Ist Blue Code das Mobile-Bezahlverfahren für Banken? Niklaus Santschi, CEO BS Payone im Interview
Blue Code soll das mobile Bezahlen einfach und schnell machen. Vor wenigen Wochen feierte es seinen Einstand auf dem Oktoberfest – und auch in den Globus-Märkten könne man künftig per Barcode bezahlen. Aber hat ein Mobile-Payment-Verfahren auf Barcode-Basis überhaupt Zukunft? Wir fragen Niklaus Santschi, CEO BS Payone, zum neuen Mobile-Bezahlverfahren.
Herr Santschi, warum wurde für Blue Code eigentlich ein QR-Code-ähnliches System gewählt? Yapital ist mit diesem Verfahren am Endkunden doch krachend gescheitert.
Vermutlich war Yapital seiner Zeit etwas zu früh voraus. Das System funktionierte auch im Vergleich zum Blue-Code-Bezahlprozess in umgekehrter Reihenfolge: In einem ersten Schritt galt es, den QR vom Terminal zu fotografieren. Dies setzt voraus, dass der Zahler (Kunde) als „First Mover“ tätig wird und sein Smartphone über eine Datenverbindung verfügt.
Bei Blue Code ist der Prozess gerade umgedreht: Das Kassenpersonal scannt den Barcode vom Smartphone des Kunden. Der Mitarbeiter ist auf das Bezahlsystem geschult und beherrscht die Scan-Technik. Vom Kunden (Zahler) ist nichts anderes gefordert, als lediglich sein Smartphone für den Scanvorgang vorzuzeigen. Blue Code ist außerordentlich einfach von der Bedienung und zugleich extrem schnell.
Außerdem lassen sich eine gewisse Anzahl an Blue Code’s im Offline-Speicher (keychain) speichern. Dies ermöglicht die Zahlung auch dann, wenn der Kunde keine Datenverbindung hat. Wir sehen diesen Offline-Zustand des Kunden in Österreich in rund 10% der Fälle im Lebensmittelhandel und bis zu 50% bei denen in Tiefgaragen.
Für flächendeckende Akzeptanz sowie Zuverlässigkeit des Systems ist für Kunden wie Handel entscheidend, dass die Offline-Fähigkeit gewährleistet wird.”
Aber auch Blue Code setzt voraus, dass der Kunde sich vorher eine App installiert und anmeldet. Welchen Mehrwert hat der Kunde z.B. gegenüber einer girocard kontaktlos, wenn er per Blue Code bezahlt?
Beiden (extrem sicheren) Verfahren – Blue Code wie girocard kontaktlos – liegt das Ankerprodukt Girokonto zugrunde. Für „Mobile First“-Kunden ist die Nutzung einer App sicherlich das bevorzugte Medium. Diese Kundengruppe finden wir vorwiegend in der jüngeren Generation, aber auch bei Kunden fortgeschrittenen Alters. Entscheidend ist die Einstellung zum Mobiltelefon.
Die Mehrwehrte, die Blue Code als Zahlverfahren ermöglicht, gehen aber weiter: Denn nur allein für die Bezahlfunktion wird man das Gros der Leute nicht motivieren können, sich eine App zu installieren.
Stellt man sich aber beispielsweise eine Handelskette mit einer Kundenkarten-App vor, mit der ich heute schon einige attraktive Dinge tun kann – wie zum Beispiel mir die aktuellen Sonderangebote aus meiner Region anzeigen zu lassen – und in dieser App kommt die Blue Code Bezahlfunktion hinzu, dann ist das schon sehr interessant.”
Spinnt man den Faden weiter, und ich kann mit der App auch anderswo bezahlen oder Treuepunkte sammeln und muss mir dazu nicht beim nächsten Händler eine neue App herunterladen, dann macht Bezahlen mit der App auch Spaß.
An manchen Orten ist auch keine Kartenakzeptanz möglich, wie zum Beispiel am Oktoberfest in München. Hier konnte man dieses Jahr bargeldlos mit Blue Code direkt vom Girokonto bezahlen. Wir sehen daher die beiden Verfahren als komplementär an: Jeder sollte so zahlen können, wie er möchte.
Sie sprachen von der Einfachheit. Welche Rolle spielte die Bedienoberfläche & Nutzbarkeit bei der Entwicklung?
Die Bedienoberfläche ist in der Tat mit eine der größten Herausforderungen. Wir versuchen, Blue Code grundsätzlich einfach und simpel zu halten: Auch wenn mittlerweile Blue Code mit BLE, Scanning und Omni-Channel-fähig ist, ist für den Verbraucher auf der Bedienoberfläche ausschließlich Blue Code zu sehen.
Wir sind sehr darauf bedacht, diese einfache Nutzerführung in den Vordergrund zu stellen und beizubehalten. Vielleicht ist dies auch ein Grund, weshalb Blue Code schon einige Preise im Bereich “Usability” im Mobile Payment gewonnen hat.
Wie komplex ist es für den Händler? Welche technischen Voraussetzungen muss das Kassensystem mitbringen?
Blue Code wird mit einem handelsüblichen Barcode-Leser eingescannt und dann vom Kassensystem verarbeitet. Dafür ist eine Integration von Blue Code in die Kassensoftware des Händlers notwendig. Derzeit gibt es ca. 20 Kassensoftware-Anbieter, die Blue Code integriert haben und ihren Händlerkunden zur Verfügung stellen können.
Für kleinere Händler, die ohne Kassenintegration auskommen wollen, bietet der Acquirer optional eine Händler-App als mobile POS-Lösung an. Mit dieser App kann der Händler auf seinen bestehenden Smartphones Blue Codes scannen und somit mobile Zahlungen entgegennehmen.
Wie funktioniert der Zahlungsprozess?
Eine Blue-Code-fähige App zieht jeweils den ersten Blue Code aus dem Offline-Speicher (keychain): Die Zahlung ist daher – auch bei unterbrochener Datenverbindung – garantiert und sofort möglich. Darüber hinaus folgt das optische Einscannen des Barcodes der Haptik und dem Ablauf des klassischen Einkaufs an der Kasse: Man kann als Kunde und Zahler mitverfolgen, was das Kassenpersonal macht. Und das Ende des Bezahlvorgangs kündigt sich immer gleich an: Der Scan ist unmittelbar mit dem akustischen „Beep-Ton“ abgeschlossen.
Für den Händler ist die Schnelligkeit des Systems Garant für mehr Kundenzufriedenheit durch Vermeidung langer Wartezeiten an der Kasse. Darüber hinaus hat er neue Möglichkeiten, seinen Umsatz durch Kundenbindungsprogramme, digitale Stempelkarten oder andere Mehrwertaktionen, die sich per Blue Code unkompliziert und schnell realisieren lassen, zu steigern. Und last but not least profitiert er von einer Zahlungsgarantie und den Vorteilen des Datenschutzes eines europäischen Zahlungssystems.
Welche Technologie setzen Sie im Hintergrund ein, um die Transaktionen schnell abzuwickeln?
Profan gesagt, handelt es sich um API-Requests und Responses, die zwischen verschiedenen Servern verschlüsselt hin und her gesendet werden.
Warum sollten sich Banken auf das Thema einlassen?
Das regulatorische Umfeld im Bankensektor wird ab 2018 enorme Herausforderungen an die Kreditwirtschaft stellen. Laut einer neuen Direktive der EU (PSD2 – Payment Services Directive 2) muss der Bankensektor sogenannten “Third Part Providers”, also Drittparteien, sowohl Kontoinformationen ihrer Kunden offenlegen, als auch deren Zahlungen initiieren.
Es ist in so einem Umfeld von essenzieller Bedeutung, dass die Hausbank für ihre Kunden mobile Zahlverfahren anbietet, welche einmal den Datenschutz gewährleisten sowie auch die Einnahmen aus dem Zahlungsverkehr sicherstellen. Ein Zu- oder gar Wegschauen ist sicher nicht die richtige Strategie, eben weil der Einfluss der Drittparteien hier großen Einfluss auf das Kundenverhalten haben wird.”
Genau da hakt Blue Code ein. Das neue Mobile-Bezahlsystem wickelt die Zahlungen komplett anonym ab: Das heißt, weder gibt der Endkunde seine Daten preis, der Händler muss keine sensiblen Daten weitergeben, noch verlassen Kundendaten die Bank. Mit Blue Code haben Banken alle Voraussetzungen, Mobile Payment – unter Einhaltung aller Datenschutzrichtlinien – neu zu definieren und als die europäische Antwort zu US-amerikanisch dominierten Karten-Zahlverfahren zu etablieren.
BS Payone sieht sich hier in einer Dienstleisterrolle, sowohl für den Handel als auch für die Kreditwirtschaft, diese kommenden Herausforderungen zu meistern. Es geht darum, digitale Zahlverfahren bereitzustellen, die einerseits den Datenschutz der Endkunden garantieren, aber auch die Geschäftsmodelle der Bank im Auge behalten und mit neuen, innovativen Bezahlverfahren, die beiden gerecht werden, zu unterstützen.
Zum Schluss noch eine – zugegeben schwierige – Schätzfrage: Wie viele Transaktionen wird Blue Code über BS Payone in einem Jahr abgewickelt haben?
Wir denken in Szenarien. Salopp gesagt: Von ganz wenig bis ganz viel ist alles drin.”
Entscheidend ist das Interesse des Handels an einem unternehmensübergreifenden Smartphone-Bezahlverfahren, bei dem die Zahler-Daten in Europa bleiben. Was das Bezahlen angeht, soll eben nicht jeder eruieren können, was wann wo ausgegeben wurde. Allerdings sind die händlerspezifischen Apps bisher kein Erfolg.
Händlerübergreifend, aber dennoch mit dem Bankgeheimnis verbunden, das ist ein überzeugendes Asset, das Blue Code mitbringt.”
Wenn es uns gelingt, diese Vorteile darzustellen und gemeinsam mit unseren ersten Kunden zu überzeugen, werden wir meiner Meinung nach mit sehr hohem Zuspruch – auf Seiten des Handels wie beim Endnutzer – rechnen können. Und: Wie ich schon sagte: Jeder soll beim Bezahlen nach seiner Fasson glücklich werden: Ob bargeldlos, via girocard, der klassischen Plastik-Kreditkarte oder auch mobil mit Blue Code.
Herr Santschi, vielen Dank für das Gespräch.aj
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