Bundesbank-Vorstand Balz zum digitalen Euro: Zwischen Innovation und Stabilitätsrisiko
Anlässlich der 76. Bankwirtschaftliche Tagung der Volksbanken und Raiffeisenbanken hat Bundesbankvorstand Dr. Burkhard Balz in dieser Woche eine Rede zum digitalen Euro gehalten. Dabei machte Balz deutlich, dass die Bundesbank zwar durchaus solche Themen als Chance versteht, gleichzeitig aber auch Risiken hinter der Innovation sieht.
Schon seit längerer Zeit diskutiert die Fachwelt über digitales Geld, über Kryptowährungen, aber auch über die Veränderungen, die sich daraus ergeben können – für die Banken, für die Zentralbanken und nicht zuletzt auch für das gesamte deutsche und internationale Wirtschafts- und Finanzsystem. Dr. Burkhard Balz, der in der Vergangenheit keinen Hehl daraus machte, dass die Bundesbank hier nichts überstürzen will – Befürworter von Kryptowährungen unterstellten ihr gar eine Verweigerungshaltung – suchte hier einerseits aktiv den Meinungsaustausch. Er machte deutlich, dass das Vertrauen der Menschen und Märkte in den Euro und die Stabilität unseres Finanzsystems oberste Priorität haben müsse. „Die Frage nach digitalem Zentralbankgeld gehört gegenwärtig zu den wichtigsten und spannendsten im Finanzsektor“, ordnete Balz die Fragestellung ein und und betonte, dass es dabei um „nicht weniger als die Zukunft des Geldes der Finanzwirtschaft“ gehe.Wir sind aufgeschlossen für Neues. Wir unterstützen neue Technologien oder neue Geldformen, wenn sie uns weiterbringen und wenn wir die damit verbundenen Risiken beherrschen können.“
Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank
Es sei, so Balz, nicht unüblich, dass der Zahlungsverkehr sich mit gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen verändere, die Achillesferse vieler, wenn nicht aller Krypto-Token sei aus seiner Sicht der wenig erfolgversprechende Versuch, Vertrauen alleine durch Technik und private Regelwerke zu erzeugen. Zentralbankgeld habe sich inzwischen weltweit als ultimatives Zahlungsmittel etabliert, als ausfallsicheres Fundament unseres Geldwesens. „Geschäftsbankengeld genießt heute ein sehr hohes Vertrauen. Der Bürger kann jederzeit seine Einlagen als Bargeld abheben. Zudem zahlen die Banken untereinander den Spitzenausgleich im Zahlungsverkehr in Zentralbankgeld.“
Digitaler Euro als Grundlage für automatisiertes Bezahlen
Die Idee des digitalen Zentralbankgeldes, die aus der Blockchain-Bewegung kommt, weise dagegen eine äußerst volatile Wertentwicklung auf und habe daher den Charakter eines Spekulationsmittels, nicht aber eines allgemeinen Zahlungsmittels. Resultierend aus den Stablecoins, die bezüglich ihres Wertes an eine echte Währung gebunden sind, kam die Idee auf, Zentralbankgeld künftig auch in Form digitaler Token auf dezentralen, virtuellen Netzen verwenden zu können. Dieses digitale Zentralbankgeld könnte auch in dezentralen Netzen direkt ohne Intermediäre übertragen werden.
Die digitale Transformation und die Entstehung neuer digitaler Geldformen könnten sich die Anforderungen an die Art und Weise des Bezahlens verändern – insbesondere im M2M-Payment-Umfeld ergeben sich hier neue automatisierte Geschäftsprozesse. „Als finales Puzzleteil wird zur Abwicklung jedoch noch ein sicheres, effizientes und digitales Zahlungsmittel benötigt, welches sich in ebenjene Prozesse integrieren lässt“, führt Balz aus. Neue Anbieter aus der FinTech-Welt drängten mit innovativen, einfachen und kundenfreundlichen Dienstleistungen in diesen Markt – oft auch mit dem Ziel, den Kunden allumfassend und für alle Facetten des täglichen Lebens an die jeweilige Plattform zu binden.
Die Diskussion um digitales Zentralbankgeld ist deshalb nicht nur eine Diskussion über ein neues Zahlungsmittel, sondern auch über die Frage, wie sich dieses Zahlungsmittel in die neue, digitale Welt nahtlos einfügen lässt.“
Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank
Balz will nicht ausschließen, dass etwa ein Stablecoin eines global agierenden Technologiekonzerns eine weite Verbreitung im Euroraum finden könnte oder dass digitales Zentralbankgeld einer anderen Währung auch im Euroraum genutzt würde. Angesichts des Rückgangs des Bargelds auch im bargeldaffinen Deutschland müsse man erwägen, ob nicht digitales Zentralbankgeld eine gute digitale Zahlungsform für den Endnutzer sein kann.
Ein digitaler Euro wäre zudem rein europäisch gesteuert und unterstützte die Bemühungen nach europäischer Souveränität bei strategischen Infrastrukturen. Zudem böte er etwa im Unterschied zu privaten Stablecoins den gebotenen Schutz vor der Ausbeutung sensibler Zahlungsdaten.“
Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank
Heißt auf Deutsch: Lieber die Bundesbank oder die EZB, in deren High Level Task Force zum digitalen Euro Balz Mitglied ist, könnte dies umsetzen als die Kunden in die Arme nur mäßig regulierter Digitalkonzerne mit US- oder China-Hintergrund zu treiben. Sinnvoll könnte die Emission etwa zur Unterstützung der Digitalisierung der Wirtschaft sein. Der EZB-Rat entscheidet im Sommer darüber, ob eine Untersuchungsphase zu einem Projekt digitaler Euro gestartet wird. Und Balz spoilert regelrecht: „Angesichts der zahlreichen Herausforderungen wäre eine positive Entscheidung keine Überraschung.“
Eines der ambitioniertesten Projekte seit dem Euro selbst
Der digitale Zentralbankeuro, wenn er denn kommt, wäre auf jeden Fall eines der ambitioniertesten Projekte seit Bestehen des Eurosystems. Einerseits weil all das technisches und ökonomisches Neuland darstellt, auch wenn Staaten hier voneinander lernen können.
Die Eigenschaften, die ein digitaler Euro haben sollte, müssen sich aus der Zielsetzung ergeben. Wir können dessen Eigenschaften erst festlegen, wenn wir wissen, was wir genau damit bezwecken, wer damit welche Geschäftsfälle bezahlen soll.“
Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank
Doch Balz sieht auch Chancen, etwa in der Smart Economy oder Volkswirtschaft 4.0 unterstützen, wenn er programmierbare Zahlungen ermöglicht und die Abwicklung über moderne Technologien wie die Distributed Ledger Technologie geldseitig unterstützten würde. Allerdings, so machte der Bundesbankvorstand deutlich, würde er wie auch seine Kollegen auf den nachweislichen Zusatznutzen schauen, bevor man über die Ausgestaltung nachdenke.
Im Rahmen einer öffentlichen Konsultation wurden dazu die Menschen im Euroraum explizit nach ihrer Meinung gefragt. Die Antwortenden machten deutlich, dass der Schutz der personenbezogenen Daten der mit Abstand wichtigste Aspekt darstelle – neben der Sicherheit des Zahlungsmittels, der Verfügbarkeit innerhalb des gesamten Euroraums und der Vermeidung von Zusatzkosten.
Digitaler Euro ist nicht ohne Risiken umsetzbar
Doch Balz skizziert auch Risiken, die er und die Bundesbank sehen, etwa aus der Gefahr einer Substitution der Sichteinlagen bei Banken durch digitales Zentralbankgeld. „Sollten die Bürger den digitalen Euro als Ersatz für ihre Einlagen bei Geschäftsbanken ansehen und diese Einlagen in großem Umfang in digitales Zentralbankgeld umwandeln, könnte dies erhebliche Folgen für die bisherigen Geschäftsmodelle und Bilanzen haben. Auch wären Auswirkungen auf die Kreditvergabe nicht auszuschließen.
Natürlich ergäben sich auch erhebliche Veränderungen im Zahlungsverkehrsmarkt der Banken und Finanzdienstleister. Wichtiger noch, wir müssten Folgen für die Finanzstabilität und die Umsetzung der Geldpolitik erwarten.“
Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank
Mögliche Vorkehrungen wären hier betragsmäßige Nutzungsbegrenzungen und differenzierte Verzinsung. Hinzu kämen ordnungspolitische Risiken, weil die Zentralbanken mehr Sicherheit versprechen, die Geschäftsbanken und Finanzdienstleister dagegen innovativer, kundenfreundlicher und erfahrener im Umgang mit privaten Risiken seien. Balz machte deutlich, dass er auf keinen Fall an dieser Rollenverteilung und dem damit verbundenen Gleichgewicht festhalten will. „denn auch das ist ein Teil des Vertrauensaspektes“. Der Zahlungsverkehr solle weiterhin eine öffentlich-private Koproduktion bleiben, die privaten Zahlungsdienstleister sollten das „Gesicht“ zum Kunden bleiben.
Denkbar sei allerdings auch, dass Geschäftsbanken selbst digitales Geld herausgeben, wobei der Ausgleich von Forderungen eine technische Herausforderung darstelle, für das gegebenenfalls gemeinsame Clearing-Verfahren für funktionsfähige Lösungen benötigt würden.
Die Bundesbank jedenfalls wäre sehr aufgeschlossen für entsprechende Aktivitäten der Geschäftsbanken. Ein solches Projekt setzt allerdings eine besonders hohe Kooperationsbereitschaft der Marktteilnehmer voraus.“
Dr. Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Bundesbank
Die Trigger-Lösung: Eher Ergänzung als Alternative
Eine weitere Option ist dabei die sogenannte „Trigger-Lösung“, welche die Bundesbank gemeinsam mit der Deutschen Börse, der Finanzagentur des Bundes und sechs Geschäftsbanken im Rahmen eines Experiments erprobt hat. Hierfür habe man zur Unterstützung der Abwicklung eines Wertpapiergeschäftes auf der Blockchain eine technische Brücke von der Blockchain zu unserem Zahlungssystem TARGET2 gebaut. Die Abwicklung des Wertpapiergeschäftes auf der Blockchain stößt dabei die Abwicklung der Zahlung über TARGET2 an (woraus sich die „Trigger-Lösung“ ergibt). Die finale Abwicklung des Wertpapieres erfolge erst, nachdem die Bundesbank bestätigt, dass das Geld dafür gezahlt wird. Kann die Zahlung nicht erfolgen, erhält der Verkäufer das Wertpapier zurück. „Wir ermöglichen also ein Delivery-versus-Payment auf der Blockchain ohne digitales Geld“ – ohne dass dass Zahlungssystem verändert werde. Balz erklärt, er sehe das als mögliche Ergänzung zum digitalen Euro.
Deutlich wird an den Ausführungen, dass bislang nichts entschieden ist und viele Varianten durchdacht werden. Das Projekt digitaler Euro ist eines der wichtigsten und spannendsten im Eurosystem – und Dr. Burkhard Balz machte deutlich, dass die Bundesbank unter Einhaltung sämtlicher Vorsicht den Varianten digitalen Geldes gegenüber gar nicht so abgeneigt ist, wie es bislang scheint. Bemerkenswert ist aber auch, dass Balz offenbar lieber die Geschäftsbanken mit ins Boot holen würde und an der bewährten Aufgabenverteilung in der Kundenansprache gerne nichts oder nur wenig verändern würde. tw
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