STRATEGIE5. Dezember 2023

Von Cobol zu Java: Die transformative Reise der FI – Interview mit Carsten Busch; Geschäftsbereichsleiter

Mit OSPlus von Cobol zu Jave: Dr. Carsten Busch, Geschäftsbereichsleiter der Finanz Informatik <q>Finanz Informatik
Dr. Carsten Busch, Finanz Informatik Finanz Informatik

DieFi­nanz In­for­ma­tik (FI) hat mit ei­nem um­fas­sen­den Trans­for­ma­ti­ons­pro­jekt die Mo­der­ni­sie­rung der Kern­ban­ken­soft­ware in­ner­halb der Ban­king-Platt­form OS­Plus auf den Weg ge­bracht. Ein Kern­ele­ment ist da­bei die ri­si­ko­ar­me mo­dul­wei­se Trans­for­ma­ti­on der Ba­ckend-Funk­tio­na­li­tät. Dr. Cars­ten Busch (Ge­schäfts­be­reichs­lei­ter bei der Fi­nanz In­for­ma­tik) über Hür­den, Lö­sungs­an­sät­ze, Erfolgsfaktoren und die Möglichkeiten der Einbeziehung von künstlicher Intelligenz (KI).

Herr Busch, die Finanz Informatik ist der IT-Dienstleister und Digitalisierungspartner der Sparkassen Finanzgruppe. Wie sieht die FI die zukünftige Positionierung der eigenen Banken-Plattform?

Die Finanz Informatik betreut mit der eigenen Banking-Plattform OSPlus mehr als 350 Sparkassen und andere Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe wie Landesbanken und Bausparkassen. OSPlus hat sich über die letzten Jahrzehnte zum Standard in der Sparkassen-Finanzgruppe mit einer stabilen, robusten und innovativen Leistungskurve etabliert.

Die ausgeprägte Mandantenfähigkeit und die stetige funktionale und technologische Weiterentwicklung waren und sind wesentliche Elemente des Erfolgs unserer Plattform.”

Daher haben wir sehr früh Überlegungen zur langfristigen Zukunftssicherung im Kernbankenbereich angestellt und die Weichen für die technische Transformation gestellt, um perspektivisch auf Marktentwicklungen die passenden Antworten zu haben.

Welche Überlegungen waren das?

Die FI entwickelt und betreibt mit ihren rund 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die OSPlus-Plattform und hat Architektur, Anwendungsentwicklung und Produktion in der eigenen Hand. Dabei stehen Stabilität, Qualität und Verlässlichkeit unter Berücksichtigung optimierter Produktionskosten ganz oben auf der Prioritätenliste. Eine Transformation in der angestrebten Größenordnung erfordert daher einen risikoorientierten Ansatz.

Wir gehen schrittweise vor und vermeiden „Big Bangs“. Wir integrieren das Projekt in unser Gesamtprojektportfolio und stellen so die Verzahnung und eine sukzessive Implementierung der modernisierten Funktionen sicher.”

Zielsetzung ist eine Plattformunabhängigkeit, sodass wir OSPlus kostenoptimiert je nach Bedürfnissen und funktionalen Erfordernissen betreiben können.

„Modernisierung“ steht derzeit überall im Fokus, gerade im Bereich von Legacy-Anwendungen. Was machen Sie damit?

Dr. Carsten Busch

"Dr.

Dr. Carsten Busch verantwortet in der Finanz Informatik (Website) den Ge­schäfts­be­reich Main­frame im Res­sort Mul­ti­ka­nal, Ar­chi­tek­tur und Pro­duk­ti­on. Der pro­mo­vier­te theo­re­ti­sche Phy­si­ker ar­bei­tet seit 2001 in ver­schie­de­nen Füh­rungs­po­si­tio­nen der Fi­nanz In­for­ma­tik und ih­rer Vor­gän­ger­un­ter­neh­men. Ne­ben der Ver­ant­wor­tung für ei­ne der im welt­wei­ten Maß­stab gro­ßen Main­frame-Platt­for­men, in frü­he­ren Jah­ren auch für die Win­dows- und Unix-Platt­for­men, ge­hö­ren Pro­jek­te aus den Be­rei­chen Mi­gra­ti­on, Trans­for­ma­ti­on und Kon­so­li­die­rung von Re­chen­zen­tren zu sei­nen Wir­kungs­be­rei­chen. Vor sei­ner Zeit in der Spar­kas­sen-Fi­nanz­grup­pe ver­ant­wor­te­te Cars­ten Busch un­ter an­de­rem die IT der Welt­aus­stel­lung EX­PO 2000 in Han­no­ver und sam­mel­te im An­schluss an sei­ne Pro­mo­ti­on Er­fah­run­gen in der Lei­tung in­ter­na­tio­na­ler For­schungs- und Entwicklungsprojekte.

OSPlus wurde von Beginn an auf Basis einer service-orientierten Architektur aufgebaut, sodass wir nahezu keine Altlasten oder Technologieschulden haben. Dabei wurden Anwendungsmodule neben der Programmiersprache C auch auf Basis von Cobol programmiert. Lange Zeit war es nicht möglich, diese Module in Java performant auf dem Großrechner zu betreiben. Jetzt bietet IBM diese Möglichkeit.

Wir transformieren zunächst unsere Cobol-basierten Programme in moderne Java-Module. Dabei haben wir einen Ansatz gewählt, der es uns erlaubt, quasi modulweise zu transformieren.”

Die Java-Module laufen dann zusammen mit den verbliebenen Cobol-Modulen. Mit unserem Partner IBM haben wir dazu ein entsprechendes Framework und die technischen Voraussetzungen geschaffen, wie zum Beispiel den Inter-Language-Call. So ist es jetzt möglich, Cobol- und Java-Module verflochten innerhalb desselben Transaktionskontextes aufzurufen.

Innerhalb der FI ist dies ein Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit von Architektur, Anwendungsentwicklung, Middleware-Technologie und Produktion.”

Wir haben damit die Möglichkeit, die Transformationspakete anforderungsgerecht zu schneiden und zu planen. So können wir die Transformation der Cobol-basierten Programme flexibel in das laufende Geschäft und die regelmäßigen OSPlus-Releases integrieren. Wir reduzieren das Risiko und vermeiden Störungen der funktionellen Weiterentwicklung des OSPlus sowie Doppelwartung.

Bleiben denn bestimmte Teile in Cobol oder wird alles auf Java umgebaut?

Wir haben die Basis für die Transformation gelegt, gehen seit einiger Zeit in die Breite und binden jetzt alle unsere Fachbereiche ein.

Im Rahmen dieser Skalierung entwickeln wir eine Transformationsroadmap, die die Modularisierung unserer Anwendungen und verschiedene Kriterien berücksichtigt.”

Dazu zählen Anforderungen unserer Kunden, absehbare funktionale Weiterentwicklungsbedarfe, Skillverfügbarkeit, Betriebskosten und der Beitrag zur Erhöhung der Plattformunabhängigkeit. Im Ergebnis können manche Anwendungen auch komplett neu entwickelt oder überarbeitet werden oder Cobol-Funktionen zunächst erhalten bleiben. Langfristig gesehen soll der Cobol-Code abgelöst werden.

Alten Cobol-Code nach Java zu migrieren – liegt da nicht der Teufel im Detail? Haben Sie noch Cobol-Programmierer? Was waren die größten Herausforderungen?

Natürlich haben wir noch Cobol-Entwicklerinnen und -entwickler. Diese sind eine wichtige Säule der Anwendungsentwicklung und dieser Transformation. Die FI bildet auch weiterhin Cobol-Entwickler aus. Wichtig für die Transformation sind insbesondere Entwicklerinnen und Entwickler, die sich mit Cobol und Java auskennen. Es geht darum, die in Cobol implementierte bankfachliche Logik zu verstehen und sinnvoll unter Nutzung der Objektorientierung in Java zu implementieren.

So ist auch der Aufbau von Java-Skill eine Herausforderung, denn jedes umgestellte Modul benötigt nach der Transformation entsprechenden Java-Skill für die weitere Betreuung und Entwicklung in der Linie.”

Das Projekt arbeitet dazu Hand in Hand mit unserer Personalentwicklung. Die Qualifizierung und Verfügbarkeit von Ressourcen wird mit dem Projektfortschritt synchronisiert. Das ist die Voraussetzung für die Übergabe der Projektergebnisse zurück in die Linienorganisation und für die zukünftige weitere Skalierung der Transformation.

Die “Transformation der Skills” trifft dann die Cobol-Programmierer besonders, oder?

Unsere Cobol-Entwicklerinnen und -Entwickler sind bankfachlich spezialisiert und viele beherrschen heute schon beide Sprachwelten. Dieses Wissen ist für die Weiterentwicklung unserer Plattform extrem wichtig. Deshalb akquirieren wir auch neue Talente am Markt, um der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken.

Die FI ist am Stellenmarkt sehr aktiv, bietet mit ihrem innovativen Projektportfolio sowohl erfahrenen Bewerberinnen und Bewerbern als auch Absolventinnen und Absolventen hoch interessante Aufgabenstellungen und stellt aktuell pro Jahr mehrere hundert Mitarbeitende in der Entwicklung neu ein.”

Ich höre immer wieder, dass solche großen Projekte entweder schiefgehen – oder sich endlos lange hinziehen. Was meinen Sie, warum kann es bei Ihnen funktionieren?

Viele solcher Projekte, besonders in großen Organisationen sind bislang nicht ans Ziel gekommen, weil zu viel Komplexität im Transformationsvorgehen inkl. Plattformwechsel, neue Architekturen und funktionale Erneuerung in zu kurzer Zeit geplant wurden. Ich bin überzeugt, dass vor allem die sukzessive Transformation der Cobol-Module für eine erfolgreiche Umsetzung entscheidend ist.

FI und IBM arbeiten in gemeinsamen Projektteams und führen in enger Abstimmung mit der jeweiligen Organisationseinheit die Transformationsprojekte durch.”

Das funktioniert sehr gut, sodass wir entlang unserer Roadmap schrittweise zusätzliche technologische Innovationen auf dem Weg zu einer modernisierten Applikationsarchitektur in das Projekt integrieren. Damit nehmen wir zunächst Komplexität aus dem Projekt und bringen Innovation zum passenden Zeitpunkt in das Projekt ein.

Das heißt, Ihre zentrale Empfehlung ist “Zerlege die Aufgabe in kleine Stücke, die unabhängig voneinander erledigt werden können”?

Nicht unabhängig voneinander, aber mit einem Vorgehen, das eine schrittweise, kontinuierliche Umstellung innerhalb der regelmäßigen OSPlus-Releases unter Vermeidung von langen Parallelphasen ermöglicht. Das belastet die Organisation weniger und die Erfolge sind schneller messbar.

Wohin geht eigentlich die KI-Reise in der Software-Entwicklung und wie sehen Sie die Zukunft mit dem Einsatz von generativer KI?

Im bankfachlichen Umfeld sind wir nach ersten erfolgreich implementierten Use-Cases dabei, den Einsatz generativer KI für geeignete Aufgaben voranzubringen.

Für den Zweck der Softwareentwicklung wird der Einsatz von KI innerhalb der FI sukzessive weiter ausgebaut – da nehmen wir Fahrt auf.”

Gerade das Transformationsprojekt bietet hervorragende Möglichkeiten zum Ausprobieren, wie wir Code-Analyse, Entwicklung und Test mit generativer KI unterstützen und beschleunigen können. Gemeinsam mit unserem Partner IBM planen wir, entsprechende Tests aufzusetzen.

Glauben Sie, wir werden in 5 Jahren noch Entwicklerinnen und Entwickler benötigen? Oder wie könnten dann die Software-Erstellung und Pflege aussehen?

Auf jeden Fall werden wir weiter entwickeln und dafür Expertinnen und Experten benötigen. Die Aufgabenschwerpunkte werden sich verschieben.

Die KI wird eine breite Unterstützung im Entwicklungsprozess bringen, sodass sich die Kolleginnen und Kollegen in der Entwicklung mehr auf das fachliche Design und die Funktionalität konzentrieren können.”

Und vielleicht wird es weniger relevant, mit welcher Programmiersprache die Anwendungen gebaut werden. Das wird die Time-to-Market-Zeiten weiter verkürzen und die Umsetzung der Anforderungen unserer Kunden wird schneller im Markt verfügbar.

Herr Busch, vielen herzlichen Dank für das Interview.aj

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