tätige keine Hamsterkäufe
Verantwortung:
- Ich reduziere meine sozialen Kontakte auf ein Minimum
- Ich bleibe zu Hause, außer zum Einkaufen, für Arztbesuche…
- Ich wasche mir regelmäßig die Hände
- Ich halte mindestens 2m Abstand zu meinem Gesprächspartner
- Ich ernähre mich gesund
Demut:
- Ich überdenke angesichts der Situation meine bisherigen Verhaltensweisen und stelle diese auf den Prüfstand
- Ich bin dankbar für die kleinen und einfachen Dinge in meinem Leben
Erst durch diese Verhaltensregeln können wir ERLEBEN, ob unser Gegenüber diese Werte lebt, welche uns helfen, die Epidemie an ihrer Ausbreitung zu hindern (Ziel) und Menschenleben zu retten (Sinn).
Diese Krise wird nachhaltige und langfristige Auswirkungen haben, weil sie das Wertegerüst der Menschen geändert hat. Oder anders formuliert: Die Hardware ist gleich geblieben, aber die Software ist neu. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte stellen viele Regierungen Gesundheit und Liquiditätssicherung über das Dogma des Wirtschafts- (=Wohlstands-)wachstums. Die Arbeitswelt, das Reisen, der Konsum und viele andere Dinge werden sich verändern. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach der Krise wir eine komplett andere Situation, eine andere Welt, mit neuen „Spielregeln“ vorfinden, ist relativ hoch.
D.h. jeder Mensch, jedes Team, jede Abteilung, jedes Unternehmen, jede Organisation hat JETZT die Chance und die Verpflichtung, sich neu auszurichten.”
Vielleicht überdenken wir ja einmal den Umgang miteinander, das Arbeitsklima, das in unseren Firmen herrscht. Laut einer seit dem Jahr 2001 regelmäßig durchgeführten Studie der Unternehmensberatung Gallup sind nur 15-20% der Arbeitnehmer mit dem Herzen dabei (Anm. d. Autors: Sehen einen Sinn in dem, was sie tun). Ein seit Jahren konstanter, sehr niedriger Wert. Wenn Ihr Arbeitsklima verbesserungsbedürftig ist, sie eine relativ hohe Fluktuation haben bzw. Sie nicht attraktiv genug für Ihre Kunden bzw. neue Bewerber sind, dann ist JETZT der Zeitpunkt, dies zu ändern. Geprägt durch die Erfahrungen der Vergangenheit und die Berichte der Managementliteratur werden viele die Annahme treffen, dass dies schwierig sei. Einer der Hauptfehler von uns, speziell von Führungskräften, ist, Annahmen zu treffen. Sie limitieren unser Denken, schränken unsere Flexibilität ein, legen uns zu früh auf eine Position fest und halten uns von notwendigem Handeln ab. Die einzige Möglichkeit, die Richtigkeit von Annahmen zu überprüfen, ist die Dinge vorbehaltslos zu tun!
Deshalb meine Empfehlung an Sie:
Lernen Sie von der Krise.
1. Sorgen Sie für einen gemeinsamen SINN, mit dem sich alle identifizieren können (Anm. d. Autors: Geldverdienen an sich macht keinen Sinn, sondern ist nur Mittel zum Zweck).2. Richten Sie Ihre Ziele am Sinn des Unternehmens aus.
3. Finden Sie genau die spezifischen Werte, die Ihnen optimal helfen, das Verhalten aller am Sinn und den Zielen des Unternehmens auszurichten.
4. Unterlegen Sie die Werte mit konkreten Verhaltensnormen, welche den Maßstab, den Leitfaden und den Orientierungspunkt für das Verhalten aller bilden.
5. Sorgen Sie dafür, dass alle Ihre Führungskräfte Sinn, Ziele, Werte und Verhaltensweisen im Schlaf aufsagen können und in jeder Minute ihrer beruflichen Tätigkeit vorleben!
6. Bauen sie bei allem, was Sie tun, regelmäßig Feedbackschleifen ein! Entspricht unser Verhalten, unser Umgang mit Kunden, unser Prozesse, unsere CSR… unserem Sinn, unseren Zielen, unseren Werten und Verhaltensweisen.
Meine Erfahrung ist, dass wenn Sie dies tun, Veränderungs- und Change-Prozesse nicht schwierig und langwierig sein müssen, sondern dass dies schnell, effizient, in einer hohen Qualität und vor allem nachhaltig sein kann.
Nutzen Sie die Chance und diskutieren Sie mit, welche Veränderungen Sie sich für die Zukunft wünschen würden.Michael Mayer, Dilligentia
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