Banking: Die Ankunft der digitalen Keiretsus – Alibaba/Ant Financials, SoftBank, Tencent, Baidu, …
In den 1980er und 1990er Jahren sorgten die japanischen Keiretsus (wirtschaftliche Zusammenschlüsse) in westlichen Regierungs- und Wirtschaftskreisen für einiges Unbehagen. Für Johann Engelhard repräsentieren die Keiretsus bereits den Typus der Netzwerkorganisation. Keiretsus verdanken ihre Marktmacht und ihren Zusammenhalt nicht selten familiären bzw. familienähnlichen Verbindungen. Nicht wenige Keiretsus verfügen über eine jahrhundertelange Tradition. Die größten und bekanntesten sind Mitsubishi, Sumitomo, Mitsui, Sanwa und Dai-Ichi-Kangyo. Das Angebot reicht dabei von der Produktion bis zum Handel und Banking. Auf das Haus Mitsui beispielsweise geht die Einführung des modernen Bankwesens in Japan zurück.
von Ralf Keuper, Blogger und Kolumnist
In den letzten Jahren haben sich neue Netzwerkorganisationen gebildet, die eine große Ähnlichkeit mit den Keiretsus haben.Genannt seien Alibaba/Ant Financials, SoftBank, Tencent, Baidu, Google, Amazon, Apple, Samsung und facebook, die (auch von mir) häufig als digitale Ökosysteme bezeichnet werden. Bei aller Rivalität kommt es zu gelegentlichen Kooperationen und gegenseitigen Beteiligungen. Was die klassischen Keiretsus für die Industriegesellschaft waren, sind die neuen Keiretsus für die digitale Ökonomie. Das Spektrum beinhaltet die Herstellung (Smartphones, Tablet-PCs, Smart Watches, PCs, Armbänder, Smart TVs) den Handel (E-Commerce), Unterhaltung (Online-Spiele, Streaming, Nachrichten/News, Filme, Videos), selbstfahrende Autos, E-Health, Smart Home und Banking.
Keiretsu ist weit mehr als ein digitales Ökusystem
Nicht alle bieten die gesamte Palette an. Jedoch sind sie ähnlich organisiert, d.h. jedes Netzwerk wird von einem Unternehmen dominiert, wie bei den klassischen Keiretsus. Insofern ist der Begriff digitales Ökosystem irreführend, da er impliziert, es handele sich dabei um einen Verbund mehr oder weniger gleichberechtigter Teile. Das ist nur sehr bedingt der Fall.
Wir haben es also mit Machtkonzentrationen zu tun, wie sie in der Wirtschaftsgeschichte reichlich dokumentiert sind. Auch die digitale Ökonomie wird sich hierin einfügen.
Die Frage, nicht nur für die Banken und FinTech-Startups, ist, ob und inwieweit sie sich dem Zugriff der digitalen Keiretsus entziehen können. Auch im Banking gab es in der Vergangenheit und gibt es derzeit noch immer Machtkonzentrationen. Die großen Banken sind in den letzten Jahren nicht kleiner, sondern größer geworden; hauptsächlich durch Übernahmen infolge der Finanzkrise.
Für Banken nicht neu – und doch: Netzwerke müssen jetzt neu erfunden werden
Netzwerkorganisationen gibt es im Banking bereits seit Jahrzehnten – genannt seien die Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Allerdings haben diese Netzwerke nur noch begrenzten Zugang zu den Kanälen, in denen sich heute die Wertschöpfung in weiten Teilen vollzieht. Die fortschreitende Digitalisierung hat die Machtgewichte, die Wirtschaftsstruktur dauerhaft verändert.
Die Banken werden ihren Platz in diesem neuen Machtgefüge erst noch finden müssen. Weiter so ist nicht mehr. Kooperationen mit FinTech-Startups sind sicherlich eine Option. Angesichts der genannten Herausforderungen könnten sie sich jedoch als kosmetische Operationen erweisen. Ohne einen tiefgreifenden Wandel in der Organisationsstruktur und der Unternehmenskultur werden die Banken an den Rand, wenn nicht sogar aus dem Markt gedrängt.rk
Ralf Keuper ist Bank- und Diplomkaufmann und seit rund 15 Jahren in verschiedenen Positionen beratend im Bankenumfeld tätig. Er gehört zudem mit seinem Blog bankstil zu den Top10-Bloggern im FinTech-Bereich und berät Banken bei der digitalen Transformation sowie FinTech-Startups bei ihrem Markteintritt. Keuper hat unter anderem als Senior Consultant Banking bei der COR&FJA AG und Senior Consultant Banking & Financing bei Steria Mummert Consulting AG gearbeitet.
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/14618
Schreiben Sie einen Kommentar