Bitcoin & Kryptowährungen: Zwischen Jahrmarktchip und Disney-Dollar
Mit den Risiken und Nebenwirkungen, aber auch den Chancen, die sich aus virtuellen Krypto-Währungen ergeben, hat sich Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele anlässlich des 2. Hessischen Bankentages auseinandergesetzt. Vorstandsmitglied Thiele zeichnete ein düsteres Bild – und sparte nicht an Kritik an der Krypto-Community. Unterm Strich standen jedoch auch versöhnliche Töne.
Digitales Geld hat sich als völlig neue Spielart unseres Finanzsystems etabliert. Um sich dem Phänomen in angemessener Form anzunähern, zog Carl-Ludwig Thiele zunächst die Entstehungsgeschichte des Krypto-Geldes heran. Hinter der Idee stand 2008 vor allem der Wunsch, bankenunabhängig Peer-to-peer-Guthaben zu verschicken. Supported hätten den Bitcoin nicht nur Systemkritiker, sondern auch Libertäre, die eine Unabhängigkeit des Geldsystems von staatlicher Einflussnahme gutheißen. Dabei sei schon der Begriff des Krypto-Geldes ein falscher, führt Thiele aus. Eine Währung bezeichne gemeinhin das gesetzlich bestehende Geldsystems, wäre also gleichbedeutend mit einer Geldordnung. Zudem sei in den europäischen Verträgen bereits klar festgelegt, dass die Währung in den zum Euroraum gehörenden Staaten der Euro ist. Bitcoin hingegen sei kein Zahlungsmittel, sondern allenfalls eine digitale Wertmarke, die mithilfe von Verschlüsselungsverfahren – kryptographischen Verfahren – erzeugt und übertragen werde.Bitcoin nicht mehr als Krypto-Token ohne Wertaufbewahrungsfunktion
Wenn man sich also auf den Begriff der Krypto-Token einige, käme man dem Phänomen näher. Denn die Bezeichnung „Geld“ setze voraus, dass ein Zahlungsmittel die Funktionen der Wertaufbewahrung, der Tauschmittels und der Recheneinheit erfülle. Alles drei ist, so stellt Thiele klar, bei Krypto-Währungen nicht der Fall. Krypto-Token könne man als eine Art digitales „Guthaben“ betrachten, das zum Beispiel im Tausch gegen Euro erworben werden kann. Das Guthaben könne nicht das Netzwerk verlassen, sondern lediglich an einen anderen Teilnehmer übertragen werden.
Bei Krypto-Token gibt es keinen Emittenten. Sie besitzen keinen intrinsischen Wert, sondern nur einen Tauschwert, und sie sind deshalb besonders anfällig für Wertschwankungen. Insofern stellt sich auch immer die Frage, was das “Guthaben” tatsächlich wert ist.“
Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank
Dabei ließen sich Krypto-Token grundsätzlich in drei Typen einteilen: in Zahlungsmittel, in Security Token, die ihrem Besitzer wertpapierähnliche Rechte gewähren, sowie in Token, die dem Inhaber bestimmte Zugriffsrechte auf Leistungen gewähren (Utility Token).
Mit Utility Token ist oftmals der Zugang zu einem Netzwerk oder die Nutzung einer Dienstleistung in der Zukunft verbunden. Utility Token sind also etwa mit einem Chip auf dem Jahrmarkt zur Nutzung von Fahrgeschäften vergleichbar. In Disneyland war es beispielsweise bis vor einigen Jahren möglich, Dollar im Verhältnis 1:1 in sogenannte Disney-Dollar umzutauschen und diese im Park zu nutzen.“
Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank
Doch der Markt der Utility Token sei von Spekulation getrieben und selbst wenig nachhaltige Geschäftsmodelle erzielten eine teilweise enorme Marktkapitalisierung. Verweisend auf die Tulpenzwiebelblase verweist Thiele auf die Warnungen der europäischen Aufsichtsbehörden.
Durch die geringe Transparenz des Marktes und die Tatsache, dass in vielen Bereichen bestehende Regulierungen keine Anwendung finden, sind Krypto-Netzwerke ein Anziehungspunkt für betrügerische Vorhaben, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.“
Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank
Skeptischer Blick auf Zentralbanken von Schweden und China
Geldwertstabilität, das machte Thiele deutlich, könne nur durch das Zutun der Notenbanken gewährleistet werden. Denn diese sorgten mit ihrer Geldpolitik dafür, dass der Zahlungsverkehr gewährleistet bleibe, indem sie Infrastrukturen wie Zahlungs- und Abwicklungssysteme für den Individual- und Massenzahlungsverkehr bereitstellen, auf die Zahlungsverkehrspolitik einwirken und Zahlungsverkehr beaufsichtigen.
Nicht vernünftig findet Thele die Bereitstellung von digitalem Zentralbankgeld für einen breiten öffentlichen Nutzerkreis analog zu Bargeld. Er befürchtet, dass es insbesondere in Krisenzeiten zu einer großflächigen Umschichtung von Sichteinlagen bei Kreditinstituten zu Konten bei Zentralbanken kommen könnte. Dieses dürfte zu einem Einlagenschwund bei Finanzinstituten führen und ihnen die Refinanzierung erschweren, was sich kritisch auf ihre Liquidität auswirken könnte. „Der Euroraum ist der drittgrößte Wirtschaftsraum der Welt und der Euro ist die Währung für circa 330 Millionen Einwohner“, führt der Bundesbankvorstand aus. „In diesem Währungsraum können keine unausgereiften Projekte mit Notenbankgeld oder digitalem Notenbankgeld auf den Weg gebracht werden.“
Skeptisch verfolge man daher auch Initiativen anderer Notenbanken, wie beispielsweise der schwedischen Riksbank, die über ein Konzept zur Schaffung einer e-Krone nachdenke „Ähnliche Vorhaben, digitales Zentralbankgeld als Komplement zum Bargeld einzuführen, gibt es in China, Russland und Venezuela. Die Rahmenbedingungen und Zielsetzungen dieser Projekte sind jedoch sehr unterschiedlich und können entweder gar nicht oder nur sehr eingeschränkt auf den Euroraum übertragen werden.“ Die Ausgabe von digitalem Zentralbankgeld im Eurosystem halte er vor diesem Hintergrund auf absehbare Zeit für unrealistisch.
Der Grundgedanke für digitales Geld bestehe in der Idee, möglichst in Echtzeit bargeldlos zahlen zu können, was jedoch auch ohne digitales Geld per Instant Payments möglich sein werde. Die hier bestehenden Lösungen seien preisgünstiger und energieeffizienter als Zahlungen per Krypto-Token-Netzwerk.
Vergleicht man zum Beispiel das Bitcoin-Netzwerk mit einer SEPA-Überweisung, so sind die Kosten für die Unterhaltung des Bitcoin-Netzwerkes ungleich höher. Insbesondere der Stromverbrauch ist gewaltig. Schätzungen zufolge verbraucht eine Transaktion im Bitcoin-Netzwerk mit aktuell über 900 Kilowattstunden Strom rund 900.000 Mal so viel wie eine SEPA-Überweisung.“
Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied Deutsche Bundesbank
Befürworten der Distributed-Ledger-Technologie
Unabhängig davon sehe er in der Distributed-Ledger-Technologie, die Basis der Blockchain-Technologie ist, dennoch großes Potenzial. Effizienzgewinne seien etwa durch verkürzte Abwicklungszeiten oder den vereinfachten Abgleich von Datenbeständen möglich. So gibt sich Thiele am Schluss versöhnlich: „Sicherlich braucht jedes neu entwickelte Verfahren Zeit, um zu reifen und sich am Markt etablieren zu können und nicht jede Innovation überlebt auf Dauer. Aber dieser Evolutionsprozess ist genau das, was Innovation und Fortschritt ausmacht. Technischer Fortschritt muss weiter stattfinden können.“
Zusammenfassend stellt Thiele klar, dass man sich gegen die Digitalisierung als Chance gar nicht wehre. Den Zahlungsverkehr besser in den Alltag zu integrieren und diesen bequemer und sicherer zu machen, sei durchaus ein ehrenwertes Ziel. Daher müsse sich die Deutsche Bundesbank auch weiter mit der Frage digitaler Zahlungsmittel und der Weiterentwicklung der Zahlungssysteme befassen. Diese Herausforderung gelte auch für die etablierten Marktteilnehmer. „Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“
Den vollständigen Redetext von Carl-Ludwig Thiele finden Sie auf der Seite der Bundesbank. tw
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https://itfm.link/69877
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