Banking im “totalen Medienverbund auf Digitalbasis”
In der guten alten Zeit verlief das Bankgeschäft in tradierten und wohlgeordneten Bahnen. Die Kommunikation mit den Kunden fand überwiegend in den eigenen Räumlichkeiten statt. Mit der Verbreitung des Internets und später des Smartphones wurden die Kunden immer seltener in den Filialen gesichtet. Die jüngere Generation verspürt keinen Drang, in Finanz- oder anderen Fragen eine Filiale aufzusuchen. Was das für das Banking und deren Kommunikation bedeutet, analysiert
von Ralf Keuper
Medienkanäle wurden in früheren Zeiten in erster Linie für Werbezwecke und die Unternehmenskommunikation verwendet. Wenn es etwas mitzuteilen gab, erhielten die Kunden von ihrer Bank einen Brief, der im Fall geänderter AGBs schon mal mehrere Seiten umfassen konnte.Sofern der Kunde den Räumlichkeiten der Bank fern blieb, war das für die Bank ein Signal dafür, dass alles in Ordnung war, …”
… es sei denn, die eigenen Unterlagen besagten etwas anderes. Dann wurde der Kunde telefonisch oder per Brief einbestellt. Was die Kunden ansonsten trieben, was sie bewegte, fiel durch das Raster.
In der modernen Welt sieht es anders aus
Ihren Informations- und Beratungsbedarf decken Kunden heute über das Internet sowie Bezahl-, Banking- und “Lifestyle”-Apps. Die Kunden bewegen sich bereits in einem, wie es der Medienforscher Friedrich Kittler bezeichnet hat, “totalen Medienverbund auf Digitalbasis“, während die Banken es vorziehen, auf ihrer Insel, in ihren eigenen Verbünden zu verweilen, die man für das Ganze hält.
Als Speicherort von Kunden- und Transaktionsdaten werden die Banken Schritt für Schritt von den großen digitalen Plattformen und Ökosystemen wie Apple, Google und Amazon abgelöst.”
Mit ihrer Hardware, Software und Logistik sind sie imstande, sich zwischen die Kunden und die Banken zu schieben. Das wurde den hiesigen Banken schmerzlich im Zuge der Einführung von Apple Pay und zuletzt der Apple Card bewusst. Bislang konnte Apple alle Avancen der Banken abwehren, seine NFC-Schnittstelle freizugeben. Ähnlich verhält es sich bei den Sprachassistenten. So haben Amazon und Google die Pläne der Banken in Sachen Voice-Banking durchkreuzt. Den Banken wird damit recht unverblümt ihre Abhängigkeit von den digitalen Ökosystemen vor Augen geführt. Eine für die Banken ungewohnte Erfahrung, die erst einmal verdaut werden muss.
Zeit der Medien-Kooperation
Nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Zeit der Einzelmedien vorüber ist und die der Medien der Kooperation angebrochen ist. Die Stärke von BigTech liegt nicht in der Beherrschung eines Mediums wie des Smartphones, sondern aller damit im Zusammenhang stehenden Kanäle, wie dem Zahlungsverkehr. Der Bezahlvorgang ist nur eine von vielen Medienpraktiken im Alltag der Kunden. Das Banking gerät unter den Einfluss einer neuen Medienlogik. Wenn das Medium die Botschaft ist, dann können die Anbieter mit dem umfassendsten Medienangebot das Verhalten der Nutzer in hohem Maße beeinflussen. Der nächste Schritt ist, so Sebastian Gießmann vom Sonderforschungsbereich Medien der Kooperation an der Uni Siegen, das Internet der Dinge. Dieses sei in seinem Kern “ein Registratur- und Identizierungsprojekt, das auf Tracking und Tracing von Personen, Zeichen und vor allem Dingen abstellt” (Vgl. dazu: Angewandte Medienlogik: Von der Kreditkarte über Apple Pay und Apple Card zur Digitalen Identität).
Die alte Bankeninfrastruktur mit ihren diversen Mitspielern (Zahlungsverkehrsnetze, Kreditkartenunternehmen, Geldautomatenhersteller, Bankingsoftware) wird parallel zum laufenden Betrieb durch eine neue, deren Hauptakteure Apple, Google, Amazon und Alibaba sind, abgelöst. Das wären die neuen tonangebenden, totalen Medienverbünde auf Digitalbasis im Banking. Sie decken die digitalen Kontrollpunkte ab.
Das Bankwesen wird sowohl top-down als auch bottom-up durch die neue Medienlogik umgestaltet.”
Bottom-up durch die Veränderung des Mediennutzungsverhaltens der Kunden, Top-Down durch die Einführung und Kombination neuer Medien (Smartphone, Sprachassistenten, AR/VR). Als Folge dieser Entwicklung werden stationäre Filialen entstehen, die mit den heutigen Bankfilialen, auch nicht mit den innovativsten Modellen, jedoch kaum etwas gemeinsam haben werden. Hier gilt: Structure follows strategy oder anders: Structure follows dominant design.
Welche Botschaft haben die Banken?
Damit stellt sich die Frage: Welche Botschaft wollen die Banken in Zeiten totaler Medienverbünde mit welchen Medien vermitteln, wofür wollen, wofür können sie noch stehen? Wenn Medien ihrer Natur nach nicht neutral sind, wie wollen die Banken darauf reagieren? Reicht die Anwenderrolle aus, oder muss man selber in den Aufbau eigener Medienverbünde investieren? Wie könnten diese aussehen? Welche neuen Partner benötigt man dafür?Ralf Keuper
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